Mitarbeiterakquise / Personalüberlassung: Gestellungsmodelle auf dem Prüfstand (EuGH, 06.07.2016)

PrintMailRate-it

​veröffentlicht am 5. August 2016

 

Für die Schwesternschaften vom Roten Kreuz, aber auch für Orden, Kommunitäten und Mutterhäuser spielt der Einsatz der eigenen Mitglieder bei anderen Trägern, etwa in den Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Behinderteneinrichtungen und Schulen, eine traditionell große Rolle.

 

​Nachdem Unklarheiten im Steuerrecht durch die Änderung des § 4 Nr. 27 UStG bzw. die Änderung des AEAO zu § 66 AO weitgehend entschärft wurden, steht nun auch die Frage, ob derartige Gestellungsmodelle in den Anwendungsbereich der europäischen Entsenderichtlinie fallen, zur Entscheidung durch den EuGH an. Nach den jetzt veröffentlichten Schlussanträgen des Generalanwalts des EuGH könnte der EuGH Mitglieder insoweit als Arbeitnehmer im europarechtlichen Sinne einordnen. Es ist möglich, dass dann in der weiteren Umsetzung dieser Entscheidung die Gestellungsmodelle an der zukünftig zeitlich befristeten deutschen Arbeitnehmerüberlassung scheitern.

 

Gegenstand der Entscheidung war folgender Fall: Es geht um eine Pflegekraft, die Vereinsmitglied in der DRK-Schwesternschaft Essen e. V. ist. Sie sollte im Betrieb der Ruhrlandkliniken auf der Grundlage des mit der Schwesternschaft abgeschlossenen Gestellungsvertrags auf unbestimmte Zeit im Pflegedienst in einer stationären Klinik eingesetzt werden. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur Einstellung, weil der Einsatz nicht vorübergehend sei und damit gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verstoße. In dem von der Arbeitgeberin eingeleiteten Beschlussverfahren hat diese die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Einstellung beantragt.

 

Das BAG meinte, die Geltung des AÜG setze voraus, dass es sich bei der zur Arbeitsleistung an einen Entleiher überlassenen Person um einen Arbeitnehmer des Verleihers handelt. Mitglieder der DRK-Schwesternschaften seien nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber keine Arbeitnehmer im Sinne des im nationalen Recht verwandten allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs. Sie erbringen ihre Arbeitsleistung zwar in fremdbestimmter persönlicher Abhängigkeit. Rechtsgrundlage für die von ihnen geschuldeten Dienste ist aber kein privatrechtlicher Vertrag, sondern der privatautonom begründete Vereinsbeitritt zu der Schwesternschaft und die damit verbundene Pflicht, den Vereinsbeitrag in der Leistung von Diensten in persönlicher Abhängigkeit zu erbringen.

 

Vor dem EuGH trug die Ruhrlandklinik vor, dass die Leiharbeitsrichtlinie keine Anwendung auf Leiharbeitnehmer finde, wenn diese nach nationalem Recht keine Arbeitnehmer seien, und zum anderen, dass Mitglieder des Deutschen Roten Kreuzes nicht vom Schutzbereich der Richtlinie erfasst würden. Dagegen können nach Ansicht des Betriebsrats, der tschechischen Regierung und der Kommission Vereinsmitglieder nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104 ausgenommen sein und sind als „Arbeitnehmer” im Sinne von deren Art. 1 Abs. 1 (12) anzusehen.

 

Der Generalanwalt teilt nun diese Auffassung. Es mache unionsrechtlich, anders als nach deutschem Recht, für die Anwendbarkeit der Richtlinie keinen Unterschied, ob zwischen den betroffenen Parteien ein Vertrag geschlossen wurde oder nicht.

 

Die Befugnis, den Anwendungsbereich der Richtlinie zu definieren werde keineswegs an die mitgliedstaatlichen Stellen delegiert, sondern die Bestimmungen der Richtlinie grenzten diesen Anwendungsbereich selbst ab, indem sie bestimmten, dass der Begriff „Arbeitnehmer” im Sinne dieses Unionsrechtsakts jeden erfasst, der eine Arbeitsleistung erbringt und deshalb in dem Mitgliedstaat, in dem er seine Tätigkeit ausübt, geschützt wird, gleich welcher Art und welcher Form das Verhältnis ist, das ihn mit dem Leiharbeitsunternehmen verbindet. Die Mitgliedstaaten hätten darauf zu achten, dass zum einen die Ziele des fraglichen Rechtsakts gewahrt und zum anderen die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts eingehalten werden.

 

Allenfalls wäre vom BAG zu prüfen, ob und inwieweit das Verhältnis zwischen der Schwesternschaft und ihren Mitgliedern seinem Wesen nach „erheblich anders ist als dasjenige, das Beschäftigte, die nach dem nationalen Recht zur Kategorie der Arbeitnehmer gehören, mit ihren Arbeitgebern verbindet”.

 

Es mache auch keinen Unterschied, dass es sich hier bei der Leiharbeitnehmer überlassenden Einheit um einen karitativen Verein handelt und dass die für die Überlassung von Arbeitnehmern erhaltenen Beträge ihm womöglich keinen Gewinn bringen, wie die Ruhrlandklinik geltend macht. Maßgeblich sei allein, ob die fragliche Einheit, gleich ob sie zum öffentlichen oder zum privaten Sektor gehört, eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe. Dies sei bei der Schwesternschaft der Fall. Der Umstand, dass die fragliche Tätigkeit eventuell nicht so rentabel ist wie vergleichbare Dienste anderer Wirtschaftsteilnehmer, hindert nicht daran, sie als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen.

 

Die Entscheidung des EuGH wird für Herbst 2016 erwartet. Anschließend wird das BAG die Grundsätze auf deutsches Recht transferieren müssen. Im Anwendungsbereich des AÜG gilt nach Vorstellung des Bundeskabinetts ab 2017 eine begrenzte Frist für die Überlassung von Arbeitnehmern von 18 Monaten.

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu