BGH-Urteil zu Steuer- und Abgabenklausel: Stromvertriebe unter Druck

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Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 05. Juli 2017 entschieden, dass Stromversorger verpflichtet sind, ihren Kunden ein Sonderkündigungsrecht einzuräumen, selbst wenn die Preiserhöhung nur auf Grundlage gestiegener Steuern, Abgaben oder Umlagen erfolgt. 

 

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Az. VIII ZR 163/16), für die bisher weder eine Pressemitteilung des Gerichts noch die Entscheidungsgründe vorliegen, ist für die Energiebranche von großer Bedeutung. Die Klage geht auf das Betreiben der Verbraucherzentrale NRW zurück, welche die allgemeinen Stromlieferbedingungen eines Lieferanten hat gerichtlich prüfen lassen. Nach dem Obsiegen in Karlsruhe findet sich bereits,  neben einem Hinweis auf das Urteil,  ein Entwurf für ein Widerspruchsschreiben nebst Berechnungsbeispielen auf der Homepage der Verbraucherzentrale NRW, um den Kunden bei der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen gegen ihren Versorger Hilfe zu leisten.   

 

Gegenstand der gerichtlichen Prüfung war ein Preissystem, welches zwischen „allgemeinen” Preisänderungen einerseits und der Weiterbelastung von Steuern, Abgaben und sonstigen hoheitlichen Belastungen (z.B. EEG-Umlage) andererseits differenziert. Während dem Stromkunden für „allgemeine” Preisänderungen ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt wurde, erfolgte die Weiterbelastung von Steuern, Abgaben und Umlagen nach anderen Spielregeln, d. h. der Kunde erhält – ggf. erst nachträglich mit der Rechnungsstellung – eine Information über die geänderten Preisbestandteile (z. B. Erhöhung der EEG-Umlage). Ein Kündigungsrecht zugunsten der Kunden war zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, wurde den Kunden aber auch nicht explizit eingeräumt.

  

Vergleichbare Preissysteme haben sich in den letzten Jahren in der Branche etabliert und erfreuen sich bei Energielieferanten großer Beliebtheit, da sie die Vertragsabwicklung im Massenkundengeschäft enorm erleichtern. Zudem hatte der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25. November 2015 (Az. VIII ZR 360/14) ein Preisanpassungssystem, welches auch eine Weiterberechnung von Mehrkosten aus zusätzlichen Steuern und oder Abgaben ohne explizite Einräumung eines Kündigungsrechtes beinhaltete, nicht beanstandet.

 

Da sich eine Vielzahl an staatlich veranlassten Umlagen jeweils zum 01.01. eines Jahres ändert, bietet es sich geradezu an, diese Änderungen (Erhöhungen wie Ermäßigungen) sozusagen „eins zu eins” an die Kunden „durchzureichen”, ohne ihnen ein Sonderkündigungsrecht einräumen zu müssen. Dies ist freilich nur dann interessant, wenn Preisänderungen nicht (auch) aufgrund von Änderungen anderer Entgeltkomponenten – in erster Linie sind hier Beschaffungskosten zu nennen – durchgeführt werden müssen.

 

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr geurteilt, dass die ihm zur Entscheidung vorgelegte Klausel eine Umgehung des in § 41 Abs. 3 EnWG vorgesehenen gesetzlichen Sonderkündigungsrechts zugunsten von Stromkunden darstellt. Stromversorger müssen ihre Kunden vielmehr vorab über jede Änderung ihrer Strompreise – die gilt auch für Änderungen bei Steuern, Abgaben oder Umlagen – informieren und ihnen ein Kündigungsrecht einräumen.

 

Für Versorger, die ein vergleichbares Preissystem mit separaten Preisbestandteilen verwenden, besteht demzufolge ein hohes Risiko, dass Ihre Vertragsklauseln möglicherweise ebenfalls unwirksam sind. Gleichzeitig besteht ein erhebliches, finanzielles Risiko, dass auch die in den letzten drei Jahren auf diese Klauseln gestützten Änderungen von Steuern, Abgaben und Umlagen unwirksam sind und Ihnen die Inanspruchnahme auf Rückzahlung von Stromlieferentgelten durch Ihre Kunden droht.     

 

Wir bieten Ihnen an, das von Ihrem Unternehmen verwendete Preissystem im Sinne eines Quickchecks auf rechtliche Risiken zu prüfen und erste, strategische Handlungsoptionen mit Ihnen gemeinsam abzuleiten. Nehmen Sie dazu jederzeit gerne Kontakt zu uns auf.  

 

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Dr. Thomas Wolf, LL.M. oec.

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