Deutschlandticket – Bislang keine Einigung zur beihilferechtlichen Absicherung in Sicht

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 22. Februar 2023

Der Freistaat Bayern setzt daher auf allgemeine Vorschriften der Aufgabenträger. Übernehmen die Aufgabenträger freiwillig die Umsetzungsverantwortung für das Deutschlandticket?

 

Bund und Länder haben sich auf die Einführung des Deutschlandtickets verständigt. Doch die Umsetzungsverantwortung wollen sie nicht tragen. Sie lehnen den Erlass bundeseinheitlicher allgemeiner Vorschriften ab und streben auch keine förmliche Notifizierung an. Die mit der EU-Kommission geführten Konsultationen zur beihilferechtlichen Absicherung blieben bislang ohne Ergebnis.

 

Der Freistaat Bayern forciert nun eine beihilferechtliche Absicherung über die Einführung von allgemeinen Vorschriften durch die Aufgabenträger. In einem Schreiben des Bayerischen Staatsministers für Wohnen, Bau und Verkehr an die politischen Spitzen von Landkreisen und Städten im Freistaat vom 13.02.2023 wirbt der Minister für kommunale Regelungen. Danach sei der „Prozess zum Erlass einer allgemeinen Vorschrift bzw. die Änderung der öffentlichen Dienstleistungsaufträge [...] von den Aufgabenträgern des allgemeinen ÖPNV im jeweiligen Zuständigkeitsgebiet eigenverantwortlich umzusetzen. Hier bieten sich nachbarschaftliche Kooperationen an.” Die Bayerische Eisenbahngesellschaft arbeite zudem an einer landesweiten allgemeinen Vorschrift für den SPNV, mit „teilweise übernahmefähigen Inhalten” für den allgemeinen ÖPNV.

 

Droht nun, statt einer bundeseinheitlichen Regelung, eine Umsetzung durch mehr als 430 Aufgabenträger? Dies wird von den kommunalen Spitzenverbänden zu Recht kritisch gesehen. Zum einen bestehen derzeit keine konkreten Reglungen, auf die Bezug genommen werden könnte. Zum anderen würden die Aufgabenträger damit formal die Verantwortung für die Ausgestaltung übernehmen. Notwendig wäre ein Bund-Länder-Staatsvertrag, der die Umsetzungs- und Finanzierungsstandards regelt. Dies ist jedoch bis zum 1. Mai schlicht nicht zu machen.

 

Auch aus dem Unternehmerlager formiert sich Widerstand. Erlösverantwortliche Unternehmen erklären, dass sie das Deutschlandticket aufgrund der unsicheren Finanzierung nicht anerkennen wollen. Bleibt es dabei, droht das Ziel eines bundeseinheitlichen Tickets zu scheitern. Der tarifliche Flickenteppich im ÖPNV bestünde fort.


Sofern die Aufgabenträger die Anwendung des Deutschlandtickets „freiwillig” in ihrem Bereich sicherstellen wollen, sollten sie auf folgende Punkte achten:

 

  • Deutschlandticket als Höchsttarif: Notwendig ist zunächst, dass das Deutschlandticket als Höchsttarif für alle Fahrgäste verbindlich festgeschrieben wird. Nur wenn eine solche Verbindlichkeit besteht, sind die Unternehmen zur Anwendung / Anerkennung des Deutschlandtickets verpflichtet.
  • Begrenzung des Ausgleichs: Der Ausgleich für die Anwendung des Deutschlandtickets über die allgemeine Vorschrift ist auf den Anteil des Aufgabenträgers an Regionalisierungsmittel für das Deutschlandticket zu begrenzen. Andernfalls zahlen die Kommunen die Umsetzung eines Tarifprodukts, welches Bund und Länder politisch wollten.
  • Zeitliche Geltung regeln: Die Finanzierung über die Regionalisierungsmittel ist derzeit nur bis zum Jahr 2025 gesichert; wie es danach weiter geht, ist ungewiss. Die allgemeinen Vorschriften sollten daher – zur Vermeidung eines Vertrauenstatbestands der Unternehmen – zunächst bis Ende 2025 befristet werden.
  • Modularer Aufbau der allgemeinen Vorschrift: Sofern bereits (Höchst-) Tarifvorgaben über eine allgemeine Vorschrift bestehen, sollten diese im Sinne eines „modularen Aufbaus” weiterentwickelt werden. So bestehen häufig Tarifvorgaben für Auszubildende, Senioren, bis hin zur Festlegung von Verbundtarifen als Höchsttarife. Nur über einen modularen und gestuften Aufbau können die Effekte des Deutschlandtickets in der Abrechnung nachgewiesen werden. Insoweit dürften unterschiedliche Berechnungsansätze zur Bestimmung der ungedeckten Kosten je Tarifprodukt innerhalb einer allgemeinen Vorschrift zu regeln sein.
  • Eine Überkompensationskontrolle: Wichtig ist, dass die Unternehmen eine Überkompensationskontrolle durchführen, auch wenn unterschiedliche Tarifprodukte und / oder öffentliche Dienstleistungsaufträge bestehen. Nur durch einheitliche bzw. abgestimmte Regelungen kann die Begrenzung des Ausgleichs auf den finanziellen Nettoeffekt nachgewiesen werden. Hierzu sind z. B. einheitliche Durchführungsbestimmungen zur Erstellung einer Trennungsrechnung, eine einheitliche Gewinnmarge und abgestimmte Anreizsysteme notwendig.
  • Einheitliche Antragsunterlagen: Zur Vermeidung von Widersprüchen sollten abgestimmte Antrags- und Nachweisformulare zur Anwendung kommen.
  • Vermeidung einer unzulässigen de facto-Vergabe: Sofern bestehende öffentliche Dienstleistungsaufträge (Nettoverträge) für die Anwendung des Deutschlandtickets angepasst werden, sollte die Erweiterung nicht zu einer unzulässigen de facto-Vergabe nach § 132 GWB führen.
  • Gefährdung von Dienstleistungskonzessionen vermeiden: Zum Teil bestehen Direktvergaben, welche als sogenannte Dienstleistungskonzessionen ausgestaltet sind. Im Rahmen dieser Verträge tragen die Unternehmen das wirtschaftliche Risiko. Die Einbeziehung des Deutschlandtickets und die Gewährung eines Ausgleichs wird zu einer Risikoverlagerung führen. Diese Veränderungen dürfen nicht den Charakter der Dienstleistungskonzessionen und damit den Bestand der Direktvergaben gefährden.  


Bewertung für die Praxis


Bund und Länder haben den Wählern ein politisches Geschenk gemacht. Die praktische Umsetzung schieben sie den Aufgabenträgern in die Schuhe. Eine einheitliche Anwendung zum 1. Mai kann nach derzeitigem Stand wohl nur noch über eine freiwillige Selbstverpflichtung der Aufgabenträger erfolgen. Wenn nun die Aufgabenträger für den Bund und die Länder „die Kohlen aus dem Feuer holen”, dann sollten sie aus purem Selbstschutz entsprechende Befristungen und Deckelungen des Gesamtausgleichs in ihren allgemeinen Vorschriften vorsehen. Mittelfristig sind entsprechende Standards zwischen Bund, Ländern und Kommunen abzustimmen.

Kontakt

Contact Person Picture

Jörg Niemann

Diplom-Jurist

Partner

+49 40 2292 977 33

Anfrage senden

Profil

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu