Zollerleichterungen und Eigenverwaltung – (K)ein Widerspruch?!

PrintMailRate-it

1. Ausgangssituation

Mit Bescheid vom 28.06.2007 bewilligte die Zollverwaltung unserer Mandantin das vereinfachte Verfahren DE/2600/ ZA/0025(IT) und das Zertifikat „Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter (AEO)” Nr. DE AEOF 106349. Für die Mandantin waren die Bewilligungen von hoher Wichtigkeit, da ein „Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter” einen besonderen zollrechtlichen Status besitzt. Er gilt als besonders zuverlässig und vertrauenswürdig und kann dafür besondere Vergünstigungen im Rahmen der Zollabfertigung in Anspruch nehmen. So müssen bei Inhabern eines AEO­-Zertifikats für bestimmte zollrechtliche Vereinfachungen (z.B. vereinfachtes Anmeldeverfahren, Anschreibeverfahren, zugelassener Empfänger bzw. Versender) die mit den AEO-Bewilligungskriterien übereinstimmenden Bedingungen nicht erneut geprüft werden, da diese bereits bei der Erteilung des AEO­-Zertifikats geprüft wurden. Das Bewilligungsverfahren wird somit beschleunigt und erleichtert für europaweit tätige Unternehmen die Bewilligungserteilung in anderen Mitgliedstaaten, da das AEO-­Zertifikat in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft anerkannt wird.


Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung zweifelte die Zollverwaltung zunächst an dem Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen und beabsichtigte das vereinfachte Verfahren sowie das Zertifikat mit dem Ziel des anschließenden Widerrufs zunächst auszusetzen. Nach Auffassung der Zollverwaltung lagen die  Bewilligungsvoraussetzungen nicht mehr vor, weil ausweislich des Insolvenzeröffnungsgutachtens Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung als Insolvenzgründe festgestellt worden seien.

 

2. Lösung

Wir konnten in enger Abstimmung mit der Zollverwaltung erreichen, dass die Zollerleichterungen erhalten bleiben. Zum Zwecke der Zollkodex Durchführungsverordnung ist als Zahlungsfähigkeit eine gesicherte finanzielle Lage definiert, die es dem Antragsteller unter gebührender Berücksichtigung der Merkmale der Art der Geschäftstätigkeit ermöglicht, die übernommenen (künftigen) (Zoll-)Verpflichtungen zu erfüllen. Dies konnten wir aufgrund des eingeleiteten Eigenverwaltungsverfahrens unter der Aufsicht eines Sachwalters belegen. Insbesondere haben die konkret implementierten Kontrollsysteme wie Gläubigerausschuss, Kassenprüfer und Sanierungsgeschäftsführer (CRO) dazu beigetragen, dass auch die Zollverwaltung das Vertrauen in das Verfahren und die Beteiligten nicht verloren hat. Gleiches galt für die Beteiligung des Sachwalters als maßgebliches Mittel der innerbetrieblichen Kontrolle. Dessen Anstrengungen für die unbedingte Sanierung des Unternehmens waren ferner als Indiz für die nach den Zollvorschriften erforderliche bestehende Zahlungsfähigkeit gewertet worden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass der Zahlungsunfähigkeitsbegriff i.S.d. Zollvorschriften von dem der Insolvenzordnung (§ 17 InsO) abweicht.

 

3. Fazit

Das Verfahren zeigt deutlich, dass eine professionelle Vorbereitung und ein professioneller und vor allem maßvoller Umgang mit den Instrumenten der Eigenverwaltung dazu führen kann, dass auch die beteiligten Behörden das Vertrauen in das schuldnerische Unternehmen nicht verlieren. Die Intention des Gesetzgebers mit der Einführung des ESUG (Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) war u.a. die Verbesserung der Sanierungsoptionen durch eine Erweiterung der Möglichkeiten im Rahmen der Eigenverwaltung. Dem Sanierungsgedanken – und dem Willen des Gesetzgebers – würde es zuwiderlaufen, wenn über die Vorschriften des Zollkodex das vereinfachte Verfahren oder das Zertifikat „Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter” für sanierungsbedürftige und sanierungsfähige Unternehmen widerrufen würden. Dies erscheint vor dem Hintergrund der beabsichtigten Verbesserung der Sanierungskultur in Deutschland kontraproduktiv, sodass dies im Rahmen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens berücksichtigt werden muss und bei der professionell agierenden Zollverwaltung auch berücksichtigt wird.

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

Partner

+49 911 9193 3713

Anfrage senden

Profil

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu