Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung – ein neuer Champion im Ring der PV-Mieterstrommodelle ?

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veröffentlicht am 10. Juli 2024

 

Das Potenzial und der Bedarf für einen Ausbau der PV-Erzeugung auf Mehrparteien-Immobilien, insbesondere auf Mietimmobilien, wird allgemein anerkannt. Dabei gelten die regulatorischen Anforderungen als wesentliche Hürde, die einem PV-Ausbau entgegenstehen. Mit der sog. „Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (GVV)“ hat der Gesetzgeber einen neuen Anlauf gestartet, um die bestehenden Hürden zu überwinden. Ob die GGV dieses Versprechen einlösen kann und sich im Wettbewerb der Mieterstrommodelle durchsetzen wird, haben wir in einer Analyse der wesentlichen Eckpunkte der GGV im Vergleich zu bestehenden Mieterstrommodellen des EEG-PV-Mieterstroms und der miet- und WEG-rechtlichen Allgemeinstromversorgung einer ersten Bewertung unterzogen:


Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV)

Mit der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (nachfolgend „GVV“) des sog. „Solarpakets 1“ hat der Gesetzgeber den inzwischen vielfältigen Versorgungs- und Betreibermodellen für PV-Gebäude-Anlagen ein weiteres Versorgungsmodell für die Stromversorgung in Mehrparteien-Immobilien aus lokalen Erzeugungsanlagen hinzugefügt. Erneut will der Gesetzgeber durch eine bürokratiearme Regulierung vor allem stärkere Anreize für einen Ausbau der Versorgung durch Solaranlagen setzen. Dabei wird das neue, in § 42b und § 3 Nr. 20a, 20b des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) geregelte Versorgungsmodell durch folgende Eckpunkte geprägt:

 

  1. PV-Stromerzeugung: Strom muss in einer PV-Gebäudeanlage erzeugt oder ggfs. aus dieser zwischengespeichert sein (§ 3 Nr. 20b, § 42b Abs. 1 Nr. 2 EnWG).
  2. Kundenanlagen- und gebäudeinterner Transport: Strom muss ohne Netznutzung in demselben Gebäude oder einer Nebenanlage des Gebäudes geliefert werden (§ 42b Abs. 1 Nr. 1 EnWG).
  3. Verbrauch in Wohn- oder Gewerbeimmobilien: Strom muss in einer Stromverbrauchsanlage eines Gebäudenutzers verbraucht werden (§ 42b Abs. 1 Nr. 2 EnWG).
  4. Viertelstündliche Messung und Verteilabrechnung nach Verteilerschlüssel durch Messstellenbetreiber: Strombezugsmengen des Letztverbrauchers muss viertelstündlich gemessen (§ 42b Abs. 1 Nr. 3 EnWG) und Festlegung eines dynamischen oder statischen Aufteilungsschlüssels im Gebäudestromnutzungsvertrag (§ 42b Abs. 2 Nr. 1 EnWG); virtuelles Summenzählermodell ist erlaubt.
  5. Pflichtinhalte eines Gebäudestromnutzungsvertrags: Mietvertragskopplungsverbot, Laufzeitbegrenzung, Aufteilungsschlüssel, Entgelt und Instandhaltung der Gebäudestromanlage (§ 42b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, Abs. 3 EnWG).
  6. Keine Vollstromversorgung: Mieter kann selber Reserve- und Spitzenlaststrombezug eindecken (§ 42b Abs. 3 EnWG).
  7. Keine EEG-Förderung: Mieterstromzuschlag darf nicht in Anspruch genommen werden (§ 42b Abs. 1 Satz 2 EnWG).

 

Insbesondere im Bereich der gewerblichen Vermietung großer Gewerbeimmobilien, bei denen die Bindung von Filialisten oder konzerngebundenen Produktionsunternehmen an Rahmenlieferverträge aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen mit dem Vollstromversorgungsgebot des § 42a Abs. 2 Satz 4 EnWG kollidiert, sind in der Praxis erste Anwendungsfälle der GGV zu finden. Ebenso können Wohnungsbaugenossenschaften durch die einfache Skalierbarkeit ein attraktives Umfeld für Stadtwerke und Projektierer sein.

 

 

 

EEG-PV-Mieterstrom

Die Einführung eines neuen Versorgungsmodells ist ein Indiz dafür, dass die EEG-PV-Mieterstromversorgung trotz der Aufhebung einiger Beschränkungen durch die EEG-Novelle 2023 immer noch kein Erfolgsmodell geworden ist. Die in § 19 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 3 Nr. 20, Nr. 50, § 21 Abs. 3 und § 48a Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG 2023), § 42a EnWG geregelte PV-Mieterstromversorgung hat im Vergleich zur GGV folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede:

 

  1. PV-Stromerzeugung: Strom muss in Gebäude-PV-Anlage ohne Zwischenspeicherung erzeugt werden (§ 21 Abs. 3 Satz 1, Satz 4 EEG 2023).
  2. Kundenanlagen- und quartiersinterner Transport: Strom muss ohne Durchleitung durch das Netz für die allgemeine Versorgung und in Gebäuden innerhalb eines Quartiers verbraucht werden (§ 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 EEG 2023).
  3. Verbrauch in Wohn- oder besonderen Gewerbegebäuden: Grundsätzlich nur in Gebäuden, bei denen mindestens 40 Prozent der Fläche des Gebäudes dem Wohnen dient (soweit nicht ausnahmsweise Voraussetzungen für unternehmerische Nutzung vorliegen (§ 3 Nr. 20, Nr. 50, § 21 Abs. 3 Satz 2 – 3 EEG 2023).
  4. Messtechnik nach dem Messstellenbetriebsgesetz: Die Mieterstrommenge muss so genau ermittelt werden, wie es die Messtechnik zulässt, die nach dem Messstellenbetriebsgesetz zu verwenden ist (§ 21 Abs. 3 Satz 5 EEG 2023); virtuelles Summenzählermodell ist erlaubt.
  5. Pflichtinhalte eines Mieterstromnutzungsvertrags: Mietvertragskopplungsverbot, Laufzeit- und Preisbeschränkung, Stromkennzeichnungspflicht (§ 42a EnWG)
  6. Vollstromversorgung: Der Mieterstromvertrag muss die umfassende Versorgung des Letztverbrauchers mit Strom auch für die Zeiten vorsehen, in denen Reserve- oder Spitzenlaststrom aus dem Netz bezogen werden muss (§ 42a Abs. 2 Satz 4 EnWG).
  7. EEG-Förderung: Anspruch auf eine in der Höhe vom Zubau abhängige, gegenüber der Netz-Einspeisungvergütung geringere Förderung durch Mieterzuschlag (§ 19 Abs. 1 Nr. 3, § 48a EEG 2023).

 

Miet- und WEG-rechtliche Allgemeinstromversorgung

Die miet- und WEG-rechtliche PV-Allgemeinstromversorgung kann dagegen als „Aschenputtel“ der PV-Mieterstrommodelle bezeichnet werden. Die Nutzung von PV-Strom zur Deckung des Allgemeinstrombedarfs des Vermieters und die Refinanzierung durch eine Kostenumlage nach den mietnebenkostenrechtlichen Regelungen des § 556 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und der Betriebskostenverordnung (BetrKostV), die im Bereich der WEG-rechtlichen Versorgung entsprechend gelten, ist angesichts der einfachen Regulierung die von Gesetzgeber und EE-Dienstleistungsbranche unbeachtete Schönheit der Mieterstrom-Modelle. Angesichts des Regulierungsdesasters zu anderen Mieterstrommodellen muss man hoffen, dass dies so bleibt? Im Vergleich zur GGV bestehen insbesondere folgende Unterschiede:

 

  1. Lokale Stromerzeugung: Strom kann sowohl in Stromerzeugungsanlagen des Vermieters als auch in Anlagen eines Dritten unabhängig von (PV-)Erzeugungstechnologie erzeugt werden.
  2. Kundenanlagen- und Netz-Transport: Strom kann auch unter Netznutzung transportiert werden, auch wenn Transport nur innerhalb der Kundenanlage netzentgeltrechtlich privilegiert ist.
  3. Verbrauch in Allgemeinstromanlagen des Vermieters: Kostenumlage setzt Verbrauch in einer Allgemeinstromanlage des Katalogs des § 2 BetrKostV, insbesondere in Heizungs- (v.a. Wärmepumpen), Beleuchtungs- oder Aufzuganlagen voraus.
  4. Keine aufwendige Messtechnik erforderlich: BetrKostV ermöglicht auch pauschalierte Kostensätze und Verteilung nach vereinbarten Aufteilungsschlüsseln.
  5. Pflichtinhalte einer PV- oder Eigenerzeugungsallgemeinstromklausel: § 556 BGB und § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrKostV setzen eine Günstigkeits- und Alternativkostenregelung voraus.
  6. Vollstromversorgung: Vermieter muss Reserve- und Spitzenlastbedarf der Allgemeinstromanlagen durch Fremdstrombezugsvertrag sicherstellen.
  7. Keine EEG-Förderung: Der Verbrauch von Allgemeinstrom durch den Vermieter ist als Eigenstrom grundsätzlich nicht EEG-förderfähig.

 

The champion is ….?

Erste Brancheneinschätzungen und die Eigeneinschätzung des Gesetzgebers mit einem Potenzial von nur 80.000 Gebäuden dämpfen die Erwartungen an eine steile Erfolgskurve der GGV. Trotz der Vereinfachungen im Bereich (nicht mehr notwendiger) Vollversorgung, Möglichkeit des virtuellen Summenzählermodells und der Rechnungslegung bleibt der Ruf nach weiterer Vereinfachung bestehen, um das volle Potenzial von PV-Dachanlagen auf Mietimmobilien auszuschöpfen. Immerhin wird sowohl für lokal tätige Stadtwerke als auch für überregionalen PV-Anlagen- und Abrechnungsdienstleistungsanbietern das Instrumentarium von um-setzbaren Geschäftsmodellen durch die Neuerungen bei GGV- und Mieterstrommodellen erweitert und eröffnet auch so neue Perspektiven, die geprüft werden müssen.


Gerne stehen wir deshalb bei der Wahl und der Umsetzung eines geeigneten PV-Betreibermodells sowie für die Beratung zu den offenen Fragen hinsichtlich der vertragsrechtlichen Gestaltung des Gebäudestromnutzungsvertrags zur Verfügung.

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