Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes - ein Wendepunkt für den Ausbau der erneuerbaren Energien?

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veröffentlicht am 25. Juli 2024

 

Die Bundesregierung hat sich den Klimaschutz und damit einhergehend den massiv beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien auf die Fahnen geschrieben. Am 06. Juni 2024 wurde das Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht im Bundestag beschlossen.

 

Nachdem die damit einhergehende Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes am 14. Juni 2024 auch den Bundestag passiert hatte, wurde sie am 03. Juli 2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Ziel der Novelle ist es, im Bereich der erneuerbaren Energien Bürokratie abzubauen und Verfahren zu beschleunigen. Die neuen Regelungen sollen zugleich die Transformation der Industrie und der Energieerzeugung erleichtern und den Ausbau der Erneuerbaren Energie fördern, während gleichzeitig das Ziel Umweltschutz fokussiert wird.1 Bei der Novelle handelt es sich um die umfangreichste Reform des BImSchG seit mehr als 30 Jahren2.

 

Der vorzeitige Errichtungs- und Maßnahmenbeginn wird erleichtert

Für Anlagen auf bereits bestehenden Standorten und im Falle bloßer Änderungsgenehmigungen sieht die Novelle die Möglichkeit für Anlagenbetreiber vor, unter erleichterten Bedingungen eine vorläufige Zulassung der Errichtung bereits vor Erteilung der Genehmigung zu beantragen. Die Verfahrenserleichterung besteht konkret darin, dass für die genannten Fälle das Erfordernis einer positiven Prognoseentscheidung der Behörde für die Genehmigung der Anlage entfällt, vgl. § 8a Abs. 1 S. 2 BImSchG (neu). Gleichwohl dürfen der vorzeitigen Zulassung keine immissionsschutzrechtlichen oder sonst relevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes entgegenstehen.

 

Der Vorbescheid gewinnt bei Windenergieanlagen durch einen geringeren Prüfungsumfang an Bedeutung für die Praxis

Eine wesentliche Weichenstellung zur Beschleunigung von Windenergievorhaben findet sich in dem neuen Absatz 1a zu § 9 BImSchG, wonach auf Antrag durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen entschieden werden soll, wenn ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheids besteht. Abweichend von § 29 Abs. 1 S. 1
des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung wird künftig auf eine vorläufige Umweltverträglichkeitsprüfung im Hinblick auf die Umweltauswirkungen des Gesamtvorhabens für die Erteilung des Vorbescheides verzichtet. Sinn und Zweck des Vorbescheids ist es, durch die Entscheidung über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen bereits zu einem frühen Zeitpunkt kritische Punkte abzuklären. Bis jetzt kam es in der Praxis oft zu Verzögerungen beim Vorbescheid wegen der umfangreichen Prüfung, was Investitionsentscheidungen hemmte (20240614_BWE-Informationspapier_BImSchG.pdf (wind-energie.de).

 

Die Sachbearbeitung in der Behörde soll gestrafft werden

Kern der BImSchG-Novelle ist eine umfassende Überarbeitung des § 10 zum Genehmigungsverfahren. Zur Verfahrensbeschleunigung soll nicht zuletzt die Digitalisierung des Genehmigungsverfahrens beitragen. So werden Genehmigungsbehörden berechtigt, die elektronische Antragstellung zu fordern. Im Rahmen der öffentlichen Bekanntmachung ist die Auslegung des Antrags und der relevanten Antragsunterlagen im Übrigen durch Veröffentlichung der Dokumente auf einer Internetseite der zuständigen Behörde zu bewirken. Zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Antragsteller räumt die Novelle diesen in § 3 Abs. 1 S. 6 ein Widerspruchsrecht gegen die Veröffentlichung im Internet ein. Die Behörde ist in diesen Fällen gehalten, eine andere Form der Veröffentlichung zu wählen.

 

Für weitere Beschleunigung soll eine Straffung des Verfahrens der Behördenbeteiligung in § 10 Abs. 5 sorgen. Gibt eine zu beteiligende Behörde nicht innerhalb einer Frist von einem Monat eine Stellungnahme ab oder bittet um Verlängerung, wird davon ausgegangen, dass sie sich nicht äußern wollte. In Genehmigungsverfahren für EE-Anlagen oder zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien schließt der Gesetzgeber eine Verlängerung der Stellungnahmefrist darüber hinaus aus.


Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb
einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist § 10 Abs. 6a allerdings nur noch einmalig um bis zu drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung ist gegenüber dem Antragsteller zu begründen. Eine weitere Verlängerung ist nur auf Antrag oder mit Zustimmung des Antragstellers möglich.

 

Flankierend dazu wird in § 7 Abs. 1 der 9. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) eine Vollständigkeitsfiktion für den Fristbeginn eingeführt. Es ist nun klar geregelt, dass die Genehmigungsfrist des § 10 Abs. 6a BImSchG mit der Vollständigkeit der Unterlagen beginnt. Die Vollständigkeit der Unterlagen wird fingiert, wenn die Behörde nicht innerhalb einer Frist von einem Monat (nur einmalige Verlängerung um 2 Wochen möglich) nach Eingang des Antrags weitere Unterlagen nachfordert.

 

Verstärkte Förderung der Windenergie durch Erleichterungen beim Repowering

Für die Modernisierung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien im Sinne eines Repowering sah das BImSchG bereits vor der Novelle einen vereinfachten Genehmigungsrahmen vor. Dieser wird durch eine erneute Reduzierung des Prüfungsumfangs und eine Ausweitung der Anwendungsfälle weiter verbessert. Künftig sollen weitere Vorhaben von den Erleichterungen beim Repowering profitieren: bei einem vollständigen Austausch der Anlage erfasst die Novelle Vorhaben, bei denen die neue Anlage innerhalb von 48 Monaten (bislang 24 Monate) nach dem Rückbau der Bestandsanlage errichtet wird und der Abstand zwischen der Bestandsanlage und der neuen Anlage höchstens das Fünffache (bisher das Zweifache) der Gesamthöhe der neuen Anlage beträgt. Überdies sollen Anlagen bis zur Inbetriebnahme der neuen Anlagen betrieben werden dürfen. Schließlich stellt § 10 Abs. 10 (neu) klar, dass eine Betreiberidentität bei einem vollständigen Austausch der Anlage nicht erforderlich ist.

 

Darüber hinaus enthält die Novelle verschiedene weitere Regelungen zur Erleichterung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Unter anderem gewinnt der bislang fakultativ eingesetzte Projektmanager in Zukunft an Bedeutung. Dieser soll auf Antrag oder mit Zustimmung des Vorhabenträgers in jeder Stufe des Projekts beauftragt werden können (§ 2a der 9. BImSchV). Auch sieht die Novelle eine Zustellungsfiktion und damit das Auslösen der Rechtsschutzfristen nicht nur für Fälle des Repowering vor, sondern stellt klar, dass dies auch für im vereinfachten Verfahren erteilte Genehmigungen gilt, die auf Antrag öffentlich bekannt gemacht wurden (§ 19 Abs. 3 BImSchG).

 

Auch wenn viele der vorgesehenen Änderungen mit Blick auf die gewünschte Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und den Ausbau der Erneuerbaren Energien sehr zu begrüßen sind, gehen sie auch mit Herausforderungen für Anlagenbetreiber einher. Letztlich wird auch der Wegfall bestimmter Kontrollinstanzen oder Prüfungsschritte die Antragsteller nicht von dem Erfordernis befreien, ihre Anlagen rechtskonform zu errichten und zu betreiben.

 

Rödl & Partner unterstützt bei der Realisierung komplexer Vorhaben

Rödl & Partner berät Energieversorger und Industrieunternehmen zu komplexen Fragen des Energie- und Umweltrechts ebenso wie zur wirtschaftlichen Umsetzbarkeit und Finanzierung anspruchsvoller Projekte.

 

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Quellen:

1 https://www.bmuv.de/pressemitteilung/ein-beschleunigungspaket-fuer-erneuerbare-energien-und-industrie-bundestag-beschliesst-gesetz-zur-verbesserung-des-klimaschutzes-beim-immissionsschutz, zuletzt aufgerufen am 22.07.2024

 

2 https://www.bmwk-energiewen-de.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2024/06/Meldung/news4.html#:~:text=Am%206.,30%20Jahren%20in%20Kraft%20treten, zuletzt aufgerufen am 22.07.2024

 

3 https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen/01-mensch-und-umwelt/02-planung/20240614_BWE-Informationspapier_BImSchG.pdf, zuletzt aufgerufen am 22.07.2024

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