Grundsatzbeschluss des OLG Köln – Keine Offenlegungspflichten für Jahresabschlüsse von Universitätsklinika mangels Kaufmannseigenschaft!

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​veröffentlicht am 2. September 2021; Autoren: Norman Lenger-Bauchowitz, Sebastian Heinke

 

Der Streit um die Offenlegungspflicht von Jahresabschlüssen durch Universitätsklinika ist beendet. Rödl & Partner war auch im Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgreich. Das OLG Köln erteilt der Auffassung des Bundesamtes der Justiz zur Offenlegungsverpflichtung eine Absage. Universitätskliniken sind keine Kaufleute im Sinne des HGB. Die Gewährträgerhaftung bietet ausreichend Gläubigerschutz. 
 
Nachdem 2017 bundesweit verschiedene Anfragen durch den Bundesanzeiger an Universitätsklinika verschickt worden sind mit dem Hinweis, dass Jahres- und Konzernabschlüsse im elektronischen Bundesanzeiger nach dem Publizitätsgesetz offenzulegen sind, konnte der Streit nun zugunsten eines Universitätsklinikums entschieden werden. „Wir sind froh, dass das Gericht unserer Auffassung gefolgt ist, weil nun obergerichtlich entschieden ist, dass Universitätsklinika nicht mit normalen Plankrankenhäusern zu vergleichen sind, sondern anerkannt wird, dass diese insbesondere zur Verwirklichung einer praxisnahen medizinischen Ausbildung und patientenorientierten Forschung betrieben werden.” stellt der Leiter der Rechtsberatung für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft bei Rödl & Partner, Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M., fest. 


Was war geschehen?

Bis 2017 war in der gängigen Praxis von einer Offenlegungspflicht für Jahres- und Konzernabschlüsse eines Universitätsklinikums nicht die Rede. Vereinzelt gab es Universitätskliniken, die ihre Abschlüsse freiwillig offenlegten. Schließlich kursierte ein Schreiben des Bundesanzeiger Verlages, durch das die unterschiedlichen Universitätsklinika mit dem Hinweis, dass festgestellt wurde, dass Jahres- und Konzernabschluss für bestimmte Jahre noch nicht eingereicht worden seien, zur Offenlegung aufgefordert wurden. Hintergrund ist der Umstand, dass dem Bundesanzeiger Verlag – neben der elektronischen Veröffentlichung aller Abschlussunterlagen vom Bundesministerium – auch die Aufgabe übertragen ist, die Befolgung einer Offenlegungspflicht, sofern sie besteht, d.h. die fristgemäße und vollständige Einreichung solcher Unterlagen zu prüfen und dem Bundesamt für Justiz ein entsprechendes Versäumnis mitzuteilen.

Das Bundesamt für Justiz fordert dann im Falle eines Versäumnisses mit Androhungsverfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von – in der Regel – 2.500 EUR auf, die Unterlagen zur Rechnungslegung für das jeweilige Geschäftsjahr binnen einer sechswöchigen Nachfrist bei dem Betreiber des Bundesanzeigers einzureichen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen die
Verfügung zu rechtfertigen.

Die von Rödl & Partner vertretenen Universitätskliniken haben sich für den Einspruch entschieden, insbesondere mit zwei wesentlichen Argumenten: Zum einen bestehe keine Publizitätspflicht, weil es Universitätskliniken an der erforderlichen Kaufmannseigenschaft i.S.d. HGB fehlt und zum anderen der Sinn und Zweck des PublG – nämlich der Gläubigerschutz – vor dem Hintergrund der bestehenden Gewährträgerhaftung nicht greife. Diesen Argumenten nicht folgend setzte das Bundesamt für Justiz das angedrohte Ordnungsgeld unter Verwerfung des Einspruchs fest. Hiergegen legte das Universitätsklinikum
Beschwerde ein, der nicht abgeholfen wurde sondern dem in erster Instanz zuständigen Landgericht Bonn zur Entscheidung vorgelegt wurde. Das Landgericht Bonn hat mit entsprechendem Beschluss zunächst die getroffene Ordnungsgeldentscheidung einschließlich der Festsetzung von Zustellungskosten aufgehoben, wegen der Bedeutung der Sache und auf Antrag der Parteienvertreter jedoch ausdrücklich die Rechtsbeschwerde zugelassen (§ 335a Abs. 3 HGB).

Nunmehr liegt eine Entscheidung des zuständigen Oberlandesgerichts vor. 
 

Entscheidung des OLG Köln (28Wx 29/20)

Die Rechtsbeschwerde des Bundesamtes für Justiz ist als unbegründet zurückgewiesen worden. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Ordnungsgeldes lagen nach Auffassung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht vor. Dies begründet das Gericht im Wesentlichen wie folgt (auszugsweise): 

            
 „[…] Gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 5, 9 Abs. 1 Satz 1 PublG hat eine Anstalt öffentlichen Rechts, die Kaufmann nach § 1 des HGB ist und auf die die in § 1 PublG genannten Merkmale zutreffen, ihren Jahresabschluss in sinngemäßer Anwendung des § 325 HGB grundsätzlich offenzulegen. Kommt sie dieser Verpflichtung nicht nach, ist gemäß § 335 HGB ein Ordnungsgeldverfahren durchzuführen. Außer Frage und zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht in Streit steht, dass die Beschwerdeführerin die Größenmerkmale gemäß § 1 PublG erfüllt. Der Beschwerdeführerin fehlt aber die Kaufmannseigenschaft nach § 1 HGB. Gemäß § 1 Abs. 1 HGB ist Kaufmann, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Gemäß § 1 Abs. 2 HGB ist Handelsgewerbe jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Das Erfordernis eines nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs – ist unzweifelhaft und auch nach Einschätzung der Verfahrensbeteiligten - gegeben. Indes fehlt es am Vorhandensein eines Gewerbebetriebs. Denn nach herkömmlicher Definition ist Gewerbe im Sinne des § 1 HGB jede selbstständige und berufsmäßige wirtschaftliche, nicht künstlerische, wissenschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit, die auf Gewinnerzielung durch einen auf Dauer gerichteten Geschäftsbetrieb zielt, wobei das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht zunehmend durch die Merkmale der Selbstständigkeit, des Angebots am Markt, der Entgeltlichkeit und der planmäßigen Dauer ersetzt wird. Die Beschwerdeführerin ist aber (auch) wissenschaftlich tätig. Ausweislich § 2 Abs. 1 Satz 1 UKVO dient das Universitätsklinikum dem Fachbereich Medizin der Universität zur Erfüllung der Aufgaben in Forschung und Lehre; gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 UKVO gewährleistet das Universitätsklinikum die Verbindung der Krankenversorgung mit Forschung und Lehre. Nach § 2 Abs. 3 der gemäß § 7 UKVO erlassenen Satzung ist Zweck des Universitätsklinikums die Förderung von Wissenschaft und Forschung, des öffentlichen Gesundheitswesens und der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht besteht damit zwischen universitärer Forschung und Lehre auf der einen und Krankenversorgung auf der anderen Seite ein hohes Maß an Verzahnung. […] Dies schlägt sich auch in der näheren Ausgestaltung der die Beschwerdeführerin betreffenden Regularien nieder. Beispielsweise besteht sie nach § 10 ihrer Satzung aus klinischen, medizinisch-theoretischen und gemeinsamen Einrichtungen. Gliederung und Aufbau der Abteilungen, die keine Aufgaben in der Krankenversorgung haben, sollen sich nach den dafür getroffenen Regelungen des Fachbereichs Medizin der Universität […] richten. Folglich sind auch die ausschließlich mit Aufgaben der Forschung und Lehre befassten theoretischen und vorklinischen Institute in das Universitätsklinikum eingegliedert. Näheres regelt gemäß § 2 Abs. 3, 16 UKVO eine sog. Kooperationsvereinbarung. Auch die Verwaltungsvorschriften zur UKVO legen eine Verknüpfung von Forschung und Lehre (auch) mit dem Universitätsklinikum nahe. So werden etwa nach Ziffer 4 die Zuschüsse für den laufenden Forschungs- und Lehrbetrieb in den Fachbereichen Medizin den Universitäten zugewiesen. Die aus diesen Zuschüssen beschafften Gegenstände gehen in das Eigentum des Universitätsklinikums über. Gemäß Ziffer 10 der Verwaltungsvorschriften dient sodann als Nachweis der Verwendung der Zuschüsse für den laufenden Betrieb für Forschung und Lehre der nach § 8 Abs. 4 UKVO geprüfte und dem für Innovation, Wissenschaft und Forschung zuständigen Ministerium des Landes gemäß § 9 Abs. 2 UKVO zu übermittelnde Jahresabschluss des Universitätsklinikums.[…] 

[…] Sinn und Zweck des PublG verlangen ebenfalls keine andere Auslegung. Zwar bestehe ein generelles Interesse der Öffentlichkeit an der ordnungsgemäßen Geschäftsführung von Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung, da die Geschicke von Großunternehmen auch die Interessen Dritter berühren (BT-Drucks. V/3197, S. 13 f.). Die Publizität soll ein gewisses Maß an Gläubigerschutz gewährleisten; zudem soll es für eine zuverlässige Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage im volkwirtschaftlichen Interesse notwendig sein, aus den Daten bedeutender Unternehmen verlässliche Rückschlüsse auf die gesamtwirtschaftliche Lage bzw. Entwicklung zu ziehen (s.a. Schäfer, PublG, 2. Aufl. 2016, Einl. Rn. 6). Dem Gläubigerschutz kommt allerdings aufgrund der Gewährträgerschaft des Landes gemäß § 9 Abs. 3 UKVO, wonach das Land unbeschränkt für die Verbindlichkeiten des Universitätsklinikums haftet, soweit die Befriedigung aus dessen Vermögen nicht erlangt werden kann, wenig bis keine Bedeutung zu. Und auch verlässliche Aussagen über die gesamtwirtschaftliche Lage bzw. Entwicklung dürften etwa angesichts der besonderen Finanzverfassung der Beschwerdeführerin eher schwer zu gewinnen sein. Soweit der Rechtsbeschwerdeführer auf ein öffentliches Interesse an einer (faktischen) Kontrollfunktion der Publizität verweist, ist schließlich darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin ihren Lagebericht und Jahresabschluss den Vorschriften des HGB entsprechend aufzustellen, von einer Wirtschaftsprüferin oder einem Wirtschaftsprüfer prüfen zu lassen und dem zuständigen Ministerium vorzulegen hat. Nicht zuletzt ist in Rechnung zu stellen, dass der Gesetzgeber es – zuletzt insbesondere im Rahmen des Handelsrechtsreformgesetzes 1998 – trotz entsprechender Vorschläge aus der Literatur nicht für erforderlich erachtet hat, den tradierten Begriff des Kaufmanns im Sinne des § 1 HGB – und damit im Sinne von §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 5, 9 Abs. 1 Satz 1 PublG – anders zu konturieren, etwa mit Blick auf das Negativkriterium der nicht-wissenschaftlichen Tätigkeit. Damit haben sich nach dem Willen des Gesetzgebers jene, die den überkommenen Kaufmannsbegriff zumindest in Bezug auf die freien Berufe anzweifeln bzw. deren Privilegierung für unberechtigt halten (s. etwa Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 1 Rn. 64), gerade nicht durchgesetzt. Und auch das Bundesverfassungsgericht geht – wenngleich im gewerbesteuerlichen Kontext – davon aus, dass diese tradierte Betrachtungsweise der freien Berufe durch den Gesetzgeber (noch) nicht willkürlich ist (BVerfG, Beschluss vom 15.01.2008 – 1 BvL 2/04, juris-Rn. 89 ff). Dies und die ansonsten überflüssige ausdrückliche Regelung der Voraussetzungen der Publizitätspflicht einer Anstalt öffentlichen Rechts stehen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers entgegen, wonach jede Anstalt automatisch Kaufmann sei und allenfalls die Hochschullehrer wissenschaftlich tätig würden. […]”

 

Zusammenfassung

Die Entscheidung ist aus unserer Sicht sehr zu begrüßen, zumal sie der exponierten Stellung unserer Supramaximalversorger in unserer Gesellschaft Rechnung trägt. Universitätsklinika sind ein wichtiger Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, die wissenschaftliche Forschung und universitätsmedizinische Krankenbehandlung vereinen. Sie bilden unsere künftigen Mediziner auf hohem Niveau aus und sind als öffentliche Einrichtungen einer demokratischen Kontrolle und Steuerung unterworfen.

Es ist ebenfalls zu erwarten, dass das zuständige Rechtsbeschwerdegericht in den weiteren anhängigen Verfahren ähnlich entscheiden wird.

Sofern Fragen in diesem oder anderen Zusammenhängen bestehen, wenden Sie sich gerne an unsere Experten für das Gesundheits- und Hochschulrecht.

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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