Direktvergaben an „interne Betreiber” nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 setzen Dienstleistungskonzessionen voraus

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veröffentlicht am 4. März 2019

 

Direktvergaben nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 setzen zwingend Dienstleistungskonzessionen voraus. Dienstleistungsaufträge, die keine Dienstleistungskonzession sind, können nur nach den Regeln zur „In-house-Vergabe” (RL 2014/24/EU bzw. RL 2014/25/EU) ohne wettbewerbliches Verfahren vergeben werden. Dies entschied der EuGH am 21. März 2019 und beendet damit die unterschiedlichen Auslegungen von Art. 5 Abs. 1 VO 1370 in der deutschen Rechtsprechung und Spruchpraxis der Vergabekammern.

 

Im Mai 2017 setzte der Vergabesenat des OLG Düsseldorf zwei bei ihm anhängige Verfahren aus und legte dem EuGH mehrere Vorlagefragen zur Auslegung des Art. 5 VO (EG) Nr. 1370/2007 (VO 1370) zur Entscheidung vor (C-266/17, C-267/17).

 

Hintergrund der beiden Verfahren waren jeweils eine bekannt gemachte Direktvergabe des Rhein-Sieg-Kreises und des Kreises Heinsberg nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370. Beide Vergaben wären nur zulässig, wenn die VO 1370 bei Vergaben an „interne Betreiber” auf alle Arten von Dienstleistungsaufträgen anwendbar wäre – also nicht nur bei Dienstleistungskonzessionen. Nach Auffassung des OLG sollte nämlich in beiden Fällen keine Dienstleistungskonzession vorliegen und die Voraussetzungen für die „In-house-Vergabe” nicht erfüllt sein. 

 

Des Weiteren stellten sich Fragen zur Zulässigkeit von einer geteilten „Interventionsbefugnis” zwischen zuständiger Behörde und Zweckverband, zum Kontrollerfordernis über den „internen Betreiber” und zum zulässigen Tätigkeitsbereich des internen Betreibers, die dem EuGH ebenfalls vorgelegt wurden. Da das Gericht davon ausging, dass die Akteure bis zur Direktvergabe entscheidende Änderungen vornehmen könnten, stellte es abschließend die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Direktvergabe (Bekanntgabe oder tatsächliche Vergabe) vorliegen müssen.

 

Der EuGH entschied – gegen die Erwartung vieler -, dass Direktvergaben nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370 zwingend Dienstleistungskonzessionen voraussetzen. Dienstleistungsaufträge, die keine Dienstleistungskonzession sind, können nur nach den Regeln zur „In-house-Vergabe” (RL 2014/24/EU bzw. RL 2014/25/EU) ohne wettbewerbliches Verfahren vergeben werden.

Die allgemeine Struktur und die Entstehungsgeschichte der Unionsvorschriften im Bereich öffentlicher Aufträge könne nicht zu einer Auslegung des Art. 5 Abs. 2 VO 1370 als Lex specialis für alle „Direktvergaben” führen.

 

Ausgangspunkt für den EuGH ist der Art. 5 Abs. 1 VO 1370. Dieser enthält folgenden Wortlaut: “Öffentliche Dienstleistungsaufträge werden nach Maßgabe dieser Verordnung vergeben. Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen werden jedoch gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben, sofern die Aufträge nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne jener Richtlinien annehmen. Werden Aufträge nach den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG vergeben, so sind die Absätze 2 bis 6 des vorliegenden Artikels nicht anwendbar“.

 

Der EuGH erklärte die Regelungssystematik dieser Norm folgendermaßen: Einfache Dienstleistungsaufträge für Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen fallen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/17/EG oder 2004/18/EG (bzw. deren Nachfolgerichtlinien 2014/24 und 2014/25), in denen für sie Vergabeverfahren vorgesehen sind. Nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO 1370 sollen sie deshalb weiterhin nach den Vergabeverfahren dieser Richtlinien vergeben werden. Zum Zeitpunkt des Erlasses der VO 1370 – im Jahr 2007 - bestand ein Regelungsbedarf deshalb nur für Dienstleistungsaufträge, die die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen. Für Dienstleistungskonzessionen von Personenverkehrsdiensten mit Bussen und Straßenbahnen war nämlich kein Vergabeverfahren in den Richtlinien vorgesehen. Deshalb sei Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO 1370 so zu verstehen, dass das Vergabeverfahren der VO 1370 zwingend Dienstleistungskonzessionen voraussetze.

 

Der EuGH stellte in dem Zusammenhang klar, dass zu den Dienstleistungsaufträgen im Anwendungsbereich der Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG (bzw. deren Nachfolgerichtlinien 2014/24 und 2014/25) auch die Konstellationen der „In-house-Vergaben” gehören. Durch die EuGH-Rechtsprechung zur „In-house-Vergabe” sei lediglich eine Ausnahme für diese Konstellationen von der Pflicht zur Durchführung des Vergabeverfahrens gemacht worden, die Ausnahme werde aber auf der Grundlage des  Anwendungsbereichs der Richtlinien gemacht und habe deshalb ihren Ursprung in den Richtlinien. Derselben Systematik sollen auch die Richtlinien folgen, die die Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG ersetzten und in denen die Rechtsprechung zur „In-house-Vergabe” kodifiziert wird.

 

Da die erste Vorlagefrage negativ beantwortet wurde, kommt es für die anstehenden Entscheidungen des OLG Düsseldorf nicht mehr auf die Beantwortung der weiteren Vorlagefragen an, weshalb der EuGH zu diesen in dem Urteil keine Stellung genommen hat.


Bewertung für die Praxis

In der Vergangenheit wurde von deutschen Gerichten und Vergabekammern teilweise die Auffassung vertreten, dass bei In-house-Konstellationen im Zusammenhang mit Dienstleistungsaufträgen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen, Art. 5 Abs. 2 VO 1370 ebenfalls Anwendung finde. Begründet wurde dies damit, dass nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO 1370 der Verweis ins allgemeine Vergaberecht einen Dienstleistungsauftrag gemäß der Definition der Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG voraussetzt. Da der EuGH vermeintlich bei „In-house-Vergaben” aber bereits keine Dienstleistungsaufträge im Sinne der Richtlinien annehmen würde, schlossen sie In-house-Konstellationen von dem Verweis ins allgemeine Vergaberecht aus. Auf die Rückausnahme für Dienstleistungskonzessionen sollte es deshalb nicht mehr ankommen.

 

In der Praxis wird es nun stärker als bisher auf die Unterscheidung zwischen Dienstleistungsaufträgen in Form von Dienstleistungskonzessionen und solchen ohne Dienstleistungskonzessionen ankommen. Die Anforderungen an die „In-house-Vergabe” sind zum Teil höher als die für die Direktvergabe an den „internen Betreiber”. So muss zum Beispiel das Unternehmen für eine „In-house-Vergabe” mindestsens 80 Prozent seiner Tätigkeit für den Auftraggeber vornehmen, von dem es kontrolliert wird. Bei Direktvergaben nach der VO 1370 bietet die „Gruppe von Behörden” dagegen die Möglichkeit, den Tätigkeitsbereich des Unternehmens auf andere Kommunen ohne prozentuale Begrenzung auszuweiten.  

 

Es wird deshalb nun verstärkt auf die Gestaltbarkeit von Dienstleistungskonzessionen im ÖPNV mit Bussen und Straßenbahnen ankommen. Bei einer Dienstleistungskonzession handelt es sich um ein Verwertungsrecht. Das Unternehmen muss mit der Nutzung des Verwertungsrechts  ein (zumindest) „erhebliches” wirtschaftliches Risiko eingehen, weshalb eine vollständige Kostendeckung durch öffentliche Zuschüsse nicht garantiert werden darf. Einzelheiten hierzu sind allerdings bisher noch unklar, insbesondere ob und wie Dienstleistungskonzessionen in wirtschaftlich stark defizitären Bereichen des ÖPNV möglich sind.

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