IPCEI ME/CT durch EU-Kommission genehmigt

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veröffentlicht am 9. August 2023

 

Ein weiterer Meilenstein für Europa und Deutschland als Innovations- und Wirtschaftsstandort: Am 8. Juni 2023 hat die EU-Kommission den Startschuss für ein neues „Important Project of Common European Interest” (IPCEI) im Bereich Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie gegeben.

Das IPCEI ist ein von der EU-Kommission entwickeltes Instrument zur Förderung von innovativen und strategisch wichtigen Schlüsseltechnologien. Ein IPCEI ist, wörtlich übersetzt, ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse. Entscheidendes Kriterium ist dabei also die Gemeinschaftlichkeit des Vorhabens; es muss nämlich von mindestens vier europäischen Mitgliedstaaten geplant werden und eine Reihe einzelner Projekte, in der Regel im Forschungs- und Innovationsbereich, umfassen. Dabei handelt es sich um Projekte, die mittels staatlicher Förderung einen bedeutenden Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft leisten.

Die Voraussetzungen für eine beihilferechtliche Zulässigkeit des Konstrukts finden sich in der Mitteilung der EU-Kommission (2021/C 528/02) vom 30.12.2021. Danach wird eine Ausnahme vom grundsätzlichen Beihilfeverbot nach Art. 107 Abs. 1 AEUV erteilt, wenn die aufgeführten Kriterien durch das Gemeinschaftsprojekt erfüllt sind. Erforderlich ist danach, dass die zu dem Vorhaben gehörenden Projekte einen Beitrag zu den strategischen Zielen der EU leisten, von mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt werden, eine eigene Ko-Finanzierung durch die beteiligten Unternehmen/Einrichtungen vorsehen, positive „Spill-over-Effekte” (Auswirkungen über die Grenzen des jeweiligen Mitgliedstaats hinaus) in der gesamten EU bewirken und sehr ehrgeizige Ziele in Bezug auf Forschung und Innovation verfolgen, das heißt deutlich über den internationalen Stand der Technik in dem betreffenden Sektor hinausgehen.

Diese Voraussetzungen hat die oberste europäische Wettbewerbsbehörde im vorliegenden Fall als gegeben angesehen. An dem Vorhaben mit der Projektbezeichnung „IPCEI ME/CT” sind neben Deutschland 13 weitere europäische Staaten beteiligt. Die Fördersumme aus öffentlicher Hand der projektbeteiligten Staaten wird dabei 8,1 Mrd. € betragen, zusätzlich 13,7 Mrd. € in Privatinvestitionen. Die 68 Projekte der insgesamt 56 beteiligten Unternehmen sowie über 600 indirekten Partnern (solche, die Kooperationsvereinbarungen mit direkten Teilnehmern des IPCEI geschlossen haben) betreffen unter anderem Bereiche wie Mikrochipdesign und -herstellung sowie Kommunikationsmittel, z.B. 5G- und 6G-Netze, autonomes Fahren, künstliche Intelligenz und das sog. „Quantencomputing” als multidisziplinäres Gebiet.

Ziel des Gemeinschaftsvorhabens ist insbesondere, der technologischen Abhängigkeit Europas von Drittstaaten wie den USA und China in den Produktionsbereichen Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien entgegenzuwirken (z.B. bei Hochleistungsprozessoren und Spezialchips für KI und autonomes Fahren). Zudem soll durch die Entwicklung energieeffizienter, ressourcensparender Systeme und Herstellungsmethoden die digitale und grüne Wende vorangetrieben werden.

 

Bewertung für die Praxis

Das nun von der Kommission genehmigte IPCEI ME/CT fügt sich in eine Reihe solcher Vorhaben ein: Es gab bereits im Jahr 2018 ein staatenübergreifendes Vorhaben im Bereich Mikroelektronik und auch in den Jahren darauf folgte die Genehmigung mindestens eines IPCEIs jährlich, darunter in den Bereichen Batterie- und Wasserstofftechnologie. Es handelt sich bei allen Märkten, auf die die Unternehmen, Forschungsinstitute und Projektgruppen in den europäischen Mitgliedstaaten gemeinsam ihren Fokus legen, um solche von aktueller Relevanz, die insbesondere im Interesse der grünen Energiewende einer Unterstützung von staatlicher Seite bedürfen. Ausländische Staaten wie China oder die USA haben allein aufgrund ihrer Größe und der schon früh gesammelten Erfahrung insbesondere auf dem Mikrochip-Markt einen erheblichen Wirtschaftsstandortvorteil gegenüber den oft kleineren und noch jüngeren Forschungsinstitutionen in den europäischen Staaten. Genau diese sollen durch ein gemeinsames Agieren im Rahmen der IPCEI-Projekte an Bedeutung in der internationalen Handelswelt gewinnen und Europa als Ort für zukunftsträchtige Innovationen attraktiver machen.

Auch wenn sich das Erfordernis staatlicher Unterstützung aus der Perspektive der freien Marktwirtschaft stets hinterfragen lässt, wäre ein immer weiteres Zurückfallen europäischer Staaten im internationalen Vergleich der Marktanteile in der Erforschung und Herstellung von Mikrotechnologie ohne das nun beschlossene IPCEI ME/CT wahrscheinlich unvermeidbar gewesen. Die Kommission hat daher in ihrer beihilferechtlichen Bewertung bei einer Abwägung des staatlichen Eingriffs mit den zu befürchtenden Verzerrungen des Wettbewerbs gesehen, dass ausschließlich private Investitionen in der Zukunft nicht ausreichen würden, um die erhebliche Finanzierungslücke der Forschung in diesem Bereich zu schließen.

Nachzulesen für den deutschen Projektteil (SA.101129), sobald eine Veröffentlichung des Beschlusses im Beihilfenregister der EU-Kommission erfolgt, unter:

 

https://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/index.cfm?clear=1&policy_area_id=3

 

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Jörg Niemann

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