OLG Brandenburg zu mietrechtlichem Wirtschaftlichkeitsgebot: Alle Vermieter zur (privaten) Ausschreibung der Wärmeversorgung verpflichtet?

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Autoren: Joachim Held und André Rosner 

 

Das OLG Brandenburg hat in einem aktuellen Urteil zwar umfassenden Auskunfts- und Kontrollansprüchen zu vorgelagerten Wärmegestehungskosten eine Absage erteilt. Nach den Feststellungen zum mietrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot ist es jedoch nun für alle Vermieter zweckmäßig, eine (private) Ausschreibung zur Beschaffung von Versorgungsdienstleistungen durchzuführen. Dabei können derartige Verfahren effizient und rechtssicher nur durch entsprechend spezialisierte Dienstleister durchgeführt werden.

 

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem aktuellen Urteil (OLG Brandenburg, Urt. v. 29. August 2018 – 4 U 106/15) einerseits die Anforderungen an eine formell und materiell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung nach den Grundsätzen der Heizkostenverordnung (HeizKostV), vor allem aber die von Vermietern bei der Beschaffung von Contracting-Dienstleistungen zu beachtenden Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots konkretisiert:

 

Ein mietrechtlicher Fehler – 10 Jahre Streit?

Gegenstand des über zwei Instanzen seit 2012 ausgefochtenen Streits zwischen dem Land Brandenburg als Mieterin von Verwaltungsgebäuden (Finanzamt) und einem Zwangsverwalter als Vermieter waren unter anderem die mietrechtlichen Nebenkostennachforderungen aus einer Contracting-Wärmeversorgung. Dabei verteidigte sich das beklagte Finanzamt mit dem Einwand fehlender Angaben zu den vermutlich überhöhten Erdgasbezugsmengen- und -kosten des Contractors, vor allem aber mit den insgesamt im Vergleich zu den Fernwärmetarifen eines lokalen Fernwärmeversorgers überhöhten Contractingentgelten. Dabei lag dem Fall eine gerade in den neuen Bundesländern aufgrund von Bevölkerungs- und Wirtschaftsrückgang typische Problematik einer Überdimensionierung der Heizungsanlagen zugrunde. Aufgrund der lange zurückliegenden Errichtung der Heizungsanlagen, war aber nicht mehr Gegenstand des Streits, ob es sich um eine Fehlplanung des Contractors oder ein der Risikosphäre des Immobilienunternehmens zuzuordnende Fehlentwicklung der Immobiliennutzung und des Wärmebedarfs handelte. Sollte der unterlegene Zwangsverwalter seinen Anspruch mit Rechtsmitteln weiter verfolgen – könnte sich der Rechtsstreit noch ohne weiteres bis 2022 hinziehen.

 

Neue Chancen im Abrechnungsdickicht der HeizKostV...

Nach den Feststellungen des OLG Brandenburg bedarf es bei der Versorgung eines Mietobjektes mittels Wärmecontracting für die formelle Wirksamkeit der Abrechnung (§ 5 Abs. 2 HeizKostV i.V.m. § 259 BGB) nicht der Angabe der vom Wärmelieferanten bezogenen Gasmenge und schon gar nicht des von dem Wärmecontractor seinem Gaslieferanten gezahlten Gaspreises. Bei der Versorgung eines Mieters mit Heizenergie durch einen Wärmecontractor gilt nichts anderes als bei einem unmittelbaren Energiebezug durch den Vermieter ohne Einschaltung eines Contracting-Unternehmens. Auch in diesen Fällen haben die Mieter einer Wohnung gegen ihren Vermieter keinen Anspruch auf Auskunft darüber, zu welchem Preis und zu welchen Konditionen beispielsweise der Heizöllieferant das Heizöl seinerseits von seinem Vorlieferanten bezieht. Ebenso wenig steht Mietern ein Anspruch auf Auskunft über Vereinbarungen zu, die der Wärmecontractor mit seinen Vorlieferanten geschlossen hat. Danach ist eine Verlagerung der Gewinnmarge der Mieter-Wärmeversorgung vom Immobilienunternehmen auf ein Contractingdienstleistungsunternehmen (oder wie in der Praxis kommunaler Wärmeversorgung teilweise auch anzutreffen auf den Erdgasvertrieb) unter dem Aspekt der Auskunfts- und Abrechnungsansprüche nach der HeizKostV nicht angreifbar.

 

… und neue Risiken aus dem mietrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot

Maßgeblich für die letztendlich erfolgte Zurückweisung der Wärmenachforderungsansprüche war dagegen das nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung im Rahmen der Nebenkostenabrechnung (§ 556 BGB) zu beachtende sog. „Wirtschaftlichkeitsgebot”.


Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verpflichtet Vermieter von Gewerberäumen, bei der Bewirtschaftung ihres Eigentums im Rahmen eines gewissen Ermessenspielraumes möglichst wirtschaftlich vorzugehen. Vermieter haben aufgrund der vertraglichen Nebenpflicht, bei Maßnahmen und Entscheidungen, die Einfluss auf die Höhe der von den Mietern zu tragenden Betriebskosten haben, ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis zu beachten. Das bedeutet, dass Vermieter zwar nicht stets die günstigste Lösung wählen müssen. Unwirtschaftliche Versorgungsverträge begründen insbesondere dann keinen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn sie bereits vor Beginn des Mietverhältnisses bestanden. Denn eine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme setzt das Bestehen eines Schuldverhältnisses voraus. Vermieter sind nicht dazu verpflichtet, ungünstige Verträge aus Kulanz aufheben zu lassen, sie können das Ende des Liefervertrages abwarten, müssen dann aber die Möglichkeit, günstiger zu kontrahieren, wahrnehmen.


Weiterhin hat das OLG Brandenburg festgestellt, dass der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht bereits darauf beruht, sich überhaupt für das Wärmecontracting und nicht für eine andere, für die Mieterin günstigere Versorgungsart entschieden zu haben. Danach war vorliegend der Vermieter nicht zu einem Wechsel der Versorgungsart von der Nahwärme-Contracting-Versorgung zu einer günstigeren Fernwärmeversorgung verpflichtet. Insofern dürfte auch ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Primärenergieträgersystemen (z.B. Erdgas, Heizöl ./. Holzpellet, Solar- und Umweltwärme, etc.) irrelevant sein.


Nach Auffassung des OLG Brandenburg hatte der Vermieter aber dadurch gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, dass er nicht nur einer automatischen Verlängerung der Wärmecontracting-Verträge nicht widersprochen hatte, sondern sogar neue Folgeverträge ohne eine Anpassung der Wärmeleistung oder Grundpreise abgeschlossen hatte. Dabei hat das OLG Brandenburg jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Vermieter bei einem typischen Contractingverhältnis in der Regel die – auch im Fall der Überdimensionierung zu großen – Erzeugungsanlagen gegen Zahlung eines Kaufpreises übernehmen muss und deshalb unter Umständen eine wirtschaftliche Zwangslage zum Abschluss eines Folgevertrags bestand. Jedenfalls konnte der Vermieter keine günstigeren Vergleichsangebote nachweisen, sodass er den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht entkräften konnte.


Nach ständiger Rechtsprechung muss ein Vermieter zum Nachweis der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots zumindest eine ausreichende Anzahl von Angeboten eingeholt haben, um sich einen Marktüberblick zu verschaffen. Zwar ist eine (private) Ausschreibung nicht erforderlich. Angesichts der Komplexität des Energiedienstleistungsmarkts und der schwierigen Vergleichbarkeit unterschiedlicher Versorgungslösungen wird ein Vermieter durch die Vorgabe von Auswahlkriterien, eine gezielte Marktabfrage und einen strukturierten Vergleich technischer, wirtschaftllicher und rechtlicher Kriterien der Angebote in jedem Fall in ausreichendem Maße dem Wirtschaftlichkeitsgebot gerecht. Insofern wird die aktuelle Rechtsprechung insbesondere im Zusammenhang mit der aus den umweltpolitischen und gesetzgeberischen Vorgaben (z.B. des zukünftigen Gebäudeenergiegesetzes (GEG)) erforderlichen Modernisierungs- und Dekarbonisierungmaßnahmen bei der Gebäudeenergieversorgung verstärkt zu privaten Ausschreibungen oder zumindest strukturierten Beschaffungsprozessen im Contracting- und Fernwärmemarkt führen. Dies wird den Wettbewerb beleben und ist damit eine positive Entwicklung für die Innovationskraft, Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Verbraucherschutz in der Immobilienwärmebranche.

 

Was tun?

Zwar bleibt noch abzuwarten, ob die Rechtsprechung des BGH das OLG Brandenburg bestätigen wird. Aufgrund der langfristigen, sich aufsummierenden Risiken wird aber bis dahin wohl bereits jetzt die Durchführung von privaten Ausschreibungen eine zwingende Voraussetzung der Contractingversorgung und ähnlicher nebenkostenrelevanter Dienstleistungen. Da es sich hierbei für Immobilienunternehmen und kommunale oder sonstige hoheitliche Immobilienbetreiber angesichts der langen Vertragslaufzeiten von gewerblichen Wärmelieferverträgen um relativ seltene Geschäftsvorfälle in einer rechtlich und wirtschaftlich hochkomplexen Spezialmaterie handelt, lassen sich derartige Ausschreibungen in der Regel nur durch Einbindung entsprechend spezialisierter Berater effizient und rechtssicher umsetzen. Rödl & Partner berät hierbei Immobilienunternehmen und Kommunen laufend bei der Gestaltung von Wärmecontracting-Verträgen und hat in den letzten Jahren für Mandanten eine Vielzahl von strukturierten (privaten wie öffentlichen) Ausschreibungen zur Vergabe von Wärmecontracting-, Wärmebereitstellungs-, Mieterstrom- und Direktvermarktungsverträgen durchgeführt.

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