Werden Volkshochschulen umsatzsteuerpflichtig? Neukonzeption der Umsatzsteuerbefreiungen für Bildungsleistungen im nationalen Recht – Was ändert sich?

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​veröffentlicht am 7. Oktober 2021

 

Am 31.7.2019 wurde im Bundeskabinett der Entwurf eines neuen Gesetzes zur „Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlichen Vorschriften” beschlossen. In diesem Rahmen ist eine Anpassung der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen an das europäische Recht vorgesehen. Die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen war bislang in § 4 Nr. 21 und Nr. 22 UStG geregelt. Mit der vorgesehenen Änderung des § 4 Nr. 21 UStG geht eine Streichung des § 4 Nr. 22 Buchstabe a UStG einher. Die Umsatzsteuerbefreiungsregelungen für Bildungsleistungen werden sich zukünftig auf den Bereich der beruflichen Verwertbarkeit von Weiterbildungsmaßnahmen beziehen. Dies kann zu gravierenden Auswirkungen insbesondere für die Volkshochschulen führen.

 

Bisher sind Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen „wissenschaftlicher oder belehrender Art”, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, von der Umsatzsteuer befreit, wenn die Einnahmen daraus überwiegend der Kostendeckung dienen.


Viele Leistungen der Volkshochschulen lassen sich derzeit noch unter den Begriff der „belehrenden Art” fassen. Dem Adressatenkreis kommt weniger Bedeutung zu, sodass auch Bildungsleistungen bspw. gegenüber Senioren unter Umständen nicht der Besteuerung unterliegen. Allerdings waren nach der Rechtsprechung auch bisher schon Leistungen, die der reinen Freizeitgestaltung dienten, nicht steuerbefreit. Vielfach werden Volkshochschulen schon aufgrund der gesetzlichen Aufgabenzuweisung, etwa durch Weiterbildungsgesetze, als eine Art „Hoheitsbetrieb” gesehen. In Kombination mit der Einführung des § 2b UStG kommt es auf diese Einstufung aber nicht mehr an. In den meisten Fällen wird § 2b UStG erst zum 1.1.2021 greifen. Die Anpassung des UStG für Bildungsleistungen ist ebenso zum 1.1.2021 vorgesehen, sodass der Bildungssektor der öffentlichen Hand sich auf teilweise tiefgreifende Veränderungen einstellen muss.

 

Die geplante Neuregelung sieht vor, „dass Schul- und Hochschulunterricht, Ausbildung und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen, wenn sie durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder durch andere Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung erbracht werden, von der Umsatzsteuer befreit sind.”

 

WAS BEDEUTET DAS FÜR DIE VOLKSHOCHSCHULEN?

Bisher umsatzsteuerbefreite Veranstaltungen, Kurse oder Seminare werden, sofern sie nicht einen direkten Bezug zur Berufstätigkeit haben oder aus Schul- und Hochschulunterricht bestehen, potenziell zukünftig umsatzsteuerpflichtig sein. Es ist nicht mehr maßgeblich, ob es sich allgemein um Veranstaltungen „wissenschaftlicher oder belehrender Art” handelt. Bildungsmaßnahmen werden zukünftig nur dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie auf berufliche Verwertbarkeit abzielen. Weiterbildungsmaßnahmen, die unter die Kategorie „reine Freizeitgestaltung” fallen, sind generell umsatzsteuerpflichtig. Reine Freizeitangebote werden auf Basis des Teilnehmerkreises definiert. Dies kann sich in Kursen für Senioren widerspiegeln, die aufgrund des fehlenden Bezugs zur Berufstätigkeit nun umsatzsteuerpflichtig werden können.


Eine weitere Änderung betrifft die uneingeschränkte Nennung der Volkshochschulen im bisherigen § 4 Nr. 22 Buchstabe a UStG. Zwar fallen privatrechtlich betriebene „Volkshochschulen” unter die Kategorie „andere Einrichtungen”. Derartige Einrichtungen sind nur und insoweit von der Umsatzsteuer befreit, wenn ihre Zielsetzungen darauf ausgerichtet sind, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die geeignet sind, einen Schul-, Hochschulabschluss oder einen Berufsabschluss oder berufliche Kenntnisse durch Fortbildung zu erwerben, zu erhalten oder zu erweitern. Leistungen und Fortbildungen sind auch nur dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Für die steuerliche Anerkennung ist zukünftig das Finanzamt zuständig. Das bisherige Bescheinigungsverfahren entfällt.

 

WIE IST DIE NEUE NORM ZU BEURTEILEN?

Die Neukonzeption wirft die Frage auf, ob die drohende Ausweitung der Besteuerung noch im Sinne des Bildungsauftrages der Bundesregierung ist. Die Differenzierung zwischen allgemeinen und unmittelbar berufsbezogenen Angeboten kann mitunter schwierig sein. Auch allgemeine Weiterbildungsangebote können auf einer anderen Ebene durchaus einen Berufsbezug haben, z. B. in der Schulung von sozialen Kompetenzen. In Zukunft wird sich sicherlich häufiger die Frage stellen, ob eine Veranstaltung umsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerbefreit zu behandeln ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass steuerpflichtigen Leistungen auch ein Vorsteuerabzug gegenübersteht, bspw. aus Flyern, Druckkosten und ggf. auch Investitionen. Volkshochschulen sind daher gehalten, ihren Leistungskatalog ab dem Jahr 2021 umsatzsteuerlich neu zu beurteilen. Als Folge sollte eine eindeutige Handhabe an die Weiterbildungsträger gereicht werden, damit nicht die Gefahr entsteht, dass die Weiterbildungsträger zu viele Veranstaltungen umsatzsteuerpflichtig behandeln, um vorsorglich einer möglichen Steuerverkürzung, -hinterziehung zu entgehen. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Finanzverwaltung die Anwendbarkeit der voraussichtlichen Neuregelung durch entsprechende Anpassungen des Umsatzsteueranwendungserlasses oder entsprechende BMF-Schreiben kommentiert. Fest steht, dass der Dialog mit der Finanzverwaltung intensiver wird, da die Voraussetzungen für die Befreiung durch das Finanzamt festzustellen sind.

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Maik Gohlke

Steuerberater, Diplom-Finanzwirt

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