Benutzungsgebühren im Kommunalabgabengesetz Nordrhein-Westfalen (KAG NRW)

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​veröffentlicht am 27. Mai 2022

 

Bestimmungen zur Kalkulation von Benutzungsgebühren finden sich in den Kommunalabgabengesetzen der Länder. Was dort nicht eindeutig geregelt ist, wird durch Rechtsprechung konkretisiert. So auch in Nordrhein-Westfalen, wo umfangreiche Rechtsprechung, unter anderem zur Angemessenheit bei der Verzinsung des von der Einrichtung aufgewandten Kapitals oder zur Verwendung von Abschreibungen auf den Wiederbeschaffungswert1, existiert.


Das jüngste durch das OVG NRW ergangene, bis dato jedoch noch nicht veröffentlichte, Urteil zu Abwassergebühren in der Stadt Oer-Erkenschwick markiert eine Zeitenwende bei der Beurteilung der Angemessenheit von Abwassergebühren in Nordrhein-Westfalen und wird vielerorts Auswirkungen auf die Gebühren im bevölkerungsreichsten Bundesland haben.

 

So geht das OVG NRW entgegen seiner bis in das Jahr 1994 zurückreichenden, ständigen Rechtsprechung2  nun von geänderten Annahmen aus, die im Falle der Stadt Oer-Erkenschwick zu grundlegenden Kalkulationsfehlern führten.

 

Zunächst sei es demzufolge nicht mehr sachgerecht, im Rahmen der Kalkulation Abschreibungen auf den Wiederbeschaffungszeitwert mit einer kalkulatorischen Verzinsung des Anlagevermögens zu einem inflationierten Nominalzinssatz zu kombinieren. Wenngleich eine solche Vorgehensweise aus betriebswirtschaftlicher Perspektive dem Grunde nach weiterhin vertretbar bleibe, erkennt das Gericht darin nun anders als bislang einen doppelten Inflationsausgleich bei der Ermittlung der Kosten der Abwasserbeseitigung, der über den in der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen festgeschriebenen Zweck einer Gebührenkalkulation (Sicherstellung dauerhafte Betriebsfähigkeit) hinausgehe.

 

Zudem zeichnet sich mit dem jüngsten Urteil auch eine geänderte Auffassung des OVG NRW zur Angemessenheit der Verzinsung von Abwasserbeseitigungsanlagen der Höhe nach ab. So erachtet das Gericht den vorliegend von der Stadt Oer-Erkenschwick gewählten einheitlichen Zinssatz von 6,52 % p.a. für die eigen- und fremdfinanzierten Abwasserbeseitigungsanlagen für überhöht. Dabei sei weder der Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten über einen Zeitraum von 50 Jahren, welcher der Ermittlung durch die Stadt zugrunde gelegt wurde, angemessen, noch ein pauschaler Zuschlag von 0,5 Prozentpunkten für höhere Fremdkapitalzinsen gerechtfertigt. Vielmehr gehe das OVG NRW bei der Ermittlung des kalkulatorischen Zinssatzes für Abwasserbeseitigungsanlagen von einem zehnjährigen Durchschnitt ohne Zuschlag3 aus und ermittelt auf diese Weise einen – im Vergleich zu den Berechnungen der Stadt Oer-Erkenschwick deutlich geringeren – kalkulatorischen Zinssatz von 2,42 % p.a.

 

Noch vor Veröffentlichung des jüngsten Urteils des OVG NRW deutet sich also eine Zeitenwende bei der Beurteilung der Angemessenheit der Kosten und damit auch bei der Kalkulation von Abwassergebühren in Nordrhein-Westfalen an. Vor diesem Hintergrund ist jede Kommune in Nordrhein-Westfalen gut beraten, mindestens die bestehende Abwassergebührenkalkulation im Lichte der aktuellen Entscheidung des OVG NRW zu hinterfragen und anstehende Kalkulationen daran auszurichten.

 

Ob und inwieweit das jetzige Urteil indes auch Implikationen für andere Einrichtungen haben wird, bleibt abzuwarten. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

 

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1 vgl. hierzu bspw. OVG NRW, Urteil v. 14.12.2004 (Az.: 9 A 4187/01).
2 Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil v. 5.8.1994 (Az.: 9 A 1248/92)
3 Eine identische Meinung zum Zinsaufschlag hatte zuvor auch das VG Düsseldorf vertreten. Vgl. hierzu VG Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2018 (Az. 5 K 12028/17).

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Tina Wiedebusch

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