Reduzierung der Netznutzungsentgelte durch §19 StromNEV und dem Einsatz eines Batteriespeichers

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veröffentlicht am 20. Juni 2022

 

Die Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung - StromNEV) sieht mit dem § 19 Sonderformen der Netznutzung für einen bestimmten Teil der Letztverbraucher individuelle und damit deutlich geringere Netzentgelte vor. In dem nachfolgenden Artikel soll insbesondere auf die notwendigen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme dieser individuellen Netzentgelte eingegangen werden. Daneben soll eine beispielhafte Berechnung darstellen, inwiefern ein Batteriespeicher die Netzentgelte reduzieren kann.


Mit dem § 19 Stromnetzentgeltverordnung hat der Gesetzgeber gleich mehrere Möglichkeiten geschaffen für bestimmte Letztverbraucher Kostenoptimierungen bei den Netzentgelten zu erlangen. Grundsätzlich handelt es sich dabei um die Letztverbraucher mit einer sog. atypischen Netznutzung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 StromNEV sowie um stromintensive Letztverbraucher nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV. Die atypische Netznutzung kann dabei durch den Einsatz von Batteriespeichern auf mehreren Wegen optimiert werden und soll daher im Fokus des vorliegenden Artikels stehen. Zunächst möchten wir jedoch die wesentlichen Besonderheiten der atypischen Netznutzung vorstellen.


Atypische Netznutzung


Der § 19 Abs. I Satz 1 gibt vor: „Ist auf Grund vorliegender oder prognostizierter Verbrauchsdaten oder auf Grund technischer oder vertraglicher Gegebenheiten offensichtlich, dass der Höchstlastbeitrag eines Letztverbrauchers vorhersehbar erheblich von der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dieser Netz- oder Umspannebene abweicht, so haben Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen diesem Letztverbraucher in Abweichung von § 16 ein individuelles Netzentgelt anzubieten…”


Diese Anforderungen lassen sich am besten in Form eines einfachen Beispiels erläutern: Ein Unternehmen hat innerhalb des Betrachtungsjahres eine Höchstlast von 1.500 kW und bezieht den Strom aus der Mittelspannungsebene. In dieser ist eine Erheblichkeitsschwelle von 20 %  festgelegt. Um von der atyp Netznutzung profitieren zu können muss der Lastgang innerhalb der vom Anschlussnetzbetreiber festgelegten Hochlastzeitfenster der jeweiligen Netzebene - hier der Niederspannungsebene um 20%1 unterschritten werden. Sofern der zuständige Netzbetreiber die Hochlastzeitfenster der Netzebene beispielsweise auf 17:15 Uhr- 18:30 Uhr im Herbst (01.09 - 30.11) und 17:00 Uhr – 19:00 Uhr im Winter (01.12 – 28.02) festgelegt hat, müsste zu diesen Zeitpunkten die Bezugslast über (bzw. in kW unter) der festgelegten Erheblichkeitsschwelle im Vergleich zu der Jahreshöchstlast des Betrachtungsjahres liegen. Sofern in unserem Beispiel die Last in diesen Zeitfenstern also weniger als 1.200 kW beträgt (oder künftig betragen wird), kann das Unternehmen als atypischer Netznutzer ein Antrag auf ein individuelles Netzentgelt nach § 19 Abs. I Satz 2 StromNEV bei der zuständigen Regulierungsbehörde stellen.


Doch was bedeutet dies und wie gross ist die Einsparung?


Sofern die Kriterien der atypischen Netznutzung eingehalten werden, wird der Leistungspreis nicht mehr auf die eigentliche Höchstlast des jeweiligen Kalenderjahres (1.500 kW), sondern nur noch auf die Last innerhalb der Hochlastzeitfenster (1.200 kW) bezogen (die gemessene Arbeit wird regulär abgerechnet). Bei einem Netzentgelt von 130 €/kW*a würde sich entsprechend folgende Reduzierung ergeben:

 

​Bezeichnung​Kosten​Summe
​Netzentgelt Leistung alt ​1.500 kW x 130 €/kW*a​195.000 €/a
​Netzentgelt Leistung neu
(Leistung im HLZ-Fenster)
​1.200 kW x 130 €/kW*a​156.000 €/a
​Mögliche Einsparung  39.000 €/a


Sollte die Bezugslast innerhalb der festgelegten Hochlastzeitfenster nicht die notwendige Erheblichkeitsschwelle unterschreiten, existieren mehrere Möglichkeiten eine Lastreduzierung herbeizuführen, womit das Erreichen der Erheblichkeitsschwelle erzeugt werden kann. Genannt werden kann hierbei beispielsweise die Abschaltung oder zeitliche Verschiebung einzelner Lasten deren Betrieb nicht unbedingt notwendig ist. Eine weitere Möglichkeit ist wie bereits genannt, der Einsatz eines Batteriespeichers. In unserem Beispiel soll nun der Speicher dazu verwendet werden, den Teil der Last innerhalb des Hochlastzeitfensters bereitzustellen, welcher notwendig ist, um das Erreichen der Erheblichkeitsschwelle zu gewährleisten. Die nachfolgende Abbildung soll die Systematik des Batterieeinsatzes und der Reduzierung innerhalb der Hochlastzeitfenstern veranschaulichen.

 

 


 Abbildung 1 Darstellung der Systematik - Wochenbetrachtung


Die Abbildung 1 zeigt, dass der alte Lastgang ohne Speichereinsatz (blau), durch den Einsatz des Batteriespeichers innerhalb der Hochlastzeitfenster auf die angestrebte Last (1.200 kW) zur Einhaltung der Erheblichkeitsschwelle reduziert wird und sich somit der neue Lastgang (orange) ergibt. Des Weiteren ist zu sehen, dass die Batterie innerhalb der Zeit zwischen zwei Hochlastzeiten gleichmäßig geladen wird, sodass dieser mit einem Speicherstand von 100 Prozent zu Beginn des nachfolgenden Hochlastzeitfensters zur Verfügung steht. Hierdurch ergibt sich zwischen den Hochlastzeitfenstern eine höhere Last als im Ursprungslastgang.


Aus der Untersuchung mehrerer Lastgänge der vergangenen Jahre würde sich die notwendige Leistung und Kapazität der Batterie berechnen. Sofern z.B. davon ausgegangen wird, dass zur Gewährleistung einer atypischen Netznutzung ein Batteriespeicher mit einer Leistung von 250 kW und einer Kapazität von 250 kWh benötigt wird, würden sich beispielsweise folgende Investitionskosten und unter Berücksichtigung der jährlichen Einsparung die folgende stark vereinfachte (statische) Berechnung ergeben:

 

​Bezeichnung ​Kosten ​Summe
Einsparung   39.000 €/a
Kosten  
​Speicherdimension ​250 kW/250 KWh 
​Investitionskosten ​​1.000 €/kW​250.000 €
Amortisationszeitraum  ca. 6,5 a

 

Das Berechnungsbeispiel zeigt, dass die Investition in einen Batteriespeicher zur Erzeugung einer atypischen Netznutzung durchaus wirtschaftlich sein kann. Sofern der Batterie eine Lebensdauer von 15 Jahren unterstellt wird, würde sich bei gleichbleibenden Netzentgelten eine Gesamtersparnis von ca. 585.000 € ergeben. Demgegenüber stehen die Investitionskosten von voraussichtlich rund 250.000 € (Wartungskosten wurde zur Vereinfachung nicht einbezogen). Zu berücksichtigen ist, dass hierbei mögliche Fördermittel oder zusätzliche Erlösquellen wie beispielsweise eine Maximierung des Eigenverbrauchs einer PV-Anlage oder die zur Verfügungsstellung von Regelleistung noch nicht berücksichtigt wurden. Hierdurch wäre eine deutliche Erhöhung der Wirtschaftlichkeit denkbar.


Stromintensive Netznutzung


Neben der atypischen Netznutzung ist nach dem § 19 Abs. I Satz 2 ebenfalls ein individuelles Netzentgelt anzubieten, „[…], wenn die Stromabnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung für den eigenen Verbrauch an einer Abnahmestelle pro Kalenderjahr sowohl die Benutzungsstundenzahl von mindestens 7.000 Stunden im Jahr erreicht als auch der Stromverbrauch an dieser Abnahmestelle pro Kalenderjahr zehn Gigawattstunden übersteigt. Das individuelle Netzentgelt nach Satz 2 beträgt bei einer Stromabnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung für den eigenen Verbrauch an einer Abnahmestelle von mehr als zehn Gigawattstunden pro Kalenderjahr nicht weniger als:


1. 20 Prozent des veröffentlichten Netzentgeltes, im Falle einer Benutzungsstundenzahl von mindestens 7.000 Stunden im Jahr;
2. 15 Prozent des veröffentlichten Netzentgeltes, im Falle einer Benutzungsstundenzahl von mindestens 7.500 Stunden im Jahr oder
3. 10 Prozent des veröffentlichten Netzentgeltes, im Falle einer Benutzungsstundenzahl von mindestens 8.000 Stunden im Jahr.


Die Bemessung des nach den Sätzen 2 und 3 gebildeten individuellen Netzentgeltes hat den Beitrag des Letztverbrauchers zu einer Senkung oder zu einer Vermeidung der Erhöhung der Kosten der Netz- oder Umspannebene, an die der Letztverbraucher angeschlossen ist, widerzuspiegeln”.

 

Um die Entgelte zu ermitteln, werden die Leitungskosten von dem Netzanschlusspunkt des Letztverbrauchers bis zu einer geeigneten Stromerzeugungsanlage berechnet (Bestimmung „physikalischer Pfad”). Diese Kosten werden den allgemeinen Netzentgelten gegenübergestellt, die Differenz der fiktiven Leitungskosten und dem eigentlichen Netzentgelt ist die Reduzierung die der Letztverbraucher (unter Beachtung der Maximalentlastung) realisieren kann.


Fazit


Mit dem § 19 StromNEV lassen sich die Netzentgelte unter bestimmten Voraussetzungen deutlich reduzieren. Insbesondere wenn die Voraussetzungen noch nicht vollständig vorliegen, kann durch den Einsatz eines Batteriespeichers die für eine atypische Netznutzung erforderlichen Voraussetzungen erreicht werden. In vielen Fällen ist bereits allein durch die Reduzierung der Netzentgelte, ohne Berücksichtigung weiterer Erlösquellen, ein wirtschaftlicher Betrieb des Batteriespeichers denkbar.


Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung und Erstabschätzung, inwiefern bei Ihnen eine Sonderform der Netznutzung möglich ist und ob die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt werden. Des Weiteren unterstützen wir Sie gerne bei der wirtschaftlichen Abschätzung, ob der Einsatz eines Batteriespeichers sinnvoll scheint und mit welchen Fördermöglichkeiten und Zusatzerlösen zu rechnen ist.

 

Quelle:

1 Leitfaden zur Genehmigung von individuellen Netzentgelten nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV und von Befreiungen von den Netzentgelten nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV

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Benjamin Hufnagel

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