Mitgliedschaft von Bürgermeistern und Landräten in Sparkassen-Verwaltungsräten künftig tabu?

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veröffentlicht am 3. Juli 2017

 

​Bürgermeister und Landräte sind schon kraft Gesetzes Vorsitzende der Verwaltungsräte der von ihren Kommunen getragenen Sparkassen. Jüngste Leitlinien Europäischer Bankenaufsichtseinrichtungen vermitteln auf den ersten Blick den Eindruck, als solle dies künftig nicht mehr möglich sein. Tatsächlich werden Mitgliedschaft und Vorsitz der Bürgermeister und Landräte in Sparkassen-Verwaltungsräten nicht berührt. Kandidaten für die Bestellung zum weiteren Verwaltungsratsmitglied werden sich jedoch an den verschärften Anforderungen messen lassen müssen.

 

​Vorsitz der kommunalen Hauptverwaltungsbeamten im Sparkassen-Verwaltungsrat ...

Kommunale Gebietskörperschaften dürfen Bankunternehmen weder errichten, noch sich daran beteiligen. Das öffentliche Sparkassenwesen ist von dem Verbot jedoch ausgenommen.1

 

Sparkassen(organisations)recht ist Landesrecht – und die Sparkassengesetze aller Flächenbundesländer bestimmen, dass die Bürgermeister bzw. Landräte Vorsitzende des Verwaltungsrats der von ihren Kommunen getragenen Sparkassen sind, vgl. z.B. „Vorsitzender des Verwaltungsrats ist der Vorsitzende des Hauptorgans des Trägers, bei Sparkassen mit mehreren Trägern der Vorsitzende der Versammlung der Träger”, § 14 Abs. 1 S. 1 SpG BaWü.2 Weitere Mitglieder des Verwaltungsrats werden durch das Hauptorgan des Trägers – also den Gemeinderat oder Kreistag – bestellt. Je nach Ausgestaltung des jeweiligen Landes-Sparkassengesetzes können weitere Verwaltungsratsmitglieder auch durch die Aufsichtsbehörde bestellt und/oder durch die Sparkassenbeschäftigten gewählt werden.


… durch jüngste Leitwerke europäischer Bankenaufsichtseinrichtungen nicht infrage gestellt, …

Zum Ende des vergangenen Jahres veröffentlichten europäische Bankenaufsichtseinrichtungen Entwürfe für Leitlinien zur Beurteilung der Qualifikation und Zuverlässigkeit der Mitglieder von Leitungsorganen von Kreditinstituten. Dabei wird (auch) betont, dass „Leitungsorgane” nicht nur die Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane – bei Sparkassen der Vorstand – sondern auch die Aufsichtsorgane – bei Sparkassen der Verwaltungsrat – sind. So veröffentlichte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) am 28. Oktober 2016 mit der Europäischen Wertpapier- und Markenaufsichtsbehörde (ESMA) einen gemeinsamen Entwurf für Leitlinien zur Beurteilung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und von Inhabern von Schlüsselfunktionen gemäß Richtlinie 2013/36/EU und Richtlinie 2014/65/EU3, die Europäische Zentralbank (EZB) am 14. November 2016 den Entwurf eines Leitfadens zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit. Der mit den EBA-/ESMA-Leitlinien „im Einklang stehende” EZB-Leitfaden wurde im Mai 2017 förmlich veröffentlicht4. Beide „Leitwerke” werden vom Willen der EU getragen, als Reaktion auf die Finanzkrise die Anforderungen an Leitungs- und Kontrollorgane von Kreditinstituten zu verschärfen. Beiden ist gemein, dass sie Kriterien für die Beurteilung der Eignung und Zuverlässigkeit der Leitungsorgane benennen und beschreiben: Erfahrung, Leumund, Interessenkonflikte und Unvoreingenommenheit, Zeitaufwand und kollektive Eignung.


Der EZB-Leitfaden gilt unmittelbar nur für die Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit der Mitglieder der Leitungsorgane der unter der direkten Aufsicht der EZB stehenden sog. „bedeutenden Institute”. Zwar zählen die wenigsten Sparkassen zu den im Sinne der Europäischen Bankenaufsichtseinrichtungen bedeutenden Instituten. Vielmehr finden sich annähernd alle der rund 400 deutschen Sparkassen auf der von der EZB veröffentlichen Liste der „weniger bedeutenden Institute”. Allerdings sind von der EZB erlassene Leitfäden auch von den nationalen Aufsichtsbehörden für die weniger bedeutenden Institute zu beachten.


Die nähere Befassung mit dem Beurteilungskriterium „Interessenkonflikte und Unvoreingenommenheit” legt dann zunächst nahe, dass die Funktion als Bürgermeister oder Landrat der Mitgliedschaft im Leitungs-/Aufsichtsorgan Verwaltungsrat entgegensteht.5 Denn nach dem EZB-Leitfaden6 begründet es einen „potenziell wesentlichen Interessenkonflikt”, wenn das betreffende Mitglied des Leitungsorgans „eine Position mit hohem politischem Einfluss” bekleidet. Wörtlich weiter:

‚Hoher Einfluss‘ ist auf jeder Ebene möglich: In der Lokalpolitik (z.B. Bürgermeister) (…). Die Wesentlichkeit des Interessenkonflikts hängt davon ab, ob das politische Amt mit spezifischen Machtbefugnissen oder Verpflichtungen ausgestattet ist, die das betreffende Mitglied daran hindern würden, im Interesse des beaufsichtigten Unternehmens zu handeln.”


Und in der Tat werden Konflikte zwischen den Interessen der Inhaberkommune und denen der Sparkasse wie etwa „Ausschüttung versus Nicht-Ausschüttung erzielter Gewinne“ immer wieder möglich sein.


Gleichwohl werden im Ergebnis Mitgliedschaft und Vorsitz der kommunalen Hauptverwaltungsbeamten im Verwaltungsrat der Sparkassen durch die EBA-/ESMA-Leitlinien und den EZB-Leitfaden nicht berührt. Denn erstens akzeptieren beide Leitwerke die Mitgliedschaft von Vertretern der Inhaber in den Leitungsorganen („Dies schließt nicht aus, dass Aktionärsvertreter auch Mitglieder im Leitungsorgan sein können”). Und, zweitens – und im Sinne einer rechtlichen Subsumtion noch gewichtiger –, haben beide Leitwerke nicht Rang oder Qualität von Rechtsnormen, können also – anders als materielles EU-Recht – die nationalen (Landes-) Sparkassengesetze nicht durchbrechen. Es bleibt damit beim durch die Sparkassengesetze bestimmten Vorsitz der Bürgermeister und Landräte im Verwaltungsrat „ihrer” Sparkassen.


… diese sind aber bei der Bestellung weiterer Verwaltungsratsmitglieder zu beachten

Das heißt aber nicht, dass die Leitwerke für die Kommunen nicht zu beachten wären. Denn EZB und nationale Aufsichtsbehörden werden sehr wohl darauf achten, dass die von den Kommunen zu bestellenden weiteren Verwaltungsratsmitglieder den Anforderungen der Leitwerke hinsichtlich Leumund, Erfahrung, Unvoreingenommenheit und Zeiteinsatz entsprechen. Bestellungen, die vornehmlich von den „politischen Verdiensten” der Kandidaten getragen werden, sind damit mindestens problematisch.


„Unter dem Strich” gilt damit nichts anderes, als das, was sich aus Deutschem Corporate Governance Codex und Public Corporate Governance Codex für die Bestellung von Mitgliedern in die Organe, insbesondere den Aufsichtsrat, kommunaler Beteiligungsgesellschaften ableiten lässt: Nützlichkeit für das Unternehmen – hier eben die Sparkassen – und Vermeidung eigener Haftungsrisiken sind nur gewährleistet, wenn das zu bestellende Mitglied über die erforderliche Qualifikation verfügt und ausreichend Zeit einsetzen kann.7 Den erforderlichen Zeiteinsatz muss jedes Mitglied selbst „mitbringen” – Qualifikationsmängeln oder -lücken kann (auch) mit Weiterbildungen und Schulungen entgegengetreten werden.

 

 

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1 z.B. Art. 87 Abs. 4 BayGO, § 107 Abs. 6 u. 7 GO NRW, § 71 Abs. 4 ThürKO.

2 Inhaltsgleich z.B. Art. 7 Abs. 1 BaySpkG, § 11 Abs. 1 SpkG NRW, § 10 Abs. 1 ThürSpkG. w
3 http://www.eba.europa.eu/regulation-and-policy/internal-governance/joint-esma-and-eba-guidelines-on-the-assessment-of-the-suitability-of-members-of-the-managementbody/-/regulatory-activity/consultation-paper;jsessionid=039871B065471787F786223BB492903C

4 https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/pr/date/2017/html/ssm.
pr170515.de.html

5 Siehe etwa auch FAZ v. 3. Mai 2017, S. 16 „Aufsichtsräte müssen Politik fern bleiben“.

6 Dort Ziff. 4.3, S. 16 ff

7 Siehe hierzu bereits Fokus Public Sector Oktober 2015, S. 2 f.

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Peter Lindt

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