Zur Anwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bei mehrgliedrig stillen Gesellschaften

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei Urteilen vom 19. November 2013 (Az. II ZR 320/12; II ZR 383/12) entschieden, dass die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auch auf eine „mehrgliedrige” stille Gesellschaft anwendbar sind. Danach ist ein der Gesellschaft fehlerhaft beigetretener Anleger bei seinem Ausscheiden grundsätzlich auf ein Abfindungs- oder Auseinandersetzungsguthaben verwiesen. Die Durchsetzung darüber hinausgehender Schadensersatzansprüche kommt nur unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der übrigen Anleger in Betracht.
 
Den Urteilen lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Anleger hatten sich als atypisch stille Gesellschafter an einer Aktiengesellschaft beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag sah unter anderem eine gemeinsame Beteiligung der Anleger an Gewinn und Verlust der Gesellschaft vor. Unter Berufung auf fehlerhafte Beitrittserklärungen haben einige Anleger die Rückzahlung der geleisteten Einlagen im Wege des Schadensersatzes klageweise geltend gemacht.
 
Der BGH hat nun entschieden, dass die Rückabwicklung der Gesellschaft vorrangig über die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft durchzuführen ist. Aufgrund der Vielzahl von stillen Beteiligungsverhältnissen ist eine sogenannte stille mehrgliedrige Gesellschaft begründet worden, die insgesamt als eine einheitliche Publikumsgesellschaft zwischen allen Beteiligten zu betrachten ist. Daher gebiete das schutzwürdige Bestandsinteresse aller Anleger, dass einem Anleger bei fehlerhaftem Beitritt zwar ein sofortiges Kündigungsrecht zusteht, der Anspruch jedoch auf ein nach dem Gesellschaftsvertrag zu berechnendes Abfindungs- oder Auseinandersetzungsguthaben begrenzt ist. Mit Invollzugsetzung der Gesellschaft habe sich jeder Anleger in eine echte Risikogemeinschaft begeben und der gegenseitigen Teilung von Gewinn und Verlust an der Gesellschaft für einen langen Zeitraum zugestimmt. Es wäre daher unbillig, wenn einzelne Anleger bei frühzeitigem Ausscheiden aus der Gesellschaft ihre geleistete Einlage in Gänze zurückerhielten, während andere Anleger zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise leer ausgingen.
 
Der BGH weist darauf hin, dass entgegen der Ansicht der Berufungsgerichte weitere Schadensersatzansprüche der Anleger jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen Anleger nicht gefährdet ist. Dies sei der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch das Vermögen des Geschäftsinhabers sowohl die bestehenden (gegebenenfalls hypothetischen) Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche der übrigen Anleger als auch den konkreten Schadensersatzanspruchs deckt.

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Dr. Christian Conreder

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