Jahressteuergesetz 2024 – Ein Entwurf mit Folgen für juristische Personen des öffentlichen Rechts

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 17. Mai 2024; Zuletzt aktualisiert​ am 8. Oktober 2024


Update vom 8.10.2024: Bundesrat und Bundesregierung geben Perspektiven​​​


Der Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes (JStG) 2024 sieht weitreichende Auswirkungen auf die steuerliche Landschaft vor. Er markiert den Beginn des Gesetzgebungsverfahrens. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) sind insbesondere die erneute Verlängerung der Übergangsfrist des § 2b UStG sowie die geplante Überarbeitung der Steuerbefreiungen für Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG) und für sportliche Veranstaltungen (§ 4 Nr. 22 UStG) von Praxisrelevanz.


I. Verlängerung der Übergangsfrist von § 2b UStG

Die Neuregelung des umsatzsteuerlichen Unternehmerbegriffs für jPdöR trat am 1. Januar 2016 in Kraft, mit einer ursprünglichen Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2021. Aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg wurde die Frist um vier Jahre bis zum 1. Januar 2025 verlängert.

Der aktuelle Entwurf des JStG 2024 sieht vor, diese Übergangsfrist erneut zu verlängern, dieses Mal bis zum 1. Januar 2027. Nach der Gesetzesbegründung seien die jPdöR aufgrund der neuen Umsatzsteuerrechtslage weiterhin mit erheblichen administrativen und finanziellen Herausforderungen sowie grundlegenden Rechtsanwendungsfragen konfrontiert, was nach wie vor zu großer Verunsicherung führt. Die erneute Verlängerung soll sicherstellen, dass die Umstellung auf die neuen umsatzsteuerlichen Regelungen besser bewältigt werden kann, ohne den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen.

Update: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine erneute Verlängerung der Anwendung von § 2b UStG verabschiedet wird steigt. Der Bundesrat bat in seiner Stellungnahme zum JStG 2024 erneut Kontakt mit der Europäischen Kommission aufzunehmen, um auszuschließen, dass eine weitere Verlängerung im Nachhinein mit womöglich weitreichenden Auswirkungen für die Betroffenen beanstandet wird. Die Bundesregierung hat hierzu am 02.10.2024 lediglich mitgeteilt, dass sie sich insbesondere zu Fragen des europäischen Mehrwertsteuerrechts und der Unionsrechtskonformität des UStG in einem ständigen Austausch mit der Europäischen Kommission befindet. Es ist nicht zu erkennen, dass die Europäische Kommission eine Verlängerung der Übergangsregelung zum Anlass nehmen würde, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.​


Praktische Auswirkungen und Umsetzungshinweise

Die nochmalige Verlängerung der Übergangsfrist würde den betroffenen Körperschaften einen erneuten Zeitaufschub verschaffen, um steuerrechtliche Leistungsbeziehungen zu bewerten sowie technische und organisatorische Prozesse „2b-konform” anzupassen. Als weitere Vorteile einer etwaigen Verlängerung sind vor allem die potenziellen wirtschaftlichen Vorteile unter der alten Rechtslage (zum Beispiel im Rahmen von Beistandsleistungen oder bei Personalgestellungen in Umstrukturierungsfällen) sowie die Möglichkeit, Gemeindeleistungen gegenüber den Bürgern preisstabil (im umsatzsteuerlichen Kontext) anbieten zu können, zu nennen. Dagegen kann die Verlängerung jedoch auch mit negativen Aspekten – wie einer sinkenden Glaubwürdigkeit des Umstellungsprozesses, einer kosten- und zeitintensiven Rückabwicklung von bereits vollzogenen technischen Umstellungen bzw. von Vertragsgestaltungen oder potenziellem Verlust von Vorsteuerabzugsvolumen – einhergehen.
 
Die Entscheidung, das Wahlrecht bezüglich der Umsatzsteuerrechtslage auszuüben, erfordert eine gründliche Analyse sowohl der wirtschaftlichen als auch der organisatorischen Aspekte. Sofern die jPdöR weiterhin die alte Rechtslage gem. § 2 Abs. 3 UStG a.F. anwenden möchte, besteht kein aktiver Handlungsbedarf gegenüber der Finanzverwaltung – die ursprünglich erklärte Option zur Übergangsfrist wirkt fort. Gleichwohl sind entsprechende Beschlusslagen zu prüfen. Sofern die jPdöR das Wahlrecht zugunsten der neuen Rechtslage gem. § 2b UStG ausüben möchte, ist ein aktives Zutun im Sinne des Widerrufs der Option erforderlich. Sofern das Wahlrecht einmal zugunsten des § 2b UStG ausgeübt wird, kann die jPdöR nicht mehr in das alte Umsatzsteuerrecht zurück wechseln. Abzuwarten bleibt jedoch, ob die Verlängerung der § 2b UStG-Übergangsfrist tatsächlich final verabschiedet wird – der aktuelle Referentenentwurf des JStG 2024 markiert lediglich den Beginn des Gesetzgebungsprozesses.
 

II. § 4 Nr. 21 UStG-E: Neue Fassung im Kontext der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Der Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes (JStG) 2024 bringt eine wesentliche Überarbeitung des § 4 Nr. 21 UStG-E mit sich, die die Besteuerung von Bildungsleistungen betrifft. Zweck dieser Neufassung ist es, die Regelungen an den Vorgaben der MwStSystRL zu Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i und j anzupassen. Die beabsichtigte Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG-E zielt darauf ab, Bildungsleistungen unabhängig von der Trägerschaft der Einrichtungen steuerlich zu begünstigen und den bürokratischen Aufwand zu reduzieren, indem das Bescheinigungsverfahren durch Landesbehörden abgeschafft wird. Dies soll die Rechtssicherheit erhöhen und die Kosten für betroffene Einrichtungen, Behörden und Gerichte senken.
 

Begünstigte Einrichtungen des neuen § 4 Nr. 21 UStG-E

Gemäß § 4 Nr. 21 UStG-E sind öffentliche Einrichtungen, wie staatliche Schulen und Hochschulen sowie anerkannte nicht-öffentliche Bildungseinrichtungen von der steuerlichen Begünstigung für Bildungsleistungen umfasst. Letztere müssen Bildungsaufgaben wahrnehmen und von den Mitgliedstaaten anerkannt sein, vergleichbare Bildungsziele zu verfolgen. Dazu zählen unter anderem anerkannte Ersatzschulen, Ergänzungsschulen, Hochschulen nach Landesrecht sowie Fernlehrinstitute und andere Aus- und Fortbildungseinrichtungen.
 
Zusätzlich fallen selbstständige Lehrer, die als freie Mitarbeiter Unterricht an Schulen, Hochschulen oder anderen Bildungseinrichtungen geben, ebenfalls unter die steuerliche Begünstigung gemäß § 4 Nr. 21 UStG-E. Selbstständige Lehrer werden dabei unter lit. a) der Steuerbefreiung erfasst und abgegrenzt von Privatlehrern, die gemäß lit. b) befreit sind. Ein Privatlehrer im Sinne der MwStSystRL und des nationalen Gesetzes ist eine natürliche Person, die Unterricht in eigener Person, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung anbietet. Im Unterschied zu Privatlehrern umfasst die Steuerbefreiung für selbstständige Lehrer nicht nur die Erteilung von Schul- und Hochschulunterricht, sondern auch Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung.
 

Begünstigte Leistungen des neuen § 4 Nr. 21 UStG-E

Gemäß § 4 Nr. 21 UStG-E sind neben dem Schul- und Hochschulunterricht auch Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung von der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen umfasst. Der Schul- und Hochschulunterricht beinhaltet die systematische Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten über ein breites Themenspektrum, sowohl praktisch als auch theoretisch. Diese Steuerbefreiung gilt auch für Nachhilfeleistungen, die darauf abzielen, bereits erlernte Kenntnisse zu vertiefen.
 
Ausbildungsleistungen sind Schulungsmaßnahmen, die den Erwerb neuer beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten ermöglichen. Sie können öffentlich-rechtlich geregelt sein, um auf einen bestimmten Beruf vorzubereiten. Fortbildungsleistungen zielen darauf ab, die Handlungsfähigkeit in einem Beruf zu erhalten, anzupassen oder zu erweitern. Fortbildung ist nur steuerbefreit, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben.
 
Des Weiteren sollen eng mit der Bildung verbundene Leistungen von der Steuerbefreiung umfasst sein. Diese beziehen sich auf Lieferungen und Dienstleistungen, die als eigenständige Leistungen ergänzend zur eigentlichen Bildungsleistung erbracht werden und den Bildungsprozess unterstützen. Als Beispiel hierfür wird die Gestellung von Lehrpersonal durch eine Lehreinrichtung zur vorübergehenden Unterrichtserteilung an eine andere Lehranstalt genannt. Dies kann den Austausch von Lehrressourcen zwischen Bildungseinrichtungen ermöglichen.
 
Insgesamt umfasst die Begünstigung von Bildungsleistungen gemäß § 4 Nr. 21 UStG-E einen breiten Bereich von Schulungsmaßnahmen, die darauf abzielen, Kenntnisse und Fähigkeiten zu entwickeln, sei es im schulischen oder beruflichen Kontext.

Update: Mit der Neufassung des § 4 Nummer 21 UStG soll die Steuerbefreiung für Schul- und Hochschulunterricht, für Aus- und Fortbildung sowie für berufliche Umschulung und damit eng verbundener Leistungen an die Vorgaben der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie angepasst werden.

Entsprechend der vorgesehenen Änderung in § 4 Nummer 21 Buchstabe a Satz 2 UStG sollen private Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht, die Fortbildungsleistungen erbringen, von der Steuerbefreiung ausgeschlossen werden. Das könnte zur Folge haben, dass selbständige Lehrer Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht für Leistungen im Rahmen der Fortbildung künftig Rechnungen mit 19 Prozent Umsatzsteuer stellen müssen, die diese Einrichtungen jedoch nicht als Vorsteuer geltend machen können, da sie selbst steuerfreie Leistungen ausführen. Infolgedessen steigen die Kosten für die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen, was dem Ziel einer Bekämpfung des Fachkräftemangels entgegenwirkt. Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren daher zu prüfen, inwieweit über die Definition der „anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung” im Sinne des § 4 Nummer 21 Satz 1 UStG sichergestellt werden kann, dass Bildungsleistungen möglichst nicht durch die Umsatzsteuer verteuert werden.
Die Bundesregierung wird der Bitte um Prüfung nachkommen.

Die beabsichtigte Neufassung führt bei Unternehmerinnen und Unternehmern, die in diesem Bereich tätig sind, zu erheblicher Verunsicherung, ob die bisher steuerfreien Leistungen auch mit der Neufassung des § 4 Nummer 21 UStG steuerfrei bleiben. Das betrifft etwa die zahlreichen Musikschulen, selbständigen Musiklehrerinnen und -lehrer sowie Musikvereine in Deutschland. Im Sinne der betroffenen Unternehmen hält der Bundesrat eine Klarstellung für zwingend erforderlich, dass Musikunterricht (Instrumental- und Vokalunterricht) für Kinder und Erwachsene auch weiterhin steuerfrei ist. Der Bundesrat spricht sich daher dafür aus, dass die Bundesregierung die Neufassung der Steuerbefreiung mit einem umfassenden BMF-Einführungsschreiben begleitet, in dem herausgestellt wird, dass im Rahmen der verbindlichen europarechtlichen Vorgaben Bildungsleistungen im Allgemeinen und das musikalische Angebot im Speziellen auch weiterhin unverändert umsatzsteuerlich begünstigt sind.

Die Bundesregierung stellt ein begleitendes BMF-Schreiben in Aussicht. 


 

III. § 4 Nr. 22 c) UStG-E: neue Umsatzsteuerbefreiung für den Sport

Weiterhin ist eine bedeutende Änderung im Bereich der Umsatzsteuerbefreiung für sportliche Veranstaltungen gemäß § 4 Nr. 22 UStG-E vorgesehen. Bisher war nur die Umsatzsteuerbefreiung für sportliche Veranstaltungen gegeben, deren Einnahmen ausschließlich aus Teilnahmegebühren resultierten (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG). Zukünftig sollen „alle in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehenden sonstigen Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben”, steuerfrei sein. Dies entspricht den Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) Artikel 132 Abs. 1 Buchst. m.
 
Die Neuregelung wird voraussichtlich weitreichende praktische Konsequenzen für die Überlassung von Sportanlagen durch öffentlich-rechtliche Einrichtungen an Sporttreibende oder Vereine haben. Aufgrund der neuen Umsatzsteuerbefreiung für sportbezogene Leistungen (die ab dem 1. Januar 2025 wirksam werden soll), hätten juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) wohl keinen Anspruch mehr auf korrespondierenden Vorsteuerabzug (z.B. auf den Bau von Turnhallen, da diese künftig nach der neuen Befreiungsnorm umsatzsteuerfrei an Vereine überlassen würden). Konsequenterweise wären auch Vorsteuerberichtigungen gemäß den Regelungen des § 15a UStG zu erwarten. Darüber hinaus könnten bereits zugesagte oder ausgezahlte Zuschüsse oder Förderungen für Sportanlagen nicht mehr nachträglich erhöht werden. Diese Einschränkungen könnten bestehende Finanzierungsmodelle beeinflussen und erfordern möglicherweise eine Überprüfung und Anpassung der Finanzierungsstruktur für Sportanlagen und -hallen.
 
Die im Referentenentwurf enthaltene Neuregelung wirft eine Reihe von Fragen und Unsicherheiten bei betroffenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf. Die beabsichtigte neue Regelung des § 4 Nr. 22c UStG-E erfordert nach unserem Dafürhalten eine präzisere Gesetzesformulierung und umfassende Klarstellungen im Rahmen der Gesetzesbegründung, um rechtliche Unsicherheiten zu beseitigen und die wirtschaftlichen Folgen für öffentlich-rechtliche Einrichtungen und Sportbetriebe abschätzen zu können.​

Update: Der Bundesrat stellt fest, dass in vielen Kommunen Verunsicherung herrscht, ob und inwieweit die vorgesehene Neufassung des § 4 Nummer 22 UStG Sporteinrichtungen der öffentlichen Hand betreffen könnte. Befürchtet wird, dass wenn Sporteinrichtungen der öffentlichen Hand pauschal als „Einrichtungen ohne Gewinnstreben” im Sinne des neuen § 4 Nummer 22 Buchstabe c UStG angesehen würden, dies nicht nur die Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen dieser Einrichtungen zur Folge hätte, sondern damit korrespondierend auch den Wegfall des Vorsteuerabzugs. Letzteres würde die Finanzierung kommunaler Investitionsvorhaben in Sporteinrichtungen erheblich erschweren – in einer Zeit, in der die Finanzlage vieler Kommunen in Deutschland Vorabfassung – wird durch die lektorierte Fassung ersetzt sehr angespannt ist und gleichzeitig der Investitionsbedarf in Einrichtungen wie kommunale Schwimmbäder und andere Sportstätten stark ansteigt.

Vor diesem Hintergrund, der auch bereits frühzeitig von Rödl & Partner erkannt wurde, stimmt die Bundesregierung einem Zurückstellen der Neuregelung und einer eingehenden fachlichen Prüfung zu.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Änderung unterbleibt. Fraglich ist mit welchem materiellen Inhalt, wann sie kommt und welche Übergangsregelungen die kommunale Welt dann erwarten. ​


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