BGH erteilt Vorbezugs-Preisgleitklausel und HEL-Marktelement für Fernwärme eine Absage

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Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidungen der 1:1 Weitergabe von Vorbezugs-Preisgleitformeln und HEL-Marktelementen mit der Zurückverweisung an die Vorinstanz eine vorläufige Absage erteilt. Fernwärme-Weiterverteiler sollten deshalb jetzt die Auswirkung des Urteils auf ihre Vorbezugs- und Endkundenpreisgleitung prüfen und diese gegebenenfalls vorsorglich anpassen.

 

​Der BGH hat mit einer weiteren Entscheidung zu einer Fernwärmepreisgleitklausel (Urteil vom 19.07.2017, Az.: VIII ZR 268/15) die Anforderungen an Vorbezugspreisgleit-Elemente und an Marktelemente, die an die Entwicklung der Preise für leichtes Heizöl (HEL) gekoppelt sind, konkretisiert.

 

Fernwärmeversorgungsunternehmen, die Wärme bereits von einem anderen Unternehmen beziehen (sog. „Weiterverteilerunternehmen”), stehen bei der Gestaltung einer Preisgleitformel vor der Schwierigkeit, dass die „Kostenentwicklung der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme” (§ 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV) nur beim Vorlieferanten stattfindet, während beim Weiterverteilerunternehmen nur Bezugskosten aus dem Wärme-Vorbezugsvertrag anfallen. Insbesondere bei Müllheizkraftwerken, großen Kohlekraftwerken und Wärme aus Biomasseanlagen bestehen häufig derartige Vorbezugskonstellationen.

 
In der regenerativen Wärmeversorgung beziehen sich kommunale Fernwärmeversorger einerseits Wärme häufig aus landwirtschaftlichen Biogasanlagen oder Holz-Heizkraftwerken industrieller Partner. Andererseits finden Verbezugspreisgleitungselemente hier auch bei Wärmeeigenerzeugung für die Brennstoffkosten Anwendung. In der regenerativen Wärmeversorgung besteht häufig die Schwierigkeit, dass für regenerative Primärenergieträger (z.B. Biomethan, Rohbiogas, Holz, (tiefengeothermische) Abwärme, etc.) oder sonstige untypische Brennstoffe (z.B. Klärgas, Gichtgas, Klärschlammm, etc.) kein öffentlicher Preisindex zur Verfügung steht. Daher kann hier nur an die im Brennstoff-Vorbezugsvertrag enthaltene Preisgleitung oder an die tatsächliche Preisentwicklung angeknüpft werden. Insofern hat das Urteil auch über die verfahrensgegenständliche Fernwärme-Weiterverteiler-Konstellation hinaus Bedeutung für alle Vorbezugs-Preisgleitelemente.


Schließlich finden sich Vorbezugspreisgleitklauseln zum Teil auch noch bei älteren fossilen Wärmeprojekten, denen regelmäßig langfristige Erdgas- oder Kohlebezugsverträge zugrunde lagen. Gerade in älteren Vorbezugsverträgen entsprechen die Preisgleitklauseln häufig nicht mehr den in jüngerer Zeit verschärften Anforderungen der Rechtsprechung, sodass sich hier zusätzlich die Problematik rechtswidriger oder zumindest nicht mehr marktkonformer Vorbezugspreisgleitklauseln stellt.


Die Entscheidung des BGH ist von hoher Praxisrelevanz für die Fernwärmewirtschaft und wird deshalb vielfach eine Anpassung der Vorbezugsverträge und der hieraus abgeleiteten Weiterverteiler-Preisgleitklauseln erfordern. (Lesen Sie hierzu auch: Rödl & Partner Studie „Preisfindung in der Wärmewirtschaft?”) Fernwärmeversorger, die jetzt kurzfristig gegensteuern, können sich so vor Rückforderungsprozessen von Großkunden sowie Unterlassungsverfahren von Verbraucherverbänden schützen.


Daneben sind wesentliche Grundsätze der Entscheidung aber auch auf Erdgaslieferverträge übertragbar, auch wenn die Bedeutung der HEL-Bindung hier in den letzten Jahren abgenommen hat.


In der konkreten Arbeitspreisgleitklausel wurde die HEL-Arbeitspreisgleitklausel des Wärmevorbezugsvertrags 1:1 übernommen und mit einem Korrekturfaktor versehen. Der BGH hat das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da das Oberlandesgericht in tatsächlicher Hinsicht nicht untersucht hatte, ob sich die Kostenstruktur der Arbeitspreiskalkulation tatsächlich ausschließlich auf die Kosten des Vorbezugs beschränkte. Typischerweise fallen bei einem Weiterverteiler neben den Vorbezugskosten weitere verbrauchsabhängige Kosten für den Betrieb der eigenen Leitungsanlagen, Speicheranlagen, Reserve- oder Spitzenlastwärme und sonstige Verwaltungskosten sowie teilweise auch eine eigene Gewinnmarge an. Darüber hinaus hatte das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Rechtfertigung des Korrekturfaktors (z.B. für Wärmeverluste des Verteilnetzes oder sonstiger zusätzlicher oder geringerer Kosten des Weiterverteilerunternehmens) getroffen.


Der BGH weist vielmehr die pauschale Rechtfertigung des HEL-Elements durch den Verweis auf die HEL-Bindung der Vorbezugspreisgleitklausel zurück. Insofern fehle es an Feststellungen zu vergleichbaren örtlichen Notierungen, zum Ausschluss weiterer Bemessungsfaktoren und zu vergleichbaren Berechnungszeiträumen.


Obwohl der BGH festgestellt hat, dass alleine die Kosten des Wärmebezugs, und nicht die Kosten des Vorlieferanten für die Rechtfertigung einer Preisgleitformel gegenüber Endkunden maßgeblich sind, kritisiert er den gegenüber der Preisgleitformel des Weiterverteilerunternehmens mit dem Wärmevorlieferant wesentlich geringeren Umfang der HEL-Bindung in der Preisgleitformel des Erdgaslieferanten mit dem Wärmevorlieferanten (6 Prozent gegenüber 86 Prozent). Zwar war in der kartellrechtlichen Preiskontrolle lange Zeit anerkannt, dass nur die Kosten des in der Lieferkette unmittelbar vorgelagerten Glieds maßgeblich seien. Konzerninterne Verrechnungspreise waren bei einer gesellschaftsrechtlichen Entflechtung deshalb bis zur Beschränkung durch die Billigkeitsrechtsprechung des BGH ein vertretbares Mittel, konzerninterne Gewinne der Kostenkontrolle zu entziehen. Dieser Praxis schiebt der BGH nunmehr auch im Bereich der Preisgleitformelgestaltung einen Riegel vor, indem er bei konzerninternen Gestaltungen unter Berufung auf den an sich in der Fernwärmewirtschaft nicht anwendbaren § 2 Abs. 1, § 1 EnWG 2005 verlangt, dass auch im Verhältnis Weiterlieferunternehmen - Wärmevorlieferanten nur Preisanpassungsklauseln und Preissteigerungen vereinbart werden dürfen, die zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Verhältnis Wärmevorlieferant - Primärenergielieferant erforderlich sind.


Insofern wird auch außerhalb eines konzernrechtlichen Verbundes, insbesondere bei Preisgleitklauseln des Vorbezugsvertrags, die offensichtlich rechtswidrig sind, weil sie z.B. durch einen HEL-Faktor die tatsächlichen Kostenverhältnisses des Vorlieferanten oder dessen Erdgaslieferanten nicht abbilden können, die Luft für die 1:1 Weitergabe im Endkundenvertrag dünner. Trotz der vermeintlichen Verbraucherfreundlichkeit angesichts des aktuellen HEL-Preisverfalls werden HEL-Kostenelemente danach entsprechend dem deutschlandweit geringen tatsächlichen Anteil des leichten Heizöls als Brennstoff in der Fernwärmewirtschaft weiter an Bedeutung verlieren.


Auch als Wärmemarktelement hat der BGH das HEL-Element in Frage gestellt. Bereits zu der vielfach fehlinterpretierten BGH-Entscheidung vom 25.06.2014 (Az.: VIII ZR 344/13) hatte Rödl & Partner darauf hingewiesen, dass der BGH alleine aus formalen, prozessrechtlichen Gründen einheitliche HEL-Kosten- und Wärmemarktelemente unbeanstandet gelassen hatte (Lesen Sie hier den Artikel dazu). Dies bestätigt der BGH nun in der aktuellen Entscheidung ausdrücklich und verweist auch die Frage, ob der Markt für leichtes Heizöl „die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt” (§ 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV) angemessen abbildet, zur Erhebung der erforderlichen Tatsachen durch Sachverständigengutachten zurück an das Berufungsgericht. Dabei ist es angesichts der immer deutlicher werdenden Entkoppelung von Heizöl- und Erdgasmarkt und der zunehmenden Bedeutung regenerativer Primärenergieträger unwahrscheinlich, dass zukünftig reine HEL-Elemente als Wärmemarktelement zulässig sind.


Weiterverteilerunternehmen und Fernwärmeversorger mit sonstigen Vorbezugspreisgleitklauseln und Fernwärmeversorger mit HEL als (einheitliches) Marktelement sollten deshalb jetzt sowohl die Preisanpassung des Fernwärme-Vorbezugsvertrags als auch Endkundenverträge überprüfen. Damit wird häufig das im Verhältnis zu marktmächtigen Vorlieferanten schwierige Thema nicht marktgerechter Vorbezugspreise und rechtswidriger Vorbezugspreisgleitklauseln anzufassen sein. Je nach Reaktion muss der Weiterverteiler/Fernwärmeversorger seine Preisanpassungsstrategie grundsätzlich ändern. Alternative Indexbindungen oder Echtkosten-Preisgleitklauseln können hier im Einzelfall eine Lösung sein.

 
Die unveränderte Weitergabe von Vorbezugs-Preisgleitformeln und HEL-Marktelemente im Endkundenverhältnis sollte jedenfalls nach der aktuellen Entscheidung des BGH der Vergangenheit angehören. Fernwärmeversorger, die hier noch keine aktuellen Preisanpassungsklauseln umgesetzt haben, sollten jetzt schnell mit einer Vertragsanpassung vor Beginn der nächsten Abrechnungsperiode reagieren.


Auch dieses Verfahren zeigt erneut, dass der langwierige Weg durch die Instanzen mit Zurückverweisung und umfassender Beweisaufnahme durch Sachverständige für Fernwärmeversorger selbst bei einem Obsiegen häufig unwirtschaftlich ist. Gerichtlicher Rechtsschutz sollte deshalb auf die Abwehr offensichtlich rechtswidrigen Verhaltens, insbesondere bei querulatorischen Kunden oder bei Ausnutzung von Marktmacht, beschränkt bleiben. Die Energiewende des Strommarkts hat in Bezug auf die erreichte Kostenbelastung und Verteilungsgerechtigkeit in der Politik eine Akzeptanzgrenze erreicht. Für die zur Abwendung einer Klimakathastrophe erforderliche CO2-Reduzierung bietet die Fernwärme als energieeffiziente Versorgungstechnik mit der Chance zur Dekarbonisierung des Wärmemarkts unter sozialer Verteilung der Kosten auf alle Wärmeverbraucher ein hohes energiepolitisches Potential für eine Wärmewende. Soweit es in Gerichtsverfahren wie dem vorliegenden aber nicht gelingt, zweifelsfrei eine fach- und sachgerechte Fernwärmepreiskalkulation und Preisgleitformelgestaltung nachzuweisen, riskiert die Branche dieses Potential und ein positives Image ohne Not zu verspielen.

 
Insofern zeigt das Verfahren auch, dass die fachlich fundierte, regelmäßig überprüfte und angepasste Kalkulation von Fernwärmepreisen und deren Umsetzung durch aktuelle Preisanpassungsklauseln sowohl wirtschaftlich als auch strategisch eine gute Investition in die Zukunft der Fernwärmeversorgung ist. 

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Joachim Held

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