EuGH: Haushaltsvorbehalt in öffentlichem Dienstleistungsauftrag verstößt gegen VO 1370

PrintMailRate-it

​​​​veröffentlicht am 21. März 2024


Mit Urteil vom 25.01.2024 in der Rechtssache „Obshtina Pomorie” (Rs. C-390/22) hat der EuGH festgestellt, dass sich der zulässige Ausgleich für die Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung mittels öffentlichen Dienstleistungsauftrags (öDA) aus vorab transparent und nicht diskriminierenden Parametern ableitbar sein muss; ein außerhalb dieser Parameter stehender „Korrekturmechanismus” in Form einer Deckelung der verfügbaren Finanzmittel der zuständigen Behörde, hier aus haushälterischen Gründen, verstößt gegen die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (VO 1370).
 
Eine Gemeinde in Bulgarien als zuständige Behörde (= Aufgabenträger oder AT) hatte Ende 2013 mit einem Verkehrsunternehmen (VU) einen direkt vergebenen ÖDA abgeschlossen. Als Ausgleichsleistung gewährte der AT im Zeitraum 2016 – 2018 an das VU Ausgleichsleistung in Höhe des Betrags, den er von der bulgarischen Zentralregierung gemäß einer Verordnung zur Finanzierung des ÖPNV zugewiesen bekommen hatte. Per Verordnung war zudem geregelt, wie der Ausgleich in einem ÖDA zu berechnen ist (= Parameter). Der eigentliche öDA legte keine eigenen Parameter fest, sondern verwies insoweit auf diese Verordnung. Seiner Forderung nach höheren Ausgleichszahlungen machte das VU gerichtlich geltend. Ein Sachverständiger ermittelte einen um das 46-fach höheren Ausgleichsanspruch, als vom AT gewährt. Nach klägerischem Obsiegen in der ersten Instanz, legte das Berufungsgericht dem EuGH zwei Fragen zur Auslegung der VO 1370/2007 vor:

      1. Steht eine Deckelung des Ausgleichs, der im nationalen Recht vorgesehen ist, im Widerspruch zu der Regelung der VO 1370?
      2. Müssen im öDA selbst die nach VO 1370/2007 erforderlichen Ausgleichsparameter geregelt sein?
 
Der EuGH hat schließlich geurteilt, dass ein Haushaltsvorbehalt, der die Ausgleichshöhe für die Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung deckelt, obschon er nicht Bestandteil der öDA-Regularien selbst ist, gegen Art. 4 Abs. 1 lit. b) VO 1370/2007 verstößt. Denn der Ausgleich muss rückführbar auf die Berechnung des finanziellen Nettoeffekts sein. Das VU kann so nämlich nicht im Vorhinein bestimmen, welchen Ausgleich es zu erwarten hat. Dazu müssten im Vorhinein objektive und transparente Ausgleichsparameter aufgestellt worden sein. Dass hier die Ausgleichsparameter nicht im ÖDA selbst enthalten sind, sondern auch in einer allgemeinen Vorschrift geregelt ist, ist hingegen zulässig, solange der öDA auf diese Verordnung verweist und sie somit einbezieht (zweite Vorlagefrage).

 
Bewertung für die Praxis

Mit dem Urteil des EuGH sind Haushalts- und/oder Finanzierungsvorbehalte in öDA, aber auch allgemeinen Vorschriften, hierzulande mit einem rechtlichen Risiko behaftet. Denn die Aussage, dass die Höhe der erwartbaren Ausgleichsleistungen sich unter Anwendung der aufgestellten Parameter für die Unternehmen im Vorhinein ermitteln lassen müssen, ist universell, eine Beschränkung auf öDA dürfte argumentativ schwerfallen. Insbesondere die allgemeinen Vorschriften zur Einführung des Deutschlandtickets kennen aber regelmäßig solche Deckelungsklauseln, die das finanzielle Risiko der AT begrenzen helfen sollen. Im Einzelfall wäre nun zu prüfen, ob diese Klauseln als rechtlich wirksame Zahlungsbegrenzungen oder doch nur als „politische Programmsätze” auszulegen sind.


Kontakt

Contact Person Picture

Oliver Ronnisch

Rechtsanwalt

Senior Associate

+49 30 810795 99

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Veranstaltungen

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu