Referentenentwurf zu einer Straßenverkehrs-Fernlenkverordnung (StVFernLV)

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​​​​​​veröffentlicht am 12. Juni 2024

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat den Referentenentwurf einer „Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zur Erprobung von Kraftfahrzeugen mit ferngelenkter Fahrfunktion” mit dem Namen „Straßenverkehrs-Fernlenkverordnung (StVFernLV)” in die Verbändeanhörung gegeben.

Die StVFernLV soll den Einsatz ferngelenkter (teleoperierter) Fahrzeuge regeln und ermöglichen.​

Worum geht es?

Bisher gibt es deutschlandweit keinen echten autonomen Fahrbetrieb auf Niveau des SAE-Level 4 (fahrzeugführerlos innerhalb eines definierten Betriebsbereichs), obwohl die rechtlichen Rahmenbedingungen inzwischen bestehen.

Vor dem Hintergrund, dass die Möglichkeiten für den Einsatz autonomer Fahrzeuge bisher nicht ausgeschöpft werden, soll dem autonomen Fahren das ferngelenkte Fahren als Brückentechnologie an die Seite gestellt werden (so die Verordnungsbegründung). Damit soll z.B. erreicht werden, dass autonome Fahrzeuge an der Grenze ihres autonom befahrenen Betriebsbereichs ferngelenkt weiterfahren können. Auf diese Weise könnten beispielsweise zwei nebeneinanderliegende autonom zu befahrende Betriebsbereiche verbunden werden, wenn das autonome Fahrzeug (z.B. aufgrund einer komplexen Verkehrssituation oder einer Stelle mit hohem Unfallaufkommen) nicht in der Lage ist, das Verbindungsstück selbst zu bewältigen.

Was regelt die StVFernLV​?

Die StVFernLV regelt den Einsatz von Fahrzeugen mit ferngelenkter Fahrfunktion und ähnelt in ihrem Aufbau der Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung (AFGBV), die den Einsatz von Fahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion regelt.

Folgende Regelungsinhalte heben wir hervor:
  • Das Fahrzeug benötigt eine eigene Betriebserlaubnis gemäß der StVFernLV, die für jedes einzelne Fahrzeug beantragt werden muss (keine Serien-/Typgenehmigung möglich)
  • Für das Fahrzeug ist keine Rückfallebene (z.B. eine autonome Fahrfunktion) vorgeschrieben. Im Falle eines Funkabbruches und damit einhergehendem Verlust der Fernlenk-Möglichkeit durch die fernlenkende Person wird kein dem autonomen Fahren vergleichbares Sicherheitsniveau gefordert (beim autonomen Fahren muss das Fahrzeug das Verhalten seiner Umgebung wahrnehmen und antizipieren können, um darauf aufbauende, möglichst gefährdungsarme Fahrentscheidungen zu treffen), sondern lediglich verlangt, dass das Fahrzeug anhält.
  • Der Einsatz des Fahrzeuges ist auf einen Betriebsbereich beschränkt, der von einer nach Landesrecht zuständigen Behörde genehmigt werden muss. Geeignet ist ein Betriebsbereich vor allem dann, wenn dort die notwendige Funkverbindung zwischen Fahrzeug und fernlenkender Person (im Leitstand) gewährleistet ist.
  • Der Fahrzeughalter muss nach Erteilung der Betriebserlaubnis definierte Fragen im Rahmen eines Forschungsvorhabens evaluieren.
  • Die fernlenkende Person wird rechtlich als Fahrzeugführer eingeordnet. Damit einher geht die für Fahrzeugführer geltende Haftung aus § 18 StVG.
  • Die fernlenkende Person muss bereits bei der Beantragung des Betriebsbereichs benannt werden und im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beim Halter beschäftigt sein.
  • Die fernlenkende Person muss sich im Inland befinden und kann jederzeit und unaufgefordert von der zuständigen Behörde auf ihre Fahrtüchtigkeit hin überprüft werden (Alkohol- und Drogentest).
  • Der Halter muss bestimmte Daten datenschutzkonform speichern und diese bestimmten Behörden,​ z.B. dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zu definierten Zwecken (im Falle des KBA z.B. zur Marktüberwachung) zur Verfügung stellen.


Bewertung für die Praxis

Ob die StVFernLV der Hebel ist, dem autonomen Fahren den notwendigen Schub zu geben, muss sich zeigen. Auch der Inhalt der Verordnung wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit nach der Verbändeanhörung und der dort geäußerten Anmerkungen noch ändern.

So ist beispielsweise unklar, warum der Verordnungsgeber das ferngelenkte Fahren zwar ausdrücklich als Brückentechnologie für das autonome Fahren beschreibt, dies aber gleichzeitig nicht in den Normen verankert bzw. nicht beschreibt, welche Wechselwirkungen zwischen AFGBV und StVFernLV bestehen. Der für die Rechtsanwendung letztlich ausschlaggebende Normtext würde es zulassen, dass ferngelenkte Fahrzeuge im Falle eines Funkabbruchs nicht mehr ferngelenkt werden können, während gleichzeitig nicht gefordert wird, dass die Fahrzeuge über eine autonome Fahrfunktion als Rückfallebene verfügen müssen, die (auch außerhalb ihres Betriebsbereichs) zumindest eine bessere Umfeldwahrnehmung und Reaktionsmöglichkeiten haben dürfte als ein Fahrzeug ganz ohne Umfeldwahrnehmung. Die Folge wäre ein wesentlich geringeres Sicherheitsniveau als beim autonomen Fahren, wobei anzunehmen ist, dass es gesellschaftspolitisch schwer vermittelbar wäre, hier keinen vergleichbaren Maßstab anzulegen.

Bei genauerer Betrachtung fällt außerdem auf, dass auch die StVFernLV (wie auch die AFGBV) keine konkreten technischen Vorgaben hinsichtlich des Leitstandes macht bzw. die Anforderungen nur funktional beschreibt. So ist unklar, was genau die fernlenkende Person in der Leitstelle erkennen können soll. Es ist nicht festgelegt, wie groß und wie hoch aufgelöst Bildschirme sein müssen, bzw. was die fernlenkende Person noch in einer definierten Entfernung erkennen können muss (z.B. Nummernschild des vorausfahrenden Fahrzeuges in X Metern muss in einer Größe/Auflösung von X dargestellt werden).

Perspektivisch muss sich auch zeigen, wie eine mögliche Doppelrolle von Technischer Aufsicht (Leitstellenpersonal bei autonomen Fahrzeugen, die aber nicht unmittelbar lenken können) und fernlenkender Person (Leitstellenpersonal beim ferngelenkten Fahren, welches unmittelbar lenken kann) ausgestaltet und umgesetzt wird, bzw. welche Geschäftsmodelle sich hieraus entwickeln.

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Till Stegemann

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