Nachträgliche rückwirkende Festsetzung des Gebührensatzes nur bei vorhergehender unwirksamer Satzung

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​veröffentlicht am 27. Oktober 2023


Kommunen erheben für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen, wie z.B. der öffentlichen Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung, kostendeckende Gebühren von ihren Nutzern. Der Kostendeckungsgrundsatz sowie damit verbundene Regelungen sind in den Kommunalabgabengesetzen der Bundesländer für die Erhebung von Gebühren geregelt. Dabei wird auf betriebswirtschaftliche Grundsätze zur Ermittlung der Kosten verwiesen (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG1). Demnach zählen zu diesen Kosten nur betriebsbedingte Kosten, also Kosten, die mit den von der öffentlichen Einrichtung erbrachten Leistungen zusammenhängen.

 

Der Kostendeckungsgrundsatz zielt darauf ab, sicherzustellen, dass die Gebühren die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelten Kosten abdecken, ohne dass die Einrichtungsträger zusätzliche Mittel bereitstellen müssen, um die Leistungserbringung aufrechtzuerhalten.


Notwendigkeit einer rechtzeitigen Gebührenanpassung

Um die Finanzierung der Leistungserbringung nachhaltig zu gewährleisten, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Einrichtungsträger frühzeitig erkennen, wenn die bisherigen Gebühren nicht (mehr) kostendeckend sind. Besteht die Notwendigkeit einer Gebührenerhöhung, so müssen die höheren Gebühren vor Beginn des neuen Kalkulationszeitraums in der Satzung festgelegt werden. In dieser Hinsicht liegt die Verantwortung bei den Einrichtungsträgern, rechtzeitig vor Ablauf des Bemessungszeitraums eine Neukalkulation durchzuführen. Dadurch können notwendige Gebührenanpassungen rechtzeitig für die Zukunft vorgenommen werden, ohne auf rückwirkende Maßnahmen angewiesen zu sein.

 

Möglichkeit einer rückwirkenden Gebührenerhöhung

In der Vergangenheit war es regelmäßig üblich, durch einen sog. „Rückwirkungsbeschluss” den Gebührenpflichtigen mitzuteilen, dass die bisherigen Gebühren als nicht mehr als kostendeckend erachtet werden und es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer rückwirkenden Erhöhung der Gebührensätze kommen wird.

 

In seinem Urteil vom 23.6.2022 (Az. 20 N 19.775, BeckRS 2022, 34039, GK 62/2023, KommP BY 2022, S. 310, nichtamtliche Leitsätze) befasst sich das BayVGH mit der nachträglichen rückwirkenden Erhöhung des Gebührensatzes. Das BayVGH kam zu der Auffassung, dass für den Fall, dass die vorhergehende Gebührensatzung wirksam war, eine rückwirkende Erhöhung nicht zulässig ist. Dies gilt sowohl für den Erlass einer Änderungssatzung als auch für den kompletten Neuerlass einer Gebührensatzung.

 

„Eine rückwirkende Abgabenerhöhung durch Austausch einer rechtmäßigen Satzungsregelung durch eine andere ist unzulässig … Ein bereits in der Vergangenheit erfüllter Gebührentatbestand kann durch Satzungsänderung nicht zu einem späteren Zeitpunkt verändert werden … Ein Verstoß des an Recht und Gesetz gebundenen Antragsgegners gegen das Kalkulationsgebot, das dem Kostendeckungsprinzip zur Durchsetzung verhelfen soll, da nur auf der Grundlage aussagekräftiger Betriebsabrechnungen eine Bemessung der voraussichtlich kostendeckenden Gebührenhöhe stattfinden kann, kann das auf die Einmaligkeit der Gebührenerhebung gerichtete Vertrauen der Gebührenschuldner nicht beseitigen, auch wenn der Antragsgegner den Gebührenschuldnern wiederholt mitgeteilt hat, dass die bislang der Abrechnung zugrunde gelegten Gebührensätze aller Voraussicht nach nicht kostendeckend sein dürften. Das Vorgehen des Antragsgegners findet im Kommunalabgabengesetz keine Rechtfertigung.” (RdNr. 64 in juris)

 

Notwendigkeit einer Gebührenkalkulation im Falle der Rückwirkung

Anders liegt der Fall bei Vorliegen einer nichtigen Gebührensatzung. In solch einem Fall ist der rückwirkende Erlass erforderlich, um den durch die nichtige Satzung entstandenen, rechtsleeren Raum zu überbrücken (vgl. BayVGH, Beschluss vom 4.10.2011, Az. 20 ZB 11.716, BeckRS 2011, 33924, m.w.N.). Jedoch ist in diesem Fall nach Auffassung des BayVGH das Vorliegen einer Gebührenkalkulation zwingend notwendig:

„Bei dem rückwirkenden Erlass einer Abwassergebührensatzung ist grundsätzlich eine Kalkulation der Benutzungsgebühren erforderlich, die sich entsprechend Art. 8 Abs. 6 KAG an den tatsächlichen Kosten der vergangenen Kalkulationsperioden orientiert. Fehlt eine entsprechende Kalkulation, führt dies zur Unwirksamkeit der Rückwirkungsanordnung.” (so BayVGH, Urteil vom 23.2.2023, Az. 20 B 21.1676, BeckRS 2023, 6040, Komm P BY 2023, S. 222, amtlicher Leitsatz 1).

 

Dies bedeutet, dass Einrichtungsträger, die eine nichtige Gebührensatzung ersetzen möchten, sicherstellen müssen, dass eine transparente und rechtlich fundierte Kalkulation vorliegt. Dies hilft nicht nur, rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden, sondern gewährleistet auch, dass die Gebühren auf einer soliden finanziellen Grundlage beruhen.

 

Gern unterstützen wir Sie bei der Gebührenkalkulation. Sprechen Sie uns an.

 



 

Quelle: 

1 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl. S. 264, BayRS 2024-1-I), das zuletzt durch § 12 des Gesetzes vom 24. Juli 2023 (GVBl. S. 385) geändert worden ist.

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