ESRS – ESRS 1 – doppelte Wesentlichkeit

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​​​​​​​Wir bieten Ihnen eine Fortsetzung des in unserem letzten News Letter veröffentlichten Artikels, in dem wir Ihnen den ersten Teil von ESRS 1 erläutert haben. Die CSRD und die ESG-Standards erweitern wesentlich den Umfang von Informationen, welche die Nachhaltigkeitsberichte zu enthalten haben. Aus diesem Grund wurde das Konzept der doppelten Wesentlichkeit eingeführt, deren Beurteilung der Ausgangspunkt und der wichtigste Punkt bei Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten ist, d. h. bei der Ermittlung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen, die offengelegt werden sollen. Die Wesentlichkeit ist auch bei Nachhaltigkeitsentscheidungen von Unternehmen und der Entwicklung der internen Prozesse für Beurteilung und Überwachung von Nachhaltigkeitsdaten von Bedeutung.


Radim Botek, Rödl & Partner Prag 

Die doppelte Wesentlichkeit wird ausführlich in Kapitel „3. Doppelte Wesentlichkeit als Grundlage für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen" und anschließend in Anhang A definiert, der eine Liste von Nachhaltigkeitsthemen (und Unterthemen) enthält, die bei die Wesentlichkeitsprüfung zu berücksichtigen sind. 

Als Beispiel bieten sich:​

ESRS

Hauptthema

Thema

Unterthemen

 

 

ESRS E3

Wasser- und Meeresressourcen

 

  • Wasserressourcen
  • Meeresressourcen
  • Wasserverbrauch
  • Wasserentnahmen
  • Wasserableitung 
  • Wasserableitung in Ozeane
  • Entnahme und Nutzung von Meeresressourcen

 

 

ESRS S4

Verbraucher und Endnutzer

Auswirkungen der Informationen auf Verbraucher und / oder Endnutzer

 

  • Privatsphäre
  • Freiheit der Meinungsäußerung
  • Zugang zu (aussagefähigen) Informationen ​

Aus der Tabelle ist es ersichtlich, dass einige Fragen bereits in der ersten Etappe der Wesentlichkeitsprüfung ausgeschlossen werden. So wird beispielsweise ein landwirtschaftlicher Betrieb in Mittelböhmen, der Wasser aus der Elbe bezieht, höchstwahrscheinlich keine Angaben über Meeresressourcen machen müssen. Für ein Unternehmen, das eine Kette von Einzelhandelsgeschäften mit Kosmetikartikeln betreibt, spielt der ESRS E3 wahrscheinlich keine Rolle. Für dieses Unternehmen dürfte hingegen der ESRS S4 sehr wichtig sein. 

Ein Nachhaltigkeitsthema ist „wesentlich", wenn die Kriterien für nichtfinanzielle oder finanzielle Auswirkungen oder für nichtfinanzielle sowie finanzielle Auswirkungen erfüllt sind. Die Beurteilung der Wesentlichkeit von nichtfinanziellen und finanziellen Auswirkungen ist miteinander verknüpft, es muss ihre gegenseitige Abhängigkeit geprüft werden. Allgemein wird jedoch in den meisten Fällen die Beurteilung der nichtfinanziellen Auswirkungen im Vordergrund stehen.

Nach ESRB sind selbstverständlich auch wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen innerhalb der Wertschöpfungskette von Unternehmen zu prüfen, wobei von der Art des Geschäftsbetriebs, den Geschäftsbeziehungen, den Regionen und anderen relevanten Faktoren ausgegangen wird. Einer der erforderlichen Schritte ist auch die Beurteilung der Abhängigkeit von natürlichen, menschlichen und sozialen Ressourcen zu einem angemessenen Preis und in einer angemessenen Qualität.

Schauen wir uns die beiden Wesentlichkeiten genauer an.  

Wesentlichkeit von Auswirkungen („von innen nach außen“) 

Ein Nachhaltigkeitsthema hat wesentliche Auswirkungen, wenn es tatsächliche oder potenzielle positive oder negative Auswirkungen auf Menschen oder die Umwelt hat, und zwar in jedem Zeithorizont (im kurz-, mittel- oder langfristigen Horizont).

Zu den Umwelt-, Sozial- und Governanceaspekten gehören:

  • ​direkte Auswirkungen des Geschäftsbetriebs von Unternehmen - z. B. Emissionen bei Produktionsprozessen, Produktionsabfall, Wasserverbrauch, Pendeln von Mitarbeitern oder Arbeitssicherheit
  • indirekte Auswirkungen der Wertschöpfungskette von Unternehmen (Lieferanten, Abnehmer usw.) - z. B. Auswirkungen der Gewinnung von gelieferten Rohstoffen, des Transports von Produkten an Abnehmer, der Arbeitsbedingungen und der Rechte der Arbeitnehmer bei Lieferanten  
  • Auswirkungen der Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen - z. B. Auswirkungen auf Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher, an welche die Produkte verkauft werden oder der Datenschutz bei Endverbrauchern
  • Auswirkungen, die sich aus den Geschäftsbeziehungen des Unternehmens ergeben - z. B. Auswirkungen von (unethischen) Marketingpraktiken, die Präsentation von Unternehmen gegenüber ihren Investoren 

Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit negativer Auswirkungen wird von der Sorgfaltspflicht (von den UN- und OECD- Grundsätzen) ausgegangen: 

  • ​Wesentlichkeit von tatsächlichen Auswirkungen 
  • Wesentlichkeit und Wahrscheinlichkeit potenzieller Auswirkungen 

Die Wesentlichkeit berücksichtigt den Grad, das Ausmaß und die Unwiederbringlichkeit der Auswirkungen.
Bei potenziellen Auswirkungen auf die Menschenrechte hat die Wesentlichkeit Vorrang vor der Wahrscheinlichkeit.

Die Wesentlichkeit positiver Auswirkungen geht 

vom Grad und Ausmaß tatsächlicher Auswirkungen  
vom Grad, Ausmaß und von der Wahrscheinlichkeit potenzieller Auswirkungen aus.

Beispiele für positive Auswirkungen sind die Verringerung der Treibhausgasemissionen, die Verbesserung der Abfallwirtschaft, die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft oder die Verbesserung von Arbeitsbedingungen.

Finanzielle Wesentlichkeit („von außen nach innen")​​

Als finanzielle Wesentlichkeit, die in den Nachhaltigkeitsberichten zu berücksichtigen ist, gelten Informationen, welche die Entscheidungen der Adressaten von Jahresabschlüssen über Material- oder Warenlieferungen an jeweilige Unternehmen beeinflussen könnten. Diese Wesentlichkeit ist mit der Wesentlichkeit von Abschlusszahlen vergleichbar.

Die Nachhaltigkeit ist finanziell wesentlich, wenn wesentliche finanzielle Auswirkungen auf die jeweiligen Unternehmen bestehen oder vernünftigerweise erwartet werden kann, dass diese Auswirkungen nicht vermieden werden können. Sie kann zu Risiken oder Chancen führen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Geschäftsbetriebs, auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, die Mittelflüsse, die Finanzierungsmöglichkeiten oder die Kapitalkosten haben oder haben können.

Zu den Risiken gehören z. B. keine oder nur beschränkte Möglichkeit, wichtige Rohstoffe zu beschaf¬fen, Änderungen in der Nachhaltigkeitsgesetzgebung, ein schlechter Ruf von Unternehmen wegen negativen Auswirkungen ihres Geschäftsbetriebs auf Umwelt oder negative soziale Auswirkungen, höhere Energie-, Materialkosten oder höhere Abfallentsorgungskosten. Zu den Chancen gehören dem gegenüber z. B. die Erzielung eines Wettbewerbsvorteils durch nachhaltige Produkte und Dienstleistungen, die Senkung von Energie- und Materialkosten durch erneuerbare Ressourcen, eine Verbesserung des Rufs oder die Stärkung des Vertrauens von Investoren und Kunden.

Die Beurteilung der doppelten Wesentlichkeit ist sehr komplex. Es handelt sich um einen mehrstufigen Prozess, der von der Ermittlung und Einbeziehung aller Beteiligten über die Ermittlung potenzieller Nachhaltigkeitsaspekte und die Beurteilung der Auswirkungen, Risiken und Chancen bis hin zur Ermittlung der wesent¬lichen Nachhaltigkeitsaspekte reicht. Es handelt sich dabei de facto um einen Trichter oder Filter, der es den Unternehmen letztendlich ermöglicht, sich auf die wesentlichen Themen und Fragen zu konzentrieren, die zum CSRD bzw. ESRS gehören und im Nachhaltigkeitsbericht dargestellt werden sollen. 

In unserem nächsten Artikel werden wir das Thema ESRS 1 abschließen und Ihnen den ebenso wichtigen ESRS 2 darstellen, der vorschreibt, welche Informationen nach allen ESRS-Standards offengelegt werden müssen. 

Kontakt

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Ing. Radim Botek

Auditor (Tschechische Rep.)

Partner

+420 236 1633 05

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