Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft bei insolvenzrechtlicher Eigenverwaltung, BFH v. 15.12.2016, V R 14/16

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​Autoren: Marcel Reinke und Nicole Maußhammer

 

Der BFH hat am 15.12.2016 entschieden, dass die umsatzsteuerliche Organschaft bei einer Insolvenzeröffnung beendet wird. Dies gilt gleichermaßen für die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers wie auch bei der Organgesellschaft. Unerheblich ist, ob eine Eigenverwaltung gem. § 270 ff. InsO vom Insolvenzgericht angeordnet wurde.

 

Das Urteil des BFH stellt einen Wendepunkt zur endgültigen Klarstellung über die Folgen einer Insolvenz von Konzerngesellschaften hinsichtlich eines Fortbestandes umsatzsteuerlicher Organschaften dar.


Im Streitfall wurde über das Vermögen der Klägerin (Organträger) und der weiteren sechs Organgesellschaften im Mai 2012 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Das Insolvenzgericht hat Eigenverwaltung gemäß § 270 Abs. 1 InsO angeordnet. Eigenverwaltung bedeutet, dass der Unternehmenssanierung besondere Bedeutung zukommt und nicht die Verwertung des Unternehmens im Vordergrund steht. Das Finanzamt ist nach der Insolvenzeröffnung weiterhin von einem Fortbestehen der Organschaft ausgegangen, weshalb es einen Umsatzsteuervorauszahlungs-Bescheid  für Mai 2012 erließ. Das Hessische FG folgte der Auffassung des Finanzamts. Die Klägerin hat dementgegen beantragt, eine Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungs-Bescheids auszusetzen, da es an einer organisatorischen und finanziellen Eingliederung fehlt. Es wurde argumentiert, dass die Organschaft in diesem Fall dem insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatz widerspricht. Der BFH hat ernsthafte Zweifel geäußert und einer Revision stattgegeben.


Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Alle Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Der Organträger, hier die Klägerin, ist demnach Steuerschuldner für alle Leistungen, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen.


Es gibt keine spezifischen Regelungen im Insolvenzrecht, die im Falle einer Konzerninsolvenz ein einheitliches Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesellschaften ermöglichen. Verbundene Unternehmen bleiben aus diesem Grund insolvenzrechtlich selbstständig. Die Vermögensmassen insolvenzfähiger Gesellschaften sind trotz konzernmäßigen Verbundes getrennt abzuwickeln, sodass es keine Konzerninsolvenz gibt. Im Ergebnis ist die Organschaft mit Insolvenzeröffnung beendet.


Das Finanzamt kann den sich für den Organkreis ergebenden Steueranspruch für Umsatztätigkeiten nach Insolvenzeröffnung nur insoweit durch Steuerbescheid gegen den Organträger festsetzen, wenn es sich um eine Masseverbindlichkeit des Organträgers handelt. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Der Umsatzsteueranspruch für eine Umsatztätigkeit der Insolvenzmasse ist eine Masseverbindlichkeit. Dies gilt aber nur für den Umsatzsteueranspruch aus der eigenen Umsatztätigkeit des bisherigen Organträgers, nicht aber für den Umsatzsteueranspruch, der auf die Umsatztätigkeit seiner bisherigen Organgesellschaften entfällt. Die Insolvenzmasse schließt daher nur die Beteiligung an der Organgesellschaft und nicht das Vermögen der Organgesellschaft ein. Die Umsatztätigkeit der bisherigen Organgesellschaft begründet keine Masseverbindlichkeit in der Insolvenz des Organträgers. Es ist auch eine angeordnete Eigenverwaltung ohne Bedeutung, da sie nichts an der insolvenzrechtlichen Verfahrenstrennung ändert.


Davon abgesehen endet die Organschaft bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens in jedem Fall, da die Eingliederung in den Organträger entfällt. Die Eingliederung entfällt auch bei Anordnung von Eigenverwaltung, da dann die finanzielle Eingliederung endet. Es besteht keine Durchgriffsmöglichkeit mehr auf die Geschäftsführung des Schuldners. § 276 InsO entzieht demzufolge der für die Organschaft erforderlichen finanziellen Eingliederung die Grundlage.

 
Der BFH hat mit dem Urteil eine Grundsatzentscheidung hinsichtlich der Behandlung einer Organschaft im Insolvenzfall getroffen, die sich sowohl auf die Insolvenz eines Organträgers als auch auf die Insolvenz einer Organgesellschaft im Organkreis bezieht.

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