Neuer Gesetzentwurf: Mobilitätspass als innovativer Weg zur ÖPNV-Finanzierung in Baden-Württemberg

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​​​​veröffentlicht am 07. August 2024

Das Land Baden-Württemberg hat einen Gesetzentwurf für ein Landesmobilitätsgesetz vorgelegt. Dabei hat sich das Bundesland insbesondere in Sachen ÖPNV-Finanzierung vorgewagt. Der Entwurf enthält ein neues Finanzierungsinstrument – den Mobilitätspass.
 
Um die Verkehrswende zu meistern,​ sind erhebliche Ausweitungen des Angebots erforderlich. Diese können weder aus den Fahrgelderlösen noch aus vorhandenen öffentlichen Mitteln finanziert werden. Hier setzt das Landesgesetz mit der sog. Drittnutzerfinanzierung an. Das Gesetz ermöglicht Kommunen erstmals die Einführung solcher Drittnutzermodelle. Ziel ist es, Personen und/oder Unternehmen in die ÖPNV-Finanzierung einzubeziehen, denen aus dem ÖPNV ein mittelbarer Nutzen entsteht. Zu nennen ist beispielsweise die Arbeitgeberabgabe, die Unternehmen entrichten müssen, welche gut an das ÖPNV-Angebot angebunden sind, da eine gute Anbindung die zwingende Notwendigkeit von Kunden- und/ oder Mitarbeiterparkplätzen verringert. Ein anderes Beispiel ist die City-Maut, bei der Autofahrer:innen ein Entgelt für die Einfahrt in die Innenstadtzone entrichten. Die Autofahrer:innen profitieren bei einem guten ÖPNV-Angebot von einer geringeren Auslastung der Straßen.
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An einem solchen Ansatz der Drittnutzerfinanzierung setzt der Entwurf des Landesmobilitätsgesetzes Baden-Württemberg auf, indem der sog. Mobilitätspass eingeführt wird. Hierbei handelt es sich um eine ÖPNV-Abgabe, bei der eine Zahlung in ein Mobilitätsguthaben umgewandelt wird. Für Privatpersonen können mit dem Mobilitätsguthaben ÖPNV-Zeitkarten erworben werden, Unternehmen können das Guthaben in Jobtickets umwandeln.
 
Die Einführung des Mobilitätspasses steht in Baden-Württemberg nur jenen Kommunen offen, die eine nach dem Gesetz definierte ausreichende Versorgung des ÖPNV aufweisen; dieser muss eine echte Alternative zum privaten Pkw darstellen. Dabei ermöglicht das Landesmobilitätsgesetz die Landkreise und Kommunen, zwei verschiedene Personenkreise zu verpflichten: Die ÖPNV-Abgabe kann alternativ von den Einwohner:innen oder Kfz-Halter:innen erhoben werden. Bisherige ÖPNV-Nutzer:innen sollen also zukünftig ihre Fahrkarte über den Mobilitätspass beziehen.
 
Das Landesmobilitätsgesetz ermöglicht den Kommunen hinsichtlich der konkreten Höhe der ÖPNV-Abgabe Entscheidungsspielraum. Sie können auch Staffelungen aufgrund von emissionsarmen Fahrzeugen oder wirtschaftlicher Härte (sozialer Aspekt) vornehmen.
 
Der Entwurf steht zur Stellungnahme zur Verfügung, bevor er beraten und ggf. angepasst erlassen wird.
 

Bewertung für die Praxis

Die derzeitigen Finanzierungssäulen des ÖPNV genügen nicht für eine Angebotserweiterung. Mit dem Entwurf des Landesmobilitätsgesetzes wagt Baden-Württemberg einen ersten Vorstoß in die Einbindung auch solcher Personen, die keine Fahrscheine erwerben, aber indirekt von der Inanspruchnahme des ÖPNV durch andere Personen profitieren. Die Hoffnung dabei ist, dass nicht das komplette Mobilitätsbudget des Passes „abgefahren” wird, sondern Einnahmen ohne konkrete Gegenleistung an die Kommune zurückfallen. Nur mit diesen Geldern kann tatsächlich eine Verbesserung des ÖPNV erreicht werden.
 
Hervorzuheben ist, dass der Entwurf ermöglicht zwei verschiedene Personengruppen zu verpflichten. Dies kann zugunsten der politischen Couleur genutzt werden, um ähnliche Ergebnisse zu erzielen. Da die Erhebung der ÖPNV-Abgabe jedoch vom Wohnsitz der Einwohner:innen oder der Kfz-Halter:innen abhängig ist, werden Pendler nicht erfasst. Hier müssen andere Maßnahmen (Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung etc.) herangezogen werden, um Einnahmen von allen Personengruppen zu ermöglichen, die einen Nutzen aus dem örtlichen ÖPNV-Angebot ziehen. Der Mobilitätspass ermöglicht zur ÖPNV-Fahrt vor Ort, hierdurch i​st zu befürchten, dass das gerade eingeführte Deutschlandticket an diesen Orten an Attraktivität verliert.


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Ricarda Bans

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