Was ist zur Strompreisbremse bisher bekannt?

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​veröffentlicht am 22. November 2022

 

Die Strompreisentwicklung in Deutschland geht weiter nach oben. Die Ursachen sind vielfältig, insbesondere sind die erhöhten Gaspreise in Folge des Ukraine-Krieges in Verbindung mit dem Merit-Order Prinzip sowie die eingeschränkte Verfügbarkeit einiger europäischer Kraftwerke zu nennen. Um die Auswirkungen dieser Entwicklung abzufedern, plant die Bundesregierung eine „Gas- und Strompreisbremse”. Das Ziel ist die finanzielle Entlastung von Haushalten und Wirtschaft. Ein erster Planungsentwurf des Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) konkretisiert das Konzept der nationalen „Strompreisbremse”. Was ist zur Strompreisbremse bisher bekannt?

 

Europarechtliche Grundlage

 

Rechtsgrundlage für die nationale Strompreisbremse ist die EU-Notfallverordnung Strom vom 30. September 2022 (EU-VO 12999/22). Die EU-VO normiert in Erwägung 10 die unionsweite Einführung einer Erlösobergrenze. Demnach soll eine staatliche Abschöpfung von erheblichen Überschusserlösen, auch bekannt als Zufallsgewinne, von Energieerzeugern aus erneuerbaren Energien, Kernkraft und Braunkohle erfolgen. Die Zufallsgewinne sollen für die Entlastung der Stromverbrauchenden verwendet werden. Eine Überprüfung der Effektivität der Maßnahmen mit der Option einer befristeten Verlängerung erfolgt vor dem Ende der zeitlichen Befristung am 30. Juni 2023. Darüber hinaus wird in den Erwägungen 12 und 13 ein finanzieller Solidaritätsbeitrag von Unternehmen aus dem Bereich Kohle, Gas, Öl und Raffinerien gefordert. Der Solidaritätsbeitrag soll parallel mit der Unternehmenssteuer für das Finanzjahr 2022 und 2023 erhoben werden.

 

Nationale Strompreisbremse

 

Auf nationaler Ebene wurde am 10. Oktober 2022 der Zwischenbericht der unabhängigen Gaspreiskommission veröffentlicht. Die Schwerpunkte des Zwischenberichtes sind die Übernahmen der Abschlagszahlungen im Dezember 2022 auf Basis des September 2022, sowie eine Gaspreisdeckelung für die Industrie (ab 1. Januar 2023), Privatverbraucher und KMU (ab 1. März 2023). In dem Abschlussbericht der Gaspreiskommission vom 31. Oktober 2022 werden die Beihilfevoraussetzungen für Unternehmen dahingehend konkretisiert, dass eine überwiegende Standort- und Arbeitsplatzgarantie, jedoch kein Verzicht von Gehaltsbonus- und Dividendenzahlungen, bestehen muss. Die Strompreisbremse soll parallel zu der Gaspreisbremse konstruiert werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte angekündigt, dass bereits zum Januar 2023 die Strompreisbremse in Kraft treten soll, was seitens der Verbände indes als unrealistisch eingeschätzt wird.

 

Eigentlich sollte das Bundeskabinett bereits am 18.11.2022 die Strom- und Gaspreisbremse verabschieden, der Termin wurde aber wegen der „Komplexität” des Gesetzesvorhabens verschoben.

 

Die folgenden Eckpunkte für das Konzept der Strompreisbremse sind bisher bekannt. Die Strompreisbremse soll sich im Gegensatz zu der Gaspreisbremse selbstständig durch die Abschöpfung von Zufallsgewinnen finanzieren. Da die Entlastungen schneller fällig werden als die Einnahmen aus der Abschöpfung ankommen, wird eine Zwischenfinanzierung über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds geplant.

 

Im bisher vorliegenden Konzeptpapier wird betont, dass bei der Abschöpfung von Zufallsgewinnen kein direkter Eingriff in den Strommarkt, die Preisbildung und den grenzüberschreitenden Handel erfolgt.


Die abgeschöpften Zufallsgewinne werden gewälzt (wie früher bei der EEG-Umlage: Anschlussnetzbetreiber – ÜNB – Vertriebe). Zugleich werden Teile der abgeschöpften Zufallsgewinne für die Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte genutzt. Die Vertriebe müssen ihre Verbraucher über ein bis nicht abschließend festgelegtes Basiskontingent entlasten. Allerdings dürfte das Basiskontigent in Anlehnung an den Abschlussbericht der Gaskommission 80 % des Vorjahresverbrauchs umfassen. Die Auszahlung des subventionierten Strompreises erfolgt über den Vertrieb.

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

 

Die technische Umsetzung der Abschöpfung der Zufallsgewinne am Sport- und Terminmarkt ist über aus komplex. Nach dem Konzeptpapier wird die Option einer stufenweisen Einführung favorisiert. Die erste Stufe normiert eine rückwirkende Abschöpfung der Zufallsgewinne im Spotmarkt vom 01.03.2022 bis zum 30.11.2022. Der Terminmarkt ist hierbei ausgenommen. In der zweiten Stufe erfolgt die Abschöpfung der Zufallsgewinne von Spot- und Terminmarkt ab dem 01.12.2022. Parallel soll der finanzielle Solidaritätsbeitrag von den in der EU-Notfall-VO genannten Unternehmen für das Finanzjahr 2022 und 2023 erhoben werden, was derzeit noch geprüft wird.

 

Eine Abweichung von der EU-VO ist die angestrebte Differenzierung des BMWK zwischen Technologie und Anlagen. Laut Konzeptpapier sind abzuschöpfende Technologien Erneuerbare Energien, Grubengas, Atomkraft, Braunkohle und Mineralölprodukte. Nicht abgeschöpft werden sollen dagegen Technologien wie Steinkohle und Biomethan. Die Abschöpfung spezifischer Erlöse soll dabei nach dem Treppenkonzept (also anhand spezifischer Erlösobergrenzen) erfolgen. Im Ergebnis wird damit eine technologische statt einheitlicher Obergrenze definiert, die zu einer Abschöpfung der Zufallsgewinne am Spot- und Terminmarkt nach Abzug der Kapitalkosten und Sicherheitsmarge in Höhe von 90 % führen wird.

 

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)


Bewertung

 

Zunächst ist fraglich, ob die Strompreisbremse sich in der derzeitigen Ausgestaltung selbstständig finanzieren kann. Die Bundesregierung vermutet Abschöpfungsgewinne von 30 Mrd. €. Dagegen erwartet der BDEW im ersten Jahr lediglich 8 Mrd. €. Die rückwirkende Abschöpfung von Gewinnen ist sowohl juristisch als auch marktwirtschaftlich kritisch zu betrachten. Die Rechts- und Investitionssicherheit in Deutschland war stets ein „Qualitätsmerkmal“ für internationale Investoren. Die internationalen Investoren sind aber mitentscheidend für einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien.

 

Die Konzeptideen des Benchmark-Ansatzes bei der Terminmarktabschöpfung sind bisher kaum nachvollziehbar und es darf mit Spannung erwartet werden, wie die konkreten Regelungen dazu ausgestaltet werden. Eine grundlegende Fehlannahme des Konzeptpapiers dürfte sein, dass alleinig die Energieerzeuger Nutznießer der Zufallsgewinne sind. Auch branchenfremde Akteure wie Banken, Versicherungen und Börsen profitieren vom Vertrieb und der Vermarktung von Strom-Finanzinstrumenten. Im Detail muss sicher geklärt werden, ob die Abschöpfung der Zufallsgewinne durch die Netzbetreiber praktikabel ist. Ein Netzbetreiber kennt nur den Energie-Einspeiser „auf dem Papier”. Allerdings kann dieser Energie-Einspeiser im Hintergrund aus einer Vielzahl von verflochtenen Unternehmen bestehen, was Ausweichmöglichkeiten eröffnen könnte. Eine passgenaue und zielgerichtete Ausgestaltung der Strompreisbremse ist daher elementar für die rechtliche und gesellschaftliche Akzeptanz dieses Instruments.

 

Man darf gespannt sein, in welcher Form die Strompreisbremse ihren Weg in das Gesetzgebungsverfahren findet. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

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