EU-Omnibus-Paket 2025: Reform der Nachhaltigkeitsberichterstattung

PrintMailRate-it

​veröffentlicht am 27. März 2025

 

Die Europäische Union hat am 26. Februar 2025 einen umfassenden Reformvorschlag zur Anpassung ihrer Nachhaltigkeitsregularien vorgelegt. Das sogenannte Omnibus-Paket zielt darauf ab, die Berichtspflichten für Unternehmen zu verschlanken, Überschneidungen zwischen den Richtlinien CSRD, Taxonomie-Verordnung (TaxVO) und CSDDD zu beseitigen und die administrative Belastung zu reduzieren.

 

 


Hintergrund und Zielsetzung

Das Paket ist eine direkte Reaktion auf die Budapest-Erklärung vom November 2024, in der die EU-Mitgliedstaaten eine Überprüfung der regulatorischen Lasten im Kontext des europäischen Grünen Deals vereinbarten. Kritisiert wurde insbesondere die mangelnde Kohärenz zwischen den seit 2019 eingefAührten Richtlinien, die zu redundanten Berichtspflichten und hohen Compliance-Kosten führten.


Zentrales Ziel der Reform ist die Vereinheitlichung von Schwellenwerten und die Straffung der Berichtsinhalte, um eine praxistaugliche Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele zu gewährleisten. Gleichzeitig soll die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gestärkt werden, ohne die Transparenzanforderungen substantiell zu mindern.


Kernänderungen im Überblick

  1. Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

    Anwendungsbereich
    Neue Schwellenwerte: Die Berichtspflicht gilt künftig nur für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern (bisher: 250) sowie einem Umsatz von über 50 Mio. € oder einer Bilanzsumme von über 25 Mio. €.

    Reduktion des Kreises: Laut EU-Kommission werden dadurch rund 80 % der bisher erfassten Unternehmen aus der Pflicht entlassen, insbesondere KMU.

    Übergangsregelungen: Für Unternehmen, die bereits im Geschäftsjahr 2024 berichtspflichtig waren, bleibt die Pflicht bestehen. Für alle anderen wird der Erstanwendungszeitpunkt um zwei Jahre verschoben (erstmalige Berichterstattung 2028 für das Jahr 2027).

    Berichtsinhalte und -standards
    Vereinfachung der ESRS: Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) werden um etwa 25 % der Datenpunkte reduziert. Die Anpassungen sollen im Rahmen eines weiteren Omnibus-Paket erarbeitet werden.

    Abschaffung sektorspezifischer Standards: Branchenspezifische Berichtsanforderungen werden gestrichen. Stattdessen sind generische Standards mit optionalen Modulen vorgesehen.

    Freiwilliger KMU-Standard (VSME): Für Unternehmen, die nicht oder nicht mehr berichtspflichtig sind, schlägt die EU die Nutzung des bereits bestehenden VSME-Standards vor. Auch dieser Standard soll überarbeitet und im Rahmen eines delegierten Rechtsakts veröffentlicht werden. Mit einer „Schutzmechanismus“-Regelung soll verhindert werden, dass Unternehmen, die freiwillig nach dem VSME-Standard berichten, nicht durch weitere Informationsanfragen belastet werden dürfen.

    Prüfverfahren
    – Die Einführung der „reasonable assurance“ (Prüfung mit hinreichender Sicherheit) wird von 2028 auf 2030 verschoben. Nationale Übergangsfristen können bis 2032 gewährt werden.
  2. Taxonomie-Verordnung (TaxVO)

    Anwendungsbereich
    – Die Berichtspflicht nach Art. 8 TaxVO gilt künftig nur für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 450 Mio. € (bisher: 500 Mitarbeiter und 40 Mio. € Umsatz).

    Freiwillige Anwendung: Unternehmen unter der Schwelle können die Taxonomie-Kriterien optional anwenden, um Investoren transparente Daten zu liefern.

    Vereinfachung der Berichtspflichten
    Reduktion der DNSH-Kriterien: Der Nachweis, dass eine Wirtschaftsaktivität „keine erheblichen Nachteile“ (Do-No-Significant-Harm) verursacht, wird auf vier Kernbereiche begrenzt (Klimaschutz, Biodiversität, Wasserressourcen, Kreislaufwirtschaft).

    Vereinfachte KPIs: Statt 18 Indikatoren sind nur noch sechs zu berichten, darunter der Taxonomie-konforme Umsatzanteil sowie Investitionsausgaben (CapEx) und Betriebskosten (OpEx).

    Bankensektor: Nicht berichtspflichtige Unternehmen werden beim Green Asset Ratio aus dem Nenner herausgerechnet, um Verzerrungen zu vermeiden.
  3. Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)

    Anwendungsbereich und Sorgfaltspflichten
    Risikobasierte Wertschöpfungskettenprüfung: Die Pflicht zur Überprüfung erstreckt sich nur noch auf unmittelbare Zulieferer. Mittelbare Lieferanten müssen lediglich bei konkretem Verdacht auf Verstöße untersucht werden.

    Verlängerung der Intervalle: Die Wirksamkeitsprüfung von Sorgfaltsmaßnahmen erfolgt künftig alle fünf Jahre (bisher: jährlich).

    Umsetzungsfristen
    – Die nationale Umsetzung der CSDDD wird auf den 26. Juli 2027 verschoben.
    – Die erste Anwendungsphase für Unternehmen mit über 5.000 Mitarbeitern beginnt am 26. Juli 2028.

    Haftungsrecht
    – Die ursprünglich geplante EU-weite Haftungsharmonisierung entfällt. Es gelten weiterhin nationale Regelungen, etwa § 823 Abs. 2 BGB in Deutschland.

 

Gesetzgebungsverfahren und offene Fragen

Das Omnibus-Paket durchläuft derzeit das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gemäß Art. 294 AEUV. Besondere Konfliktpunkte sind:

  1. Unklare Schwellenwertangaben: In den veröffentlichten Dokumenten finden sich widersprüchliche Verweise auf Mitarbeiterschwellen (teils 500, teils 1.000). Dies könnte zu Auslegungsstreitigkeiten führen.
  2. Deutschlands Umsetzungsdilemma: Aufgrund eines laufenden Vertragsverletzungsverfahrens wegen verspäteter CSRD-Umsetzung steht die Bundesregierung vor der Wahl, die ursprüngliche Richtlinie nun nachträglich umzusetzen oder das Omnibus-Paket abzuwarten. Beides birgt rechtliche und finanzielle Risiken.
  3. Transitionale Maßnahmen: Die EU-Kommission plant zwar Übergangsregelungen für bereits laufende CSRD-Projekte, konkrete Leitlinien liegen jedoch noch nicht vor.


Kritische Würdigung und Unternehmenspraxis

Pro:

  • Entbürokratisierung: Die Harmonisierung der Schwellenwerte und die Reduktion redundanter Pflichten entlasten Unternehmen spürbar.
  • Rechtssicherheit: Die klare Ausrichtung der CSRD an der CSDDD vermeidet Zielkonflikte in der Lieferkettenverantwortung.

Contra:

  • Aushöhlungsvorwürfe: NGOs und Teile des EU-Parlaments kritisieren, dass die Reform zentrale Elemente des Grünen Deals verwässert, insbesondere durch den Wegfall sektorspezifischer Standards.
  • Strategische Unsicherheit: Unternehmen der ersten Berichtswelle (ab 2024) stehen vor der Herausforderung, bereits implementierte Prozesse anzupassen oder stillzulegen.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

 

  1. Risikoabwägung: Trotz der geplanten Entlastungen sollten betroffene Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht vollständig einstellen, da die endgültige Gesetzesfassung noch Änderungen unterliegen kann.
  2. Monitoring: Einrichtung interner Taskforces zur Beobachtung des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere hinsichtlich der finalen Schwellenwerte und Übergangsfristen.
  3. Freiwillige Standards: KMU sollten den VSME-Standard prüfen, um sich frühzeitig auf mögliche künftige Pflichten vorzubereiten und Investorenerwartungen zu erfüllen.


Fazit

Das Omnibus-Paket 2025 stellt einen komplexen Interessenausgleich zwischen ökologischer Ambition und ökonomischer Pragmatik dar. Während die Entlastung von KMU und die Vereinfachung der Standards zu begrüßen sind, bleibt die langfristige Wirksamkeit der EU-Nachhaltigkeitsagenda fraglich. Unternehmen sind gut beraten, die Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen und ihre Compliance-Strategien flexibel anzupassen. Die endgültige Bewertung wird erst möglich sein, wenn der Gesetzestext verabschiedet und in nationales Recht überführt ist.

FOLGEN SIE UNS!

LinkedIn Banner

AUS DEM NEWSLETTER

Kontakt

Contact Person Picture

Lukas Kostrach

Rechtsanwalt

Associate Partner

+49 911 9193 3572

Anfrage senden

Contact Person Picture

Hidir Altinok

M.Sc. Renewable Energy Systems, Dipl.-Ing. (FH) Versorgungstechnik

+49 911 9193 1926

Anfrage senden

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu