Was tut sich bei der Photovoltaik im Rahmen des Klimaschutz-Sofortprogramms?

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veröffentlicht am 20. Juni 2022

 

Seit der Novelle zur Verschärfung des Klimaschutzgesetzes im August 2021 stehen die neuen Klimaziele fest: Deutschland soll seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 65% gegenüber 1990 senken und bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden.

 

Im Januar 2022 legte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck die „Eröffnungsbilanz Klimaschutz” vor und konstatierte, infolge unzureichender Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren sei bereits absehbar, dass die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 erneut verfehlt würden.

 

Am 12. Mai 2022 hat der Bundestag nun im Rahmen des Klimaschutz-Sofortprogramms erstmals über das sogenannte „Osterpaket” beraten, mit dem die Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien erreicht werden soll. Gegenstand des Osterpaketes sind die  Gesetzentwürfe der Bundesregierung zu „Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor” (20/1630), „zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes und anderer Vorschriften” (20/1634) und „zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung” (20/1599). Einen entscheidenden Baustein bildet die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Solarenergie.


Kommt eine bundesweite Solarpflicht?

 

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat im Februar 2022 gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt (BMWK), Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ein Eckpunktepapier zum Ausbau der Photovoltaik veröffentlicht und darin die Bedeutung dieser Anlagen auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität der Stromerzeugung in Deutschland betont. (Eckpunktepapier BMWK BMUV und BMEL Ausbau der Photovoltaik (bmwi.de)) Neben der Nutzung „aller verfügbaren Dachflächen” sei insbesondere auch ein „deutlicher, naturverträglicher Ausbau auf Freiflächen erforderlich”. Auch in ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP angekündigt, künftig „alle geeigneten Dachflächen” für die Solarenergie nutzen zu wollen. Bei gewerblichen Neubauten solle dies verpflichtend, bei privaten Neubauten der Regelfall werden. Auf welchem Wege und bis wann die Solarpflicht umgesetzt werden soll, wurde bislang offen gelassen.

 

Im Zusammenhang mit dem Osterpaket hat der Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Deutschen Bundestages im Mai 2022 eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung„ (20/1599) vorgelegt. (20(25)95 (bundestag.de)) Ziel des Änderungsantrages soll u.a. sein, nach der Einstellung der EH-55-Förderung für Gebäude einem Rückfall auf den bisherigen gesetzlichen Standard entgegenzuwirken. Im Wege einer kurzfristigen Anpassung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) als Zwischenschritt bis zur Einführung des EH-40 Standards im Jahr 2025 soll der gesetzliche Neubaustandard auf den EH-55- Standard angehoben werden. Im Übrigen sieht die Formulierungshilfe vor, dass „in einem weiteren Schritt weitere Vorhaben der Koalition umgesetzt (werden) (u. a. (…) die Solardachpflicht für gewerbliche Neubauten).”

 

Eine bundesweite Solardachpflicht für gewerbliche Neubauten ist jedenfalls aktuell noch nicht in dem Gesetzesentwurf für das angepasste GEG enthalten. Wann und in welcher konkreten Ausgestaltung eine Solarpflicht auf Bundesebene kommen soll, ist bislang folglich offen.

 

Anders stellt sich die Situation auf Ebene der Länder dar. (Wir berichteten zum damaligen Stand im August 2021: Photovoltaik-Pflicht in einigen Bundesländern: eine kleine Übersicht und Gedanken zu den Auswirkungen | Rödl & Partner (roedl.de)) In Baden-Württemberg etwa sind Bauherren seit dem 01.01.2022 verpflichtet, alle neu errichteten Nicht-Wohngebäude (z.B. Dächer einer gewerblich genutzter Gebäude) mit eine PV-Anlage auszurüsten. Auch Parkplätze mit mindestens 35 Stellplätzen sind mit PV auszustatten. Ab Mai 2022 gilt die Verpflichtung dann auch für den Neubau von Wohngebäuden.

 

In zahlreichen weiteren Bundesländern sind Solarpflichten mit unterschiedlichen Reichweiten bereits vorgesehen oder zumindest in Planung. Auch hier in Bayern soll eine solare Baupflicht im Klimaschutzgesetz verankert werden. Der aktuelle Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Klimaschutzgesetzes vom 15.11.2021 sieht die Einführung einer Solarpflicht auf Dächern vor, der im ersten Schritt alle gewerblich und industriell genutzten Neubauten und ab 01.01.2023 auch sonstige Nichtwohngebäude unterfallen sollen. (anl1_aenderungsgesetz.pdf (bayern.de))


Können Kommunen eine Solarpflicht bereits jetzt umsetzen?

 

Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang örtlich bereits gesetzliche Solarpflichten bestehen, setzen sich auch immer mehr Kommunen damit auseinander, wie solare Baupflichten insbesondere für Neubaugebiete auf kommunaler Ebene verbindlich eingeführt werden können.

Im Laufe der vergangenen fünfzehn Jahre wurden unterschiedliche Modelle kommunaler Solarpflichten erprobt – mit unterschiedlichem Erfolg. Zum Teil entschieden sich Kommunen für sogenannte Zwischenerwerbsmodelle, im Rahmen derer Verpflichtungen der Käufer kommunaler Grundstücke in Kaufverträgen und städtebaulichen Verträgen verankert wurden. Zum Teil wurde auch bereits versucht, Solarpflichten für Bauherren in Satzungen zu verankern.

 

Seit der Klimaschutznovelle von 2011 ist im Baugesetzbuch (BauGB) geregelt, dass in Bebauungsplänen aus städtebaulichen Gründen Gebiete festgesetzt werden können, in denen „(…) bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen”, § 9 Abs. 1 Nr. 23 b BauGB. Möglich ist also nicht mehr allein die Anordnung bestimmter baulicher Maßnahmen, die die Installation von Solaranlagen begünstigen (bspw. zur Dachneigung, Gebäudeausrichtung u.a.), sondern auch technischer Maßnahmen können festgesetzt werden.

 

Vor diesem Hintergrund wird zum Teil angenommen, dass die Verankerung einer Installationspflicht (keiner Benutzungspflicht) für Solaranlagen im Bebauungsplan jedenfalls unter bestimmten Umständen zulässig sein kann. Auch wenn entsprechende Festsetzungen für die Energiewende zweckmäßig und in hohem Maße wünschenswert sind, gilt es bei der Ausgestaltung von  Bebauungsplänen, stets die allgemeinen Grundsätze zu berücksichtigen. Festsetzungen müssen auch im Zusammenhang mit Klimaschutzmaßnahmen regelmäßig erforderlich, rechtsfehlerfrei begründet und unter Beachtung des Abwägungsgebotes zustande gekommen sein. Anderenfalls dürfte damit zu rechnen sein, dass die betroffenen Anwohner oder Unternehmen die entsprechenden Regelungen im Bebauungsplan einer rechtlichen Überprüfung zuführen.


Und was tut sich bei Freiflächenanlagen?

 

Für PV-Freiflächenanlagen kann dem Gesetzesentwurf zu „Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor” (20/1630) ein „großes Bündel an Einzelmaßnahmen” entnommen werden.

 

Mit dem EEG 2023 werden Ausbaupfad, PV-Ausbauziele und die Ausschreibungsvolumen angepasst. Im Übrigen soll eine Erweiterung der Flächenkulisse für Freiflächenanlagen den Ausbau begünstigen. Die bisherigen besonderen Solaranlagen wie etwa die sogenannten „Agri-PV-Anlagen”, schwimmende PV-Anlagen und Parkplatz-PV werden in die Ausschreibungen für Freiflächenanlagen („Solaranlagen des ersten Segments”) integriert. Gleichwohl dürfte der Ausbau schwimmender PV-Anlagen auch künftig erheblichen rechtlichen Herausforderungen begegnen. Das EEG-Osterpaket enthält eine Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, mit der schwimmende PV-Anlagen in Deutschland künftig höheren Anforderungen begegnen. Insbesondere müssen die Anlagen einen Mindestabstand von 50 Meter zum Ufer einhalten und dürfen nur maximal 15 Prozent der Wasserfläche bedecken. Neben den bereits bestehenden planungs- und genehmigungsrechtlichen Anforderungen werden die Betreiber schwimmender PV-Anlagen bzw. solche, die es werden wollen, künftig mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert sein.

 

Eines ist in jedem Falle klar: der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist unumgänglich und geht aktuell noch deutlich zu schleppend voran. In der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wird daher an prominenter Stelle in § 2 der Grundsatz formuliert, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien im besonderen öffentlichen Interesse liege und der öffentlichen Sicherheit diene. Auf die geänderten Regelungen des WHG zu schwimmenden PV-Anlagen soll dieser Grundsatz jedoch bereits keine Anwendung finden. Es wird sich im Übrigen zeigen, ob eine Priorisierung bzw. ein entsprechender Grundsatz auch Eingang in weitere Fachgesetze findet, um beispielsweise Abwägungsentscheidungen im Zusammenhang mit der Aufstellung von Bebauungsplänen oder bei der Beurteilung von Zielkonflikten (beispielsweise mit dem Straßenausbau oder dem Artenschutz) zu erleichtern.


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Rödl & Partner berät Kommunen, Energieversorger und Industrieunternehmen zu komplexen Fragen des Energie- und Umweltrechts ebenso wie zur wirtschaftlichen Umsetzbarkeit und Finanzierung anspruchsvoller Projekte.

 

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