Eckpunktepapier zur Fortentwicklung der Industrienetzentgelte im Elektrizitätsbereich

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​​​​​​​​​veröffentlicht am 08. August 2024

Am 24.07.2024 wurde das Eckpunktepapier zur Fortentwicklung der Industrienetzentgelte im Elektrizitätsbereich veröffentlicht und wird nun zur Konsultation gestellt. Hiermit leitet die Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur (BNetzA) ein Verfahren für eine von § 19 Abs. 2 StromNEV abweichende Festlegung zur Setzung systemdienlicher Anreize durch Sondernetzentgelte für Industriekunden ein.

Status Quo Sondernetzentgelte ​

Sondernetzentgelte weichen von den allgemeinen Netzentgelten ab und sollen Anreize für bestimmtes „netzdienliches“ Verhalten setzen. Atypische Netznutzung und stromintensive Netznutzung („Bandlast”bzw. „Grundlast”) sind vor allem für Industrie und Gewerbe in diesem Kontext von besonderer Bedeutung (siehe § 19 Abs. 2 StromNEV).

​Atypische Netznutzung
​Stromintensive Netznutzung
  • ​Zeitgleiche Jahreshöchstlast aller Entnahmen eines Netzes ist ausschlaggebend für die Netzdimensionierung.
  • Netzentgeltreduzierung möglich, wenn individuelle Jahreshöchstlast deutlich außerhalb der typischen Zeit der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dem Netz liegen (Hochlastzeitfenster).
  • Atypische Netznutzung dient Begrenzung der erforderlichen Netzdimensionierung sowie der Netzkosten.
  • Sicherung der Netzstabilität durch kontinuierliche Abnahme für Einspeisung durch Grundlastkraftwerke ist erforderlich.
  • Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Anreiz einer konstant gleichbleibenden Grundlast stromintensiver Letztverbraucher geschaffen. ​

Rund 400 stromintensive und rund 4.200 atypische Netznutzer in Zuständigkeit der BNetzA erzielen im Jahr 2024 durch die aktuell gültige Sondernetzentgeltregelung nach § 19 Abs. 2 StromNEV eine Netzentgeltreduzierung von über 1 Mrd. EUR. Die hieraus entgehenden Erlöse werden durch einen Aufschlag auf die Gesamtheit der Netznutzer gewälzt. Dieser beläuft sich im Jahr 2024 auf 0,643 ct/kWh.

Anpassungen der Sondernetzentgelte an neue Rahmenbedingungen​

Die sich veränderten Rahmenbedingungen in der Stromerzeugungslandschaft in Deutschland sowie der zunehmende Zubau von EE-Anlagen und die damit einhergehende volatilere Einspeisung implizieren eine Neubewertung der Anreize für Sondernetzentgelte.

So begründet die BNetzA die Notwendigkeit von Veränderungen im Bereich der Sondernetzentgelte mit dem Wegfall des Bandlast-Anreizes. Dadurch dass der Anteil der Energieerzeugung aus traditionellen Grundlastkraftwerken kontinuierlich abnimmt, führt es auch zu einem rückläufigen Interesse an einem konstant hohen Verbrauch seitens stromintensiver Letztverbraucher.  Unter diesen Bedingungen trägt der Bandlast-Anreiz nicht mehr zu einer Netzkostensenkung sowie Netzstabilität bei. Laut BNetzA könne so ein Verhalten dem gesamten Energiesystem nun mehr schaden – die Netze brauchen deutlich mehr Flexibilität.

Eine Lösung dafür wäre ein Flexibilisierungsanreiz zu setzen, um das dynamische Verhalten der großen Energieverbraucher zu fördern. Ziel des Eckpunktepapiers ist es, systemdienliches Verbrauchsverhalten von Industrie und Gewerbe anzuregen – ein Verhalten, das sich positiv auf die Kosten der Energieversorgung insgesamt oder auf Kosten für einen stabilen Netzbetrieb auswirken würde. So sollen Industrie und Gewerbe in Zeiten mit hohem Stromangebot mehr Strom im Vergleich zum individuellen Jahresdurchschnitt abnehmen und zahlen im Gegenzug reduzierte Netzentgelte. Ebenfalls erhalten Industrie und Gewerbe ein reduziertes Netzentgelt, wenn in Zeiten eines knappen Stromangebots weniger Strom im Vergleich zu seinem individuellen Jahresdurchschnitt abgenommen wird.

Die Industrie gibt die technisch möglichen Bedingungen für die Mengen- sowie Preisprognosen vor und legt fest, wie flexibel darauf reagiert werden kann. Angestrebt wird eine Realisierung von tatsächlich vorhandenen und künftig erreichbaren Flexibilitätspotentialen.

Die neue Ausgestaltung der Sondernetzentgelte soll einfach und praktikabel sein. Als wesentliche Parameter nennt die BNetzA den Lastgang des Letztverbrauchers über das Jahr, die Entwicklung der Börsenpreise über das Jahr und die individuellen Lastveränderung in den Zeiten mit den besonders hohen bzw. niedrigen Preisen.

Regionale Ausnahmen und Übergangsregelungen

Gerade in Regionen mit geringer dezentraler EE-Einspeisung resultieren Engpässe eher lastbedingt. Somit würde sich eine erhöhte Abnahme in Zeiten von niedrigen Strompreisen negativ auf das Netz auswirken und gleichzeitig weitere Kosten implizieren. Bis zu Erreichung des notwendigen Netzausbaustands bedarf es regionale Ausnahmen zu gewähren. Diese Ausgestaltung möchte die BNetzA mit den Akteuren diskutieren.   Unternehmen sollen auch Übergangsfristen gewährt werden, um die Produktionsumstellung und die Realisierung von Flexibilitätspotenzialen zu ermöglichen.

Fazit

Die BNetzA unternimmt mit der Umstellung der Sondernetzentgelte einen wichtigen Schritt, um den aktuellen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Für die betroffenen Industrie- und Gewerbekunden kann diese jedoch eine Herausforderung darstellen, da sich die neue Systematik auf bestehende Prozesse des Stromverbrauchs auswirken wird. Trotzdem ist die Anpassung der Regelung an die neuen gesamtwirtschaftlichen Umstände aus Sicht der BNetzA unverzichtbar, um eine nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung sicherzustellen. Stellungnahmen zum Eckpunktepapier können bis zum 18.09.2024 bei der Beschlussklammer 4 eingereicht werden.

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