Stromlieferungen auch im Mieterstrommodell als eigenständige Hauptleistung

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​​veröffentlicht am 2. April 2025

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Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil 15 K 128/21 U vom 18.02.2025, entschieden, dass die Lieferung von Mieterstrom nicht als unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung, sondern als selbstständige Hauptleistung anzusehen ist. Vermieter können daher den vollen Vorsteuerabzug bei der Anschaffung einer Photovoltaikanlage geltend machen. Im Fall ging es um einen Kläger, der ein Mehrfamilienhaus besitzt, das umsatzsteuerfrei vermietet wird, und seinen Mietern Strom liefert, der über die Betriebskosten abgerechnet wird. Auf dem Dach dieses Mehrfamilienhauses hat der Kläger eine Photovoltaikanlage installiert. 
Im Rahmen einer Förderung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau verpflichtete sich der Kläger, 50 Prozent des gelieferten Stroms innerhalb des Mietobjekts abzunehmen. Reichte der durch die Photovoltaikanlage erzeugte Strom nicht aus, stellte der Kläger die Stromversorgung durch den Bezug und die Weiterleitung von externem Strom sicher.

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte das zuständige Finanzamt dem Kläger den vollen Vorsteuerabzug für die Anschaffung der Photovoltaikanlage. Das Finanzamt argumentierte dahingehend, dass die Vermietung und die Stromlieferung so eng miteinander verbunden seien, dass die Stromlieferung als Nebenleistung umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung (Vermietung) teile. Nach Auffassung des Finanzamts könne folglich der Vorsteuerabzug für die Anschaffung der Photovoltaikanlage nur teilweise – nämlich zu 50 Prozent – geltend gemacht werden.

Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat der Klage stattgegeben und entschieden, dass die Photovoltaikanlage vollumfänglich für steuerpflichtige Ausgangsumsätze des Klägers verwendet wird. Die Stromlieferungen des Klägers an seine Mieter stellen keine unselbstständigen Nebenleistungen zu den nach § 4 Nr. 12 Buchst. a) UStG umsatzsteuerfreien Vermietungsleistungen dar, sondern eigenständige Hauptleistungen in Form von Lieferungen. Dies gilt sowohl für den vom Kläger mit der Photovoltaikanlage eigenproduzierten als auch für den von externen Stromanbietern bezogenen Strom. Maßgeblich ist, dass die Mieter die Freiheit haben, ihren Stromanbieter selbst zu wählen. Diese freie Wahlmöglichkeit wurde im konkreten Fall durch gerichtliches Auskunftsersuchen bei mehreren Mietparteien bestätigt. Auch das gesetzliche Koppelungsverbot von Miet- und Energieversorgungsverträgen nach § 42a Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes unterstützt die rechtliche Trennung der beiden Leistungen.

Das Finanzgericht Münster argumentierte, dass eine einheitliche Leistung dann vorliege, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv eine einzig untrennbar wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

Entscheidend ist hierbei, ob der Kunde die Lieferanten und/oder Nutzungsmodalitäten der Leistung eigenständig wählen kann.

Da die Mieter des Klägers selbst über ihren Stromverbrauch und den Stromlieferanten bestimmen konnten, handelt es sich um eine eigenständige Hauptleistung. Das Finanzgericht Münster verwies auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der ähnliche Konstellationen bereits in früheren Urteilen (Az. V R 37/14 und Az. XI R 8/21) als selbstständige Hauptleistungen bewertet hatte.

Durch dieses Urteil haben Vermieter, die Mieterstrom liefern, die Möglichkeit, den Vorsteuerabzug bei der Anschaffung von Photovoltaikanlage vollständig geltend zu machen. Das Urteil stärkt die Rechtsposition der Vermieter, schafft Klarheit bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von Mieterstromlieferungen und bietet Planungssicherheit für zukünftige Investitionen in Photovoltaikanlage. Es zeigt zudem auf, dass die norminterpretierende Verwaltungsauffassung in Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE, die Stromlieferungen grundsätzlich als Nebenleistungen einstuft, keine bindende Wirkung für die Gerichte entfaltet.

Darüber hinaus könnte auch durch dieses Urteil die gewerbesteuerliche erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für Wohnungsunternehmen betroffen sein. Diese Steuervergünstigung setzt voraus, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Wenn die Stromlieferung als selbstständige Hauptleistung und somit als gewerbliche Tätigkeit eingestuft wird, könnte dies die erweiterte Kürzung gefährden. Wohnungsunternehmen sollten daher prüfen, ob ihre zusätzlichen Leistungen noch unter die unschädlichen Nebentätigkeiten fallen oder ob Anpassungen erforderlich sind, um steuerliche Nachteile zu vermeiden​.
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