Strompreisbremse und Ausbau Erneuerbarer Energien: Ein Widerspruch?

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veröffentlicht am 25. Oktober 2022

 

Aktuell wird sehr intensiv über die Umsetzung der Strompreisbremse diskutiert. 90% der „Zufallsgewinne” der Erzeuger von Erneuerbaren Energien, Atomkraftwerken, Braun- und Steinkohlekraftwerken sowie Ölkraftwerken und Müllverbrennungsanlagen sollen abgeschöpft werden. Es ist geplant, dass diese sogar rückwirkend ab 1.3.22 abgeschöpft werden. Dabei sollen die Unterschiede bei den Betriebs- und Kapitalkosten berücksichtigt werden und nicht pauschal abgeschöpft werden, sondern technologiespezifische Ansätze berücksichtigt werden.


Es ist grundsätzlich nachvollziehbar, dass Strompreise in Europa im weltweiten Wettbewerb nicht viel höher als in anderen Regionen sein sollten, um nicht zu einer Deindustrialisierung in Europa Vorschub zu leisten. Aber aus verschiedenen Gründen sind diese Markteingriffe gefährlich, um nicht letztlich das Gegenteil dessen zu bewirken, was das mittel- und langfristige Ziel sein muss: Massiver Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung und international wettbewerbsgerechte Strompreise. Wichtige Aspekte dabei sind wie folgt:


1. Rückwirkung der Abschöpfung der Zufallsgewinne


Wenn rückwirkend Gewinne abgeschöpft werden, gefährdet dies die Bereitschaft, in Deutschland zu investieren und dass Deutschland als Standort mit Investitionssicherheit wahrgenommen wird. Letztlich führt dies dazu, dass Investoren in Erneuerbare Energie das Länderrisiko für Deutschland anders bewerten als in der Vergangenheit. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird in Zukunft eher gebremst als vorangetrieben. Beispiele aus Spanien oder Tschechien haben gezeigt, dass Investoren sehr sensibel auf solche Signale reagieren. Die Investitionsbereitschaft in diesen Ländern hat bekanntermaßen einen Dämpfer bekommen.


2. Anreize zum Energiesparen


Die hohen Energiepreise zeigen erste Wirkungen beim Anstieg der Energieeffizienz und beim Energiesparen. Obwohl hier teilweise nur der eine Energieträger durch einen anderen Energieträger ersetzt wird, brauchen wir diesen Mechanismus, dass durch höhere Preise Energieeffizienzmaßnahmen angeregt werden. Denn nichts wäre fataler, wenn die Anstrengungen für mehr Energieeffizienz ins Stocken geraten, weil die Preise wieder niedriger sind. Durch die Deckelung auf 80 % des historischen Verbrauchs soll diesem Effekt Rechnung getragen werden. Für kurzfristige Effekte mag dies zutreffen, aber langfristig orientierte Investitionsentscheidungen für mehr Energieeffizienz werden sich an den durchschnittlichen Energiekosten und nicht nur an den Grenzkosten für letzten 20 % des Verbrauchs orientieren. Diese Investitionen in Energieeffizienz brauchen wir, um die Klimaziele erreichen zu können.


3. Vorübergehender Eingriff oder dauerhafte Subventionierung der Energieverbräuche?


Die Strompreisbremse wird als temporären Eingriff in den Strommarkt angekündigt, um die Strompreissteigerungen aufgrund des Ukraine-Kriegs und der Gaskrise zu dämpfen. Im Gegensatz zur Gaspreisbremse handelt es sich hier nicht um eine steuerfinanzierte Subvention, sondern um eine Umschichtung der Erlöse und Kosten zwischen Stromerzeugern und Stromverbrauchern. Dies ist somit keine Subvention, aber wir müssen aufpassen, dass die Energieverbräuche nicht dauerhaft subventioniert werden. Denn die Reduktion der Netzentgelte für die Übertragungsnetze um über 10 Mrd. EUR durch EEG-Überschüsse geht in diese Richtung.


Stromkosten sollen nicht zu hoch sein, weil wir den Umstieg von fossilen Energieträgern auf erneuerbaren Strom brauchen. Ein niedriger Strompreis ist hier hilfreich, aber es kann nicht das Ziel sein, die Stromverbräuche dauerhaft zu subventionieren und dass damit den Energieeffizienzbestrebungen entgegengewirkt wird.


Ausstiegsmechanismen für diesen Eingriff sind wichtig. Es sollten klare Regeln definiert werden, wann die Strompreisbremse automatisch endet. Leider zeigt die Erfahrung, dass Eingriffe der Politik in Marktmechanismen nie zu Ende gehen und Subventionen selten oder nie zurückgenommen werden.


4. Angemessener Strompreis für die Strompreisbremse


Der Strompreis, ab dem der Strompreis gedämpft wird, sollte sich an den zukünftigen und nicht an den vergangenen Strompreisen orientieren. Wir müssen uns auf mittel- und langfristig höhere Strompreise einstellen.


Klimaneutraler Strom wird teurer sein als die Strompreise, die wir die letzten Jahre am Markt gesehen haben. Wenn andere Weltregionen weiter umfangreiche fossile Kraftwerke einsetzen, werden diese weiter preisbestimmend sein und es muss von niedrigeren Strompreisen in diesen Ländern ausgegangen werden. Carbon Contracts for Difference (CCDF) soll hier die Preisunterschiede zwischen europäischem Preisniveau im Vergleich Regionen mit niedrigeren Klimaschutzstandards ausgleichen.


Eine Strompreisbremse mit einem zu niedrigen Strompreis der Stromverbraucher würde ein fatales Signal ergeben, dass Strom auch zukünftig billig zur Verfügung steht und erforderliche Effizienzsteigerungen zurückgestellt werden oder unterbleiben und dann letztlich die Klimaziele nicht erreicht werden oder die Versorgungssicherheit gefährdet wird.


5. Investitionen in erneuerbare Spitzenlastkraftwerke


Neben dem grundsätzlichen Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung ist in den nächsten Jahren zur Senkung der Treibhausgasemissionen der Ausbau von erneuerbaren Spitzenlastkraftwerken erforderlich. Die Technologie der Wahl ist dafür ist aktuell wasserstoffbasierte Gaskraftwerke. Diese sind klimaneutral, wenn grüner Wasserstoff eingesetzt wird.


Da bisher im Markt keine relevanten Investitionen für diese Kraftwerke bekannt sind, bereitet das Bundeswirtschaftsministerium eine Ausschreibung für Investitionen in diese Kraftwerke vor. Da diese Kraftwerke mit vergleichsweise hohen Risiken im Strommarkt agieren und die Wirtschaftlichkeit entscheidend von den Klimaambitionen, der Einsatzstundenzahl und die erzielbaren Strompreisen abhängt, wird die Strompreisbremse in Deutschland nicht dazu beitragen, Investitionen in diese Kraftwerke anzuregen, sondern eher kontraproduktiv wirken. Es wäre fatal, wenn letztlich der Staat auch die Investitionen in diese Erzeugungsanlagen selber umsetzen muss, da sich kein Investor findet, der diese Investitionen mit hohen Risiken tätigen möchte.


Fazit


Die Strompreisbremse ist als kurzfristiges Instrument gegen überhöhte Strompreise nachvollziehbar, um gegen Rezessionstendenzen und Deindustrialisierung zu wirken. Die Markteingriffe sollten aber behutsam erfolgen, nur vorübergehenden Charakter haben, sich an zukünftigen Marktpreisen orientieren, um nicht den dringend benötigten Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung zu bremsen und letztlich kontraproduktiv zu wirken. Denn das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität bis 2045 sollte nicht gefährdet werden.

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Dr. Matthias Koch

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