OLG Düsseldorf: Kein beihilferechtlicher Rückforderungsanspruch der Behörde, wenn Ausgleich dem objektiven Wert der Verkehrsleistung entspricht

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​​​veröffentlicht am 2. Oktober 2024

  

Mit Urteil vom 03.07.2024 (Az. 18 U 63/23) hat das OLG Düsseldorf eine Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, wonach ein Anspruch der klagenden Aufgabenträger auf Rückzahlung von Ausgleichsleistungen gegenüber einem Verkehrsunternehmen abgelehnt wurde. Die Aufgabenträger hatten sich darauf berufen, dass die Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet wurden, weil sich der im Wege einer Notmaßnahme direktvergebene Verkehrsvertrag (öDA) aufgrund einer Entscheidung des zuständigen Vergabesenats als unwirksam erwiesen hatte. Das Gericht stellte jedoch fest, dass diesem Rückzahlungsanspruch ein Anspruch des Verkehrsunternehmens aus Wertersatz für die tatsächlich erbrachten Leistungen in gleicher Höhe entgegensteht.

Kläger vergaben Verkehrsleistungen Ende des Jahres 2014 Beklagte im Wege einer Notvergabe. Der Vertrag enthielt eine Klausel, wonach die Aufgabenträger sich dazu verpflichteten, der Beklagten – zusätzlich zu den von ihr vereinnahmten Beförderungsentgelten – pro Fahrplanjahr Ausgleichszahlungen in Höhe von knapp 1,5 Mio. Euro zu zahlen. Hinsichtlich dieser Notvergabe strengte ein weiterer Marktteilnehmer ein Nachprüfungsverfahren an, woraufhin die Unwirksamkeit des zwischen den Parteien geschlossenen, öffentlichen Dienstleistungsauftrags festgestellt wurde. Im Dezember 2015 stellte das beklagte Verkehrsunternehmen daraufhin eigenwirtschaftliche Liniengenehmigungsanträge, die ihr bis Ende 2026 genehmigt wurden.

Die Aufgabenträger klagten in der Folge auf Rückzahlung der geleisteten Ausgleichszahlung für das Jahr 2015. Sie waren insbesondere der Ansicht, dass die durch die Beklagte im Jahr 2015 erzielten Einnahmen auch unter Außerachtlassung der Ausgleichszahlung bereits dem Wert der von ihr brachten Leistungen vollständig entsprachen, sodass ein Gegenanspruch der Beklagten auf Wertersatz der Höhe nach nicht bestehe.

Das OLG Düsseldorf sah demgegenüber die geleisteten Ausgleichzahlungen als vom Wertersatzanspruch der Beklagten umfasst an. Bei der Ermittlung dieses Wertersatzanspruchs stützt sich das Urteil maßgeblich auf ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten. Dieses Gutachten stützte sich maßgeblich auf die Kosten, die für die Leistungserbringung entstanden seien. Hierfür wurde auf eine Trennungsrechnung zurückgegriffen, die im Rahmen einer Überkompensationsprüfung für das betroffene Jahr erstellt worden war. Zudem wurden diese Kosten durch Vergleich mit den durchschnittlichen Kosten pro Nutzwagenwagenkilometer im ÖPNV in Nordrhein-Westfalen plausibilisiert. Auf dieser Grundlage wurden ein rechnerischer Kostenwert ermittelt, der sogar über der Summe der tatsächlich erzielten Einnahmen und Ausgleichsleistungen liegt.

Das OLG wies darauf hin, dass die zur Erbringung einer Leistung aufgewandten Kosten grundsätzlich nicht deren objektiven Marktwert repräsentieren. Allerdings handele es sich vorliegend um einen durch das Vergabeverfahren künstlich erzeugten, besonderen Markt, auf dem sich ein Marktpreis kaum bilden kann bzw. ein solcher kaum zu recherchieren ist. Eine Betrachtung derjenigen Kosten, die üblicherweise oder im Durchschnitt einer repräsentativen Gruppe von Leistungserbringern für die Erbringung dieser Leistung anfielen, könne daher aus Sicht des Gerichts jedoch gleichwohl als grobe Richtschnur für den Preis und damit auch den Marktwert der Leistung gelten, der üblicherweise von den nach Gewinn strebenden Leistungserbringern aufgerufen wird.

Bewertung für die Praxis

​Die rechtliche Überlegung, die der Entscheidung des OLG Düsseldorf zugrunde liegt, leuchtet ohne Weiteres ein: Erweist sich ein Vertrag im Nachhinein als unwirksam, so soll den Vertragsparteien dadurch, dass sie auf die Wirksamkeit des Vertrages vertraut haben, kein Nachteil entstehen. Übertragen auf einen Vertrag, durch welchen sich eine Partei zur Erbringung einer Leistung verpflichtet hat, bedeutet dies, dass der Leistungserbringer zumindest den Teil der Vergütung behalten darf, der dem Wert der tatsächlich erbrachten Leistung entspricht.

Die Ermittlung dieses Wertes stellt im ÖPNV jedoch eine besondere Herausforderung dar, da es keine allgemeingültigen Preise gibt und sich die Kosten aufgrund der örtlichen Begebenheiten notwendigerweise unterscheiden. Der Rückgriff des Gerichts auf NRW-weite Durchschnittskosten erscheint in diesem Zusammenhang jedenfalls als sehr grober Maßstab für den tatsächlichen Wert der erbrachten Leistung. Die Entscheidung führt daher vor Augen, dass aufgrund der erheblichen Schwierigkeiten bei der objektiven Wertermittlung dem richterlichen Ermessen eine maßgebliche Bedeutung zukommt.

Im konkreten Fall mag es zudem durchaus nachvollziehbar sein, dass die Aufgabenträger ihre aufgrund des Verkehrsvertrages geleisteten Ausgleichszahlungen für überhöht ansahen, wenn sich das Verkehrsunternehmen im Stande sah, dieselben Linien auch eigenwirtschaftlich zu betreiben. Die Entscheidung sollte anderen Aufgabenträgern aus diesem Grund zusätzlich als Mahnung dienen, gerade bei Direktvergaben sorgfältig die vertragliche Ausgestaltung der Vergütung zu prüfen, da anders als bei einem wettbewerblichen Verfahren hinsichtlich der Preisbildung nicht auf Marktmechanismen zurückgegriffen werden kann. 

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Nicklas Schäfer (geb. van Ingen)

Rechtsanwalt

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