GEG-Novelle: Nachspiel, verzögertes Abnicken oder Aus für das Gesetzgebungsverfahren zur Wärmewende?

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​​veröffentlicht am 11. Juli 2023

 

Das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetzgebungsverfahren zum Gebäudenenergiegesetz gestoppt, sodass es erst nach den Parlamentsferien im September weitergehen wird. Ob dies ohne inhaltliche Auswirkungen geschehen wird oder sogar das Ende des Gesetzes bedeutet, ist danach noch offen. Wenn es aber kommt, dann kommt es mit Wirkung zum 01.01.2024 trotz der letzten Änderungen schnell. Fernwärme- und Erdgasversorgungsunternehmen, Contracting-Dienstleister sowie kommunale und gewerbliche Wärmeverbraucher sollten sich schon jetzt – natürlich auch mit unserem Ad-Hoc-Webinar „Gebäudeenergiegesetz für Erdgas-, Fernwärme- und Contractingversorger” am 12.07.2023 – auf das Gebäudeenergiegesetz vorbereiten.

 

BVerfG als Hüter des Demokratieprinzips oder Gefährder des Klimaschutzgebots?

Mit dem Eil-Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 5. Juli 2023 (Az.: 2 BvE 4/23) zur Wahrung des Demokratieprinzips durch ausreichende Prüf- und Beratungsfristen ist dem ohnehin schon ungewöhnlichen Gesetzgebungsverfahren zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) eine neue Volte hinzugefügt worden.

 

Die FDP-Fraktion hatte – entgegen der vorherigen Zustimmung der FDP-Minister im Bundeskabinett – zur Verzögerung und Abschwächung der Kostenfolgen des mit dem GEG bezweckten Klima-schutzes eine verfahrensrechtliche Schwachstelle in der Geschäftsordnung des Bundestages ausgenutzt: Die Tagesordnung des Bundestags (BT) wird vom Ältestenrat nach dem Konsensprinzip festgelegt (§ 20 der Geschäftsordnung des Bundestags (GOBT)), sodass auch die Zustimmungsverweigerung eines einzelnen Vertreters einer Minderheits- oder Oppositionsfraktion dazu führt, dass die entsprechenden Tagesordnungspunkte im Bundestag nicht behandelt werden. Die FDP-Mitglieder des Ältestenrats konnten damit verhindern, dass das GEG wie ursprünglich geplant An-fang Mai 2023 auf die Tagesordnung des BT gesetzt werden sollte und dann noch unter Einhaltung vertretbarer Prüf- und Beratungsfristen vor den Sitzungsferien im Juli 2023 hätte verabschiedet werden können. Dass die Fraktionen der Ampelkoalition unter dem Druck der Verfahrensblockade inhaltliche Leitlinien für die Bundestagsausschüsse ausgearbeitet haben, ist in den Verfahrensvorschriften des Grundgesetzes und der GOBT nicht vorgesehen. Damit ist fraglich, ob nicht schon das Absetzen von der Tagesordnung im Ältestenrat ein Verfassungsbruch war. Denn damit konnte die FDP-Minderheitsfraktion wesentliche Interessen im Bundestagsausschuss durchsetzen, obwohl sie nach dem dort geltenden Mehrheitsprinzip – ebenfalls ein Bestandteil des verfassungsrechtlich geschützten Demokratieprinzips (Art. 20, 28 GG) – sonst überstimmt worden wäre. Das Ziel, das Gesetzgebungsverfahren über die Sommer-Sitzungspause hinaus zu verzögern, hatte sie aber zu-nächst nicht erreicht, weil die Bundesregierung versucht hat, den Zeitverzug durch eine noch engere Taktung des weiteren Gesetzgebungsverfahrens wieder aufzuholen.

 

Ironischerweise ist es nun aber einem einzelnen CDU-Abgeordneten über das BVerfG gelungen, das Verzögerungsziel der FDP durchzusetzen. Fraglich ist allerdings, ob der Bundestagsabgeordnete nicht vorher hätte versuchen müssen, sein Recht aus der Geschäftsordnung des Bundestages (§ 20 Abs. 2 Satz 2 GOBT) zur Absetzung der GEG-Lesung von der Tagesordnung auszuüben. Dabei greift das BVerfG mit seinem Beschluss aber zu Recht eine Fehlentwicklung der jüngeren Gesetzgebungspraxis auf: Gesetze werden in immer kürzeren Zeiträumen verabschiedet, so dass für die an Gesetzgebungsverfahren beteiligten Mandatsträger keine ausreichende Zeit bleibt, um sich ausreichende Sachkenntnis für eine sachlich fundierte Entscheidung zu verschaffen. Sie werden damit – böse ausgedrückt – zu „Stimmvieh” degradiert, die sich ohne eigene Entscheidungskompetenz nach den Vorgaben ihrer Fraktion oder der Regierung richten müssen. Wer dumm ist, kann auch keine Entscheidung treffen. Wissen und (Meinungs-)Bildung sind grundlegende Voraussetzungen individueller Entscheidungen, sodass die Demokratie ohne diese Voraussetzungen dysfunktional würde.

 

Qualität und demokratische Legitimation der Gesetze haben deshalb durch die Verkürzung der Gesetzgebungsverfahren abgenommen. Ob allerdings die Beratungsfrist für die 2. und 3. Lesung, in der die Abgeordneten dem Fraktionszwang unterliegen, der alle beratenden und abändernden Verfahrensschritte vorausgegangen sind und der keine Abänderungsrechte des Parlaments mehr folgen, ein mehr an demokratischer Legitimation bringt, ist mehr als zweifelhaft. Dem nicht-juristischen Laien ist deshalb die formal richtige, verfassungsrechtliche Begründung des BVerfG-Beschlusses wohl kaum mehr zu vermitteln, sodass der Beschluss vermutlich eher für mehr Zulauf für radikale Klimaprotestler und demokratiefeindliche Parteien als für mehr Demokratie und bessere Gesetzesqualität sorgen wird.

 

Wie geht es jetzt mit dem GEG weiter?

Die Bundesregierung hat sich gegen die Möglichkeit einer Sondersitzung des Bundestags in den Sitzungsferien entschieden, und damit den Abgeordneten eine Unterbrechung der Ferien, vor allem aber dem Steuerzahler die auf ca. 300.000,– € geschätzten Kosten einer Bundestagssondersitzung erspart. Denn inhaltlich ist das Gesetzgebungsverfahren mit der Fassung des Gebäudeenergiegesetzes in der Form der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie vom 05.07.2022 (BT-DrS 20/7619) an sich abgeschlossen. Der Bundestag kann diese Gesetzesfassung nur noch annehmen oder ablehnen, wobei die Annahme durch die Abgeordneten der Ampelkoalition als sicher gilt. Bundeswirtschaftsminister Habeck hat deshalb die Auffassung geäußert, dass die BVerfG-Entscheidung ohne Auswirkungen auf den Inhalt des Gesetzes und den für den 01.01.2024 geplanten Zeitpunkt des Inkrafttretens bleiben werde. Tatsächlich handelt es sich um ein sog. „Einspruchsgesetz”, sodass keine Zustimmung des Bundesrats mehr erforderlich ist. Vielmehr kann der Bundesrat vom Bundestag überstimmt werden. Allerdings steht die abschließende Beteiligung des Bundesrats noch aus. Der Bundesrat kann auch bei einem Einspruchsgesetz einen Vermittlungsausschuss einberufen, in dem das Gesetz auch inhaltlich noch einmal verändert werden kann. Damit wäre vor allem eine weitere Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens verbunden. Zwar kann der Bundestag das Ergebnis des Vermittlungsausschusses ablehnen, hierfür ist jedoch mindestens eine absolute Mehrheit, unter bestimmten Bedingungen sogar eine 2/3 Mehrheit erforderlich. Angesichts der sogar von grün-regierten Bundesländern geäußerten Kritik am Gebäudeenergiegesetz und dem Risiko, dass aufgrund der ohnehin brüchigen Einigkeit der Ampelkoalition und der fundamentalen Ablehnungshaltung zahlreicher FDP-Abgeordneter zum GEG die erforderlichen Mehrheiten im Bundestag nicht zustande kommen oder aus Anlass des Streits über das GEG, die Kindergrundsicherung oder ein anderes Vorhaben der Koalitionsvertrag sogar aufgekündigt werden könnte, bleibt es noch spannend, ob es tatsächlich gelingt, das GEG überhaupt oder zumindest in der jetzt vorliegenden Fassung zu verabschieden.

 

Hinzu kommt, dass im Oktober 2023 in Hessen und Bayern Landtagswahlen stattfinden, die die aktuellen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat bei einem Zerfall der schwarz-grünen Koalition in Hessen noch einmal zu Ungunsten der Bundesregierung verändern könnten. Danach ist das ob und wie des Inkrafttretens des GEG entgegen politischen Äußerungen alles andere als sicher.

 

Wenn es kommt, dann kommt es schnell!

Aber auch in der aktuellen Bundestagsfassung des GEG gilt: Wenn es kommt, dann kommt es schnell! Einer der maßgeblichen Veränderungen des GEG-Bundestagsentwurfs (GEG-BTE) ist die Abhängigkeit der GEG-Pflichten vom Vorliegen einer kommunalen Wärmeplanung (§ 71 Abs. 8 GEG-BTE). Zwar gewährt der Bundestagsentwurf den Gemeinden weite Umsetzungsfristen für die Wärmeplanung bis zum 30.06.2028. Viele Kommunen werden finanziell, personell und fachlich mit der Erstellung kommunaler Wärmepläne überfordert sein, sodass sich die Erstellung teilweise noch hinziehen wird. Wenn eine Kommune aber schon früher eine kommunale Wärmeplanung umsetzt – umweltorientierte Kommunen wie zum Beispiel die Stadt Leipzig sind hier bereits auf freiwilliger Basis weit vorangeschritten – gelten die Pflichten bereits einen Monat nach Bekanntgabe des kommunalen Wärmeplans. Insbesondere sind Kommunen in einigen Bundesländern, wie z.B. in Baden-Württemberg, bereits gesetzlich durch landesrechtliche Wärmeplanungsgesetze zur kommunalen Wärmeplanung verpflichtet, sodass auch hier die GEG-Pflichten wesentlich früher, d.h. zum Teil auch schon mit dem voraussichtlichen Inkrafttreten des GEG am 01.01.2024, wirksam werden. Das ist nicht mehr viel Zeit, um das zunehmend komplexer werdende Regelwerk des GEG zu verstehen, die hieraus folgenden strategischen Weichenstellungen vorzubereiten und vor allem um die aus dem Gesetz resultierenden Pflichten umzusetzen. Fernwärme- und Erdgasversorgungsunternehmen, Contracting-Unternehmen, Kommunalverwaltungen und alle Wärmeverbraucher sollten sich deshalb trotz der verbleibenden Unsicherheiten jetzt bereits mit dem aktuellen Stand des GEG-Bundestagsentwurfs auseinandersetzen.

 

Gerne laden wir Sie deshalb zu unserem Webinar „Gebäudeenergiegesetz für Erdgas-, Fernwärme- und Contractingversorger” am 12.07.2023 ein. Melden Sie sich kurzfristig zu einem spannenden Programm an. Und natürlich beraten wir Sie schon jetzt zu den strategischen Auswirkungen der GEG-Novelle, der Erstellung von Transformationsplänen für Wärmenetze und zu unseren Musterverträgen Wärmepumpencontracting. Sprechen Sie uns gerne an!

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