Mindestentgelt in der Pflegebranche gilt auch für Zeiten des Bereitschaftsdienstes

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veröffentlicht am 19. März 2015

BAG, 19. November 2014

 

Nach dem Urteil des BAG vom 19. November 2014 sind Zeiten der Arbeitsbereitschaft und des Bereitschaftsdienstes mit dem in der Pflegebranche geregelten Mindestentgelt zu vergüten. Eine Pflegekraft hatte geklagt.

 

 

Es ging im  Urteilsfall um die Differenzvergütung und dabei insbesondere darum, ob das Mindestentgelt nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung - PflegeArbbV) vom 15. Juli 2010 auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen ist. Das BAG gab der Pflegekraft Recht. Seit dem 01. Januar 2015 sind nach der 2. PflegeArbbV auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen oder einer schriftlichen einzelvertraglichen Regelung Modifikationen möglich. Diese Regelung gab es im Urteilsfall noch nicht.

 

Die klagende Pflegekraft leistete Rund-um-die-Uhr-Dienste. Dabei bewohnte sie im Haus einer Schwesternschaft ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zu den zu betreuenden Schwestern, die an Demenz litten und an den Rollstuhl gebunden waren. Neben Pflegeleistungen oblagen der Pflegekraft auch Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung der Schwestern (wie z.B. Zubereiten von Frühstück und Abendessen, Geschirr spülen, Wechseln und Waschen von Wäsche).


Das BAG sah die Klage als begründet an. Das folge aus § 2 Abs. 1 PflegeArbbV,  die seit 01. Januar 2015 durch die 2. PflegeArbbV ersetzt ist. Damit sei das Mindestentgelt in der Pflegebranche zu zahlen für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit bzw. - präziser - für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit die geschuldete Arbeit erbringe oder aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung befreit ist. § 2 PflegeArbbV stelle weder auf die Art der Tätigkeit, noch auf die Intensität der Arbeit (Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst) ab. Sei der Anwendungsbereich der PflegeArbbV eröffnet, weil der Arbeitnehmer in einem Pflegebetrieb überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XI zu erbringen hat, müsse deshalb das Mindestentgelt auch für die nicht pflegerischen (Zusammenhangs-)Tätigkeiten (wie z.B. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) und für alle Formen von Arbeit gezahlt werden.


Dies gelte auch für die Arbeitsbereitschaft und den Bereitschaftsdienst. Diese Zeiten seien nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit, sondern vergütungspflichtige Arbeit. Denn dazu zählte nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung sei bei der Arbeitsbereitschaft, die gemeinhin umschrieben werde als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, und dem Bereitschaftsdienst, gegeben. In beiden Fällen müsse sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen. Bei der Arbeitsbereitschaft hat der Arbeitnehmer von sich aus tätig zu werden, beim Bereitschaftsdienst „auf Anforderung”. Zwar könnten für diese Sonderformen der Arbeit eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen und ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vorgesehen werden. Von dieser Möglichkeit habe aber der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege weder in § 2 noch in den übrigen Bestimmungen der PflegeArbbV Gebrauch gemacht. Deshalb sei es unerheblich, ob arbeitsvertraglich für den Bereitschaftsdienst eine geringere Vergütung vereinbart werden sollte.


Das BAG kam im Streitfall zu dem Ergebnis, dass die Pflegekraft sich, so sie keine Vollarbeit leistete, rund um die Uhr bei oder jedenfalls in der Nähe der zu pflegenden Schwestern aufhalten musste, um bei Bedarf tätig werden zu können. Sie habe die im Arbeitsvertrag bezeichnete Pflegestelle nicht verlassen dürfen.


Soweit die Arbeitgeberin die Zeit teilweise als Rufbereitschaft bewertet wissen wollte, verkannte sie nach Auffassung des BAG, dass eine solche nicht schon dann vorliege, wenn die Arbeit nur „auf Zuruf” (hier: der Pflegebedürftigen) aufgenommen werden muss. Rufbereitschaft setze - in Abgrenzung zum Bereitschaftsdienst - vielmehr voraus, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen ist, sich am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, sondern - unter freier Wahl des Aufenthaltsorts - lediglich jederzeit erreichbar sein müsse, um auf Abruf des Arbeitgebers die Arbeit alsbald aufnehmen zu können.


Die streitgegenständliche PflegeArbbV ist seit 01. Januar 2015 durch die sog. 2. PflegeArbbV ersetzt worden. Diese enthält nunmehr eine Öffnungsklausel für den Bereitschaftsdienst (§ 2 Abs. 3 PflegeArbbV). Zum Zwecke der Entgeltberechnung kann danach die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen oder einer schriftlichen einzelvertraglichen Regelung mit mindestens 25 Prozent als Arbeitszeit bewertet werden. Dies gilt aber nicht grenzenlos. Bei mehr als acht Bereitschaftsdiensten ist  die Zeit eines jeden weiteren Bereitschaftsdienstes zusätzlich mit mindestens 15 Prozent als Arbeitszeit zu bewerten. Umfasst die Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes mehr als 25 Prozent, so ist die darüber hinausgehende Arbeitsleistung zusätzlich mit dem Mindestentgelt zu vergüten.

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