Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung – ein neues Modell für gewerbliche Mieterstromprojekte ?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 08. August 2024

​Bei gewerblich genutzten Immobilien besteht aufgrund höherer Stromverbräuche und großflächigerer (Hallen-)Dachflächen häufig ein hohes Potential für die onsite-PV-Stromversorgung. Dabei gelten die regulatorischen Anforderungen für die Belieferung von Mietern mit PV-Strom als wesentliche Hürde, die nicht nur im Bereich der Gewerbemiete einem PV-Ausbau entgegenstehen. Mit der sog. „Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (GVV)“ hat der Gesetzgeber einen neuen Anlauf gestartet, um die bestehenden Hürden zu überwinden. Ob die GGV dieses Versprechen einlösen kann und ein neues Alternativmodell für gewerblich vermietete Immobilien ist, haben wir in einer Analyse der wesentlichen Eckpunkte der GGV im Vergleich zu bestehenden Mieterstrommodellen des EEG-PV-Mieterstroms und der miet- und WEG-rechtlichen Allgemeinstromversorgung geprüft:

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV)

Mit der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (nachfolgend „GVV”) des sog. „Solarpakets 1” ​hat der Gesetzgeber den inzwischen vielfältigen Versorgungs- und Betreibermodellen für PV-Gebäude-Anlagen ein weiteres Versorgungsmodell für die Stromversorgung in Mehrparteien-Immobilien aus lokalen Erzeugungsanlagen hinzugefügt. Erneut will der Gesetzgeber durch eine bürokratiearme Regulierung vor allem stärkere Anreize für einen Ausbau der Versorgung durch Solaranlagen setzen. Dabei wird das neue, in § 42b und § 3 Nr. 20a, 20b des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) geregelte Versorgungsmodell durch folgende Eckpunkte geprägt:

    1. PV-Stromerzeugung: Strom muss in einer PV-Gebäudeanlage erzeugt oder ggfs. aus dieser zwischengespeichert sein (§ 3 Nr. 20b, § 42b Abs. 1 Nr. 2 EnWG).
    2. Kundenanlagen- und gebäudeinterner Transport: Strom muss ohne Netznutzung in demselben Gebäude oder einer Nebenanlage des Gebäudes geliefert werden (§ 42b Abs. 1 Nr. 1 EnWG).
    3. Verbrauch in Wohn- oder Gewerbeimmobilien: Strom muss in einer Stromverbrauchsanlage eines Gebäudenutzers verbraucht werden (§ 42b Abs. 1 Nr. 2 EnWG).
    4. Viertelstündliche Messung und Verteilabrechnung nach Verteilerschlüssel durch Messtellenbetreiber: Strombezugsmengen des Letztverbrauchers muss viertelstündlich gemessen (§ 42b Abs. 1 Nr. 3 EnWG) und Festlegung eines dynamischen oder statischen Aufteilungsschlüssels im Gebäudestromnutzungsvertrag (§ 42b Abs. 2 Nr. 1 EnWG); virtuelles Summenzählermodell ist erlaubt.
    5. Pflichtinhalte eines Gebäudestromnutzungsvertrags: Mietvertragskoppelungsverbot, Laufzeitbegrenzung, Aufteilungsschlüssel, Entgelt und Instandhaltung der Gebäudestromanlage (§ 42b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, Abs. 4 EnWG).
    6. Keine Vollstromversorgung: Mieter kann selber Reserve- und Spitzenlaststrombezug eindecken (§ 42b Abs. 3 EnWG).
    7. Keine EEG-Förderung: Mieterstromzuschlag darf nicht in Anspruch genommen werden (§ 42b Abs. 1 Satz 2 EnWG).

Insbesondere im Bereich der gewerblichen Vermietung großer Gewerbeimmobilien, bei denen dieBindung von Filialisten oder konzerngebundenen Produktionsunternehmen an Rahmenlieferverträge aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen mit dem Vollstromversorgungsgebot des § 42a Abs. 2 Satz 4 EnWG kollidiert, kann die GGV aufgrund des ausdrücklichen Ausschlusses der Pflicht zur umfassende Versorgung (§ 42b Abs. 3 Satz 1 ff. EnWG) eine Alternative zum EEG-Mieterstrommodell sein. Dabei greifen die Laufzeit- und Kopplungsverbotsbeschränkungen des über § 42b Abs. 4 EnWG einbezogenen § 42a Abs. 2 und 3 EnWG im Bereich der gewerblichen Miete ohnehin nicht, sodass in diesem Marktsegment eine höhere Rechtssicherheit für die Refinanzierung der PV-Anlageninvestition besteht.

EEG-PV-Mieterstrom

Die Einführung eines neuen Versorgungsmodells ist ein Indiz dafür, dass die EEG-PV-Mieterstromversorgung trotz der Aufhebung einiger Beschränkungen durch die EEG-Novelle 2023 immer noch kein Erfolgsmodell geworden ist. Die in § 19 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 3 Nr. 20, Nr. 50, § 21 Abs. 3​ und § 48a Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG 2023)​, § 42a EnWG geregelte PV-Mieterstromversorgung hat im Vergleich zur GGV folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede:

    1. ​​PV-Stromerzeugung: Strom muss in Gebäude-PV-Anlage ohne Zwischenspeicherung erzeugt werden (§ 21 Abs. 3 Satz 1, Satz 4 EEG 2023).
    2. Kundenanlagen- und quartiersinterner Transport: Strom muss ohne Durchleitung durch das Netz für die allgemeine Versorgung und in Gebäuden innerhalb eines Quartiers verbraucht werden (§ 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 EEG 2023).
    3. Verbrauch in Wohn- oder besonderen Gewerbegebäuden: Grundsätzlich nur in Gebäuden, bei denen mindestens 40 Prozent der Fläche des Gebäudes dem Wohnen dient (soweit nicht ausnahmsweise Voraussetzungen für unternehmerische Nutzung vorliegen (§ 3 Nr. 20, Nr. 50, § 21 Abs. 3 Satz 2 – 3 EEG 2023).
    4. Messtechnik nach dem Messstellenbetriebsgesetz: Die Mieterstrommenge muss so genau ermittelt werden, wie es die Messtechnik zulässt, die nach dem Messstellenbetriebsgesetz zu verwenden ist (§ 21 Abs. 3 Satz 5 EEG 2023); virtuelles Summenzählermodell ist erlaubt.
    5. Pflichtinhalte eines Mieterstromnutzungsvertrags: Mietvertrags-Kopplungsverbot, Laufzeit- und Preisbeschränkung, Stromkennzeichnungspflicht (§ 42a EnWG)
    6. Vollstromversorgung: Der Mieterstromvertrag muss die umfassende Versorgung des Letztverbrauchers mit Strom auch für die Zeiten vorsehen, in denen Reserve- oder Spitzenlaststrom aus dem Netz bezogen werden muss (§ 42a Abs. 2 Satz 4 EnWG).
    7. EEG-Förderung: Anspruch auf eine in der Höhe vom Zubau abhängige, gegenüber der Netz-Einspeisungvergütung geringere Förderung durch Mieterzuschlag (§ 19 Abs. 1 Nr. 3, § 48a EEG 2023).


Miet- und WEG-rechtliche Allgemeinstromversorgung

Die miet- und WEG-rechtliche PV-Allgemeinstromversorgung kann dagegen als „Aschenputtel“ der PV-Mieterstrommodelle bezeichnet werden. Die Nutzung von PV-Strom zur Deckung des Allgemeinstrombedarfs des Vermieters und die Refinanzierung durch eine Kostenumlage nach den mietnebenkostenrechtlichen Regelungen des § 556 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und der Betriebskostenverordnung (BetrKostV), die im Bereich der WEG-rechtlichen Versorgung entsprechend gelten, ist angesichts der einfachen Regulierung die von Gesetzgeber und EE-Dienstleistungsbranche unbeachtete Schönheit der Mieterstrom-Modelle. Dabei besteht insbesondere im Bereich der gewerblichen Vermietung aufgrund der weniger engen AGB-rechtlichen Anforderungen an PV-Allgemeinstromklauseln in Mietverträgen eine hohe Regelungsflexibiliät. Angesichts des Regulierungsdesasters zu anderen Mieterstrommodellen muss man hoffen, dass dies so bleibt? Im Vergleich zur GGV bestehen insbesondere folgende Unterschiede:​

    1. ​Lokale Stromerzeugung: Strom kann sowohl in Stromerzeugungsanlagen des Vermieters als auch in Anlagen eines Dritten unabhängig von (PV-)Erzeugungstechnologie erzeugt werden.
    2. Kundenanlagen- und Netz-Transport: Strom kann auch unter Netznutzung transportiert werden, auch wenn Transport nur innerhalb der Kundenanlage netzentgeltrechtlich privilegiert ist.
    3. Verbrauch in Allgemeinstromanlagen des Vermieters: Kostenumlage setzt Verbrauch in einer Allgemeinstromanlage des Katalogs des § 2 BetrKostV, insbesondere in Heizungs- (v.a. Wärmepumpen), Beleuchtungs- oder Aufzuganlagen voraus.
    4. Keine aufwendige Messtechnik erforderlich: BetrKostV ermöglicht auch pauschalierte Kostensätze und Verteilung nach vereinbarten Aufteilungsschlüsseln.
    5. Pflichtinhalte einer PV- oder Eigenerzeugungsallgemeinstromklausel: § 556 BGB und § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrKostV​ setzen eine Günstigkeits- und Alternativkostenregelung voraus.
    6. Vollstromversorgung: Vermieter muss Reserve- und Spitzenlastbedarf der Allgemeinstromanlagen durch Fremdstrombezugsvertrag sicherstellen.
    7. Keine EEG-Förderung: Der Verbrauch von Allgemeinstrom durch den Vermieter ist als Eigenstrom grundsätzlich nicht EEG-förderfähig.
 

Gemeinschaftliche Gebäude als einfaches, standardisiertes Mieterstrommodell?

Erste Brancheneinschätzungen und die Eigeneinschätzung des Gesetzgebers mit einem Potential von nur 80.000 Gebäuden dämpfen die Erwartungen an eine steile Erfolgskurve der GGV. Trotz der Vereinfachungen im Bereich der Vollversorgung, Möglichkeit des virtuellen Summenzählermodells und der Rechnungslegung bleibt der Ruf nach weiterer Vereinfachung bestehen. Gewerbliche Vermieter werden deshalb die GGV wie auch den EEG-Mieterstrom kaum ohne spezialisierte Dienstleister umsetzen können, was genau eine Nische für Stadtwerke sein kann.
 
Weiterhin erfüllen PV-Allgemeinstrommodelle die Anforderungen an eine einfache und standardisierte Umsetzung und können auch im jeweiligen Anwendungsbereich ein interessantes Geschäftsfeld für Stadtwerke darstellen. PV-Allgemeinstrommodelle sind aber wiederum aufgrund der verbleibenden rechtlichen Risiken und der Beschränkung auf den Verbrauch in Allgemeinstromanlagen, vor allem in strombetriebenen Wärmepumpen, in ihrem Anwendungsbereich beschränkt.

Gerne stehen wir bei der Wahl und der Umsetzung eines geeigneten PV-Betreibermodells für gewerblich vermietete Immobilien zur Verfügung.

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