Jahressteuergesetz 2024 – Ein Entwurf mit Folgen für juristische Personen des öffentlichen Rechts

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​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 17. Mai 2024


Der Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes (JStG) 2024 sieht weitreichende Auswirkungen auf die steuerliche Landschaft vor. Er markiert den Beginn des Gesetzgebungsverfahrens. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) sind insbesondere die erneute Verlängerung der Übergangsfrist des § 2b UStG sowie die geplante Überarbeitung der Steuerbefreiungen für Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG) und für sportliche Veranstaltungen (§ 4 Nr. 22 UStG) von Praxisrelevanz. 

I. Verlängerung der Übergangsfrist von § 2b UStG

Die Neuregelung des umsatzsteuerlichen Unternehmerbegriffs für jPdöR trat am 1. Januar 2016 in Kraft, mit einer ursprünglichen Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2021. Aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg wurde die Frist um vier Jahre bis zum 1. Januar 2025 verlängert.

Der aktuelle Entwurf des JStG 2024 sieht vor, diese Übergangsfrist erneut zu verlängern, dieses Mal bis zum 1. Januar 2027. Nach der Gesetzesbegründung seien die jPdöR aufgrund der neuen Umsatzsteuerrechtslage weiterhin mit erheblichen administrativen und finanziellen Herausforderungen sowie grundlegenden Rechtsanwendungsfragen konfrontiert, was nach wie vor zu großer Verunsicherung führt. Die erneute Verlängerung soll sicherstellen, dass die Umstellung auf die neuen umsatzsteuerlichen Regelungen besser bewältigt werden kann, ohne den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen.

Praktische Auswirkungen und Umsetzungshinweise

Die nochmalige Verlängerung der Übergangsfrist würde den betroffenen Körperschaften einen erneuten Zeitaufschub verschaffen, um steuerrechtliche Leistungsbeziehungen zu bewerten sowie technische und organisatorische Prozesse „2b-konform” anzupassen. Als weitere Vorteile einer etwaigen Verlängerung sind vor allem die potenziellen wirtschaftlichen Vorteile unter der alten Rechtslage (zum Beispiel im Rahmen von Beistandsleistungen oder bei Personalgestellungen in Umstrukturierungsfällen) sowie die Möglichkeit, Gemeindeleistungen gegenüber den Bürgern preisstabil (im umsatzsteuerlichen Kontext) anbieten zu können, zu nennen. Dagegen kann die Verlängerung jedoch auch mit negativen Aspekten – wie einer sinkenden Glaubwürdigkeit des Umstellungsprozesses, einer kosten- und zeitintensiven Rückabwicklung von bereits vollzogenen technischen Umstellungen bzw. von Vertragsgestaltungen oder potenziellem Verlust von Vorsteuerabzugsvolumen – einhergehen.

Die Entscheidung, das Wahlrecht bezüglich der Umsatzsteuerrechtslage auszuüben, erfordert eine gründliche Analyse sowohl der wirtschaftlichen als auch der organisatorischen Aspekte. Sofern die jPdöR weiterhin die alte Rechtslage gem. § 2 Abs. 3 UStG a.F. anwenden möchte, besteht kein aktiver Handlungsbedarf gegenüber der Finanzverwaltung – die ursprünglich erklärte Option zur Übergangsfrist wirkt fort. Gleichwohl sind entsprechende Beschlusslagen zu prüfen. Sofern die jPdöR das Wahlrecht zugunsten der neuen Rechtslage gem. § 2b UStG ausüben möchte, ist ein aktives Zutun im Sinne des Widerrufs der Option erforderlich. Sofern das Wahlrecht einmal zugunsten des § 2b UStG ausgeübt wird, kann die jPdöR nicht mehr in das alte Umsatzsteuerrecht zurück wechseln. Abzuwarten bleibt jedoch, ob die Verlängerung der § 2b UStG-Übergangsfrist tatsächlich final verabschiedet wird – der aktuelle Referentenentwurf des JStG 2024 markiert lediglich den Beginn des Gesetzgebungsprozesses.

II. § 4 Nr. 21 UStG-E: Neue Fassung im Kontext der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Der Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes (JStG) 2024 bringt eine wesentliche Überarbeitung des § 4 Nr. 21 UStG-E mit sich, die die Besteuerung von Bildungsleistungen betrifft. Zweck dieser Neufassung ist es, die Regelungen an den Vorgaben der MwStSystRL zu Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i und j anzupassen. Die beabsichtigte Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG-E zielt darauf ab, Bildungsleistungen unabhängig von der Trägerschaft der Einrichtungen steuerlich zu begünstigen und den bürokratischen Aufwand zu reduzieren, indem das Bescheinigungsverfahren durch Landesbehörden abgeschafft wird. Dies soll die Rechtssicherheit erhöhen und die Kosten für betroffene Einrichtungen, Behörden und Gerichte senken.

Begünstigte Einrichtungen des neuen § 4 Nr. 21 UStG-E

Gemäß § 4 Nr. 21 UStG-E sind öffentliche Einrichtungen, wie staatliche Schulen und Hochschulen sowie anerkannte nicht-öffentliche Bildungseinrichtungen von der steuerlichen Begünstigung für Bildungsleistungen umfasst. Letztere müssen Bildungsaufgaben wahrnehmen und von den Mitgliedstaaten anerkannt sein, vergleichbare Bildungsziele zu verfolgen. Dazu zählen unter anderem anerkannte Ersatzschulen, Ergänzungsschulen, Hochschulen nach Landesrecht sowie Fernlehrinstitute und andere Aus- und Fortbildungseinrichtungen.

Zusätzlich fallen selbstständige Lehrer, die als freie Mitarbeiter Unterricht an Schulen, Hochschulen oder anderen Bildungseinrichtungen geben, ebenfalls unter die steuerliche Begünstigung gemäß § 4 Nr. 21 UStG-E. Selbstständige Lehrer werden dabei unter lit. a) der Steuerbefreiung erfasst und abgegrenzt von Privatlehrern, die gemäß lit. b) befreit sind. Ein Privatlehrer im Sinne der MwStSystRL und des nationalen Gesetzes ist eine natürliche Person, die Unterricht in eigener Person, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung anbietet. Im Unterschied zu Privatlehrern umfasst die Steuerbefreiung für selbstständige Lehrer nicht nur die Erteilung von Schul- und Hochschulunterricht, sondern auch Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung.

Begünstigte Leistungen des neuen § 4 Nr. 21 UStG-E

Gemäß § 4 Nr. 21 UStG-E sind neben dem Schul- und Hochschulunterricht auch Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung von der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen umfasst. Der Schul- und Hochschulunterricht beinhaltet die systematische Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten über ein breites Themenspektrum, sowohl praktisch als auch theoretisch. Diese Steuerbefreiung gilt auch für Nachhilfeleistungen, die darauf abzielen, bereits erlernte Kenntnisse zu vertiefen.

Ausbildungsleistungen sind Schulungsmaßnahmen, die den Erwerb neuer beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten ermöglichen. Sie können öffentlich-rechtlich geregelt sein, um auf einen bestimmten Beruf vorzubereiten. Fortbildungsleistungen zielen darauf ab, die Handlungsfähigkeit in einem Beruf zu erhalten, anzupassen oder zu erweitern. Fortbildung ist nur steuerbefreit, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben.

Des Weiteren sollen eng mit der Bildung verbundene Leistungen von der Steuerbefreiung umfasst sein. Diese beziehen sich auf Lieferungen und Dienstleistungen, die als eigenständige Leistungen ergänzend zur eigentlichen Bildungsleistung erbracht werden und den Bildungsprozess unterstützen. Als Beispiel hierfür wird die Gestellung von Lehrpersonal durch eine Lehreinrichtung zur vorübergehenden Unterrichtserteilung an eine andere Lehranstalt genannt. Dies kann den Austausch von Lehrressourcen zwischen Bildungseinrichtungen ermöglichen.

Insgesamt umfasst die Begünstigung von Bildungsleistungen gemäß § 4 Nr. 21 UStG-E einen breiten Bereich von Schulungsmaßnahmen, die darauf abzielen, Kenntnisse und Fähigkeiten zu entwickeln, sei es im schulischen oder beruflichen Kontext.

III. § 4 Nr. 22 c) UStG-E: neue Umsatzsteuerbefreiung für den Sport

Weiterhin ist eine bedeutende Änderung im Bereich der Umsatzsteuerbefreiung für sportliche Veranstaltungen gemäß § 4 Nr. 22 UStG-E vorgesehen. Bisher war nur die Umsatzsteuerbefreiung für sportliche Veranstaltungen gegeben, deren Einnahmen ausschließlich aus Teilnahmegebühren resultierten (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG). Zukünftig sollen „alle in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehenden sonstigen Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben”, steuerfrei sein. Dies entspricht den Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) Artikel 132 Abs. 1 Buchst. m.

Die Neuregelung wird voraussichtlich weitreichende praktische Konsequenzen für die Überlassung von Sportanlagen durch öffentlich-rechtliche Einrichtungen an Sporttreibende oder Vereine haben. Aufgrund der neuen Umsatzsteuerbefreiung für sportbezogene Leistungen (die ab dem 1. Januar 2025 wirksam werden soll), hätten juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) wohl keinen Anspruch mehr auf korrespondierenden Vorsteuerabzug (z.B. auf den Bau von Turnhallen, da diese künftig nach der neuen Befreiungsnorm umsatzsteuerfrei an Vereine überlassen würden). Konsequenterweise wären auch Vorsteuerberichtigungen gemäß den Regelungen des § 15a UStG zu erwarten. Darüber hinaus könnten bereits zugesagte oder ausgezahlte Zuschüsse oder Förderungen für Sportanlagen nicht mehr nachträglich erhöht werden. Diese Einschränkungen könnten bestehende Finanzierungsmodelle beeinflussen und erfordern möglicherweise eine Überprüfung und Anpassung der Finanzierungsstruktur für Sportanlagen und -hallen.

Die im Referentenentwurf enthaltene Neuregelung wirft eine Reihe von Fragen und Unsicherheiten bei betroffenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf. Die beabsichtigte neue Regelung des § 4 Nr. 22c UStG-E erfordert nach unserem Dafürhalten eine präzisere Gesetzesformulierung und umfassende Klarstellungen im Rahmen der Gesetzesbegründung, um rechtliche Unsicherheiten zu beseitigen und die wirtschaftlichen Folgen für öffentlich-rechtliche Einrichtungen und Sportbetriebe abschätzen zu können.​

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