Vergabeprivileg für interkommunale Zusammenarbeit in Gefahr?

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veröffentlicht am 7. Januar 2020

 

Zahlreiche Kommunen kooperieren bei unterschiedlichsten Aufgaben und betreiben beispielsweise gemeinsame Bauhöfe oder IT-Servicecenter. Die interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) zeichnet sich durch eine horizontale Kooperation zwischen 2 oder mehr öffentlichen Auftraggebern aus. Anders als beim vergabefreien Inhouse-Geschäft fehlt es bei der IKZ gerade an einem vertikalen Über-/Unterordnungsverhältnis und der damit verbundenen Kontrolle des öffentlichen Auftraggebers über den Auftragnehmer. Das Vergaberecht (vgl. § 108 Abs. 6 GWB; gemäß § 1 Abs. 2 UVgO gilt die GWB-Ausnahmeregelung auch bei Unterschwellenvergaben) ermöglicht deshalb öffentlichen Auftraggebern unter bestimmten Voraussetzungen Dienstleistungen gemeinsam zu erbringen, ohne dass eine Ausschreibung nötig ist. Das Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 14.5.2019 – Verg 1/19) hat in diesem Zusammenhang den Europäischen Gerichtshof angerufen, um zu klären, auf welche Weise öffentliche Auftraggeber zusammenarbeiten müssen, damit die Voraussetzungen einer vergaberechtsfreien interkommunalen Kooperation erfüllt werden.

 

ANFORDERUNGEN DER IKZ

Die Voraussetzungen einer IKZ sind in § 108 Abs. 6 GWB näher geregelt. Sie sind erstmals 2016 normiert worden, sind aber nicht völlig neu. Sie spiegeln hauptsächlich die hierzu ergangene europäische Rechtsprechung wider, insbesondere in der Rechtssache „Hamburger Stadtreinigung” (9.6.2009, C-480/06; Fokus Public Sector, Ausgabe Juli 2019, Seite 22 f. von Freya Schwering). Nach dem Gesetzeswortlaut müssen 3 Voraussetzungen gemeinsam vorliegen:

 

  1. der IKZ-Vertrag muss eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern begründen oder erfüllen, um sicherzustellen, dass die von ihnen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden,
  2. die Durchführung der Zusammenarbeit darf ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt werden,
  3. die öffentlichen Auftraggeber müssen auf dem Markt weniger als 20 Prozent der Tätigkeiten erbringen, die durch die Zusammenarbeit erfasst sind.

 

Keine Voraussetzung ist die Veröffentlichung einer IKZ. Die gleichwohl von manchen Autoren geforderte Transparenz, um potenzielle private Wettbewerber über eine IKZ durch Bekanntmachung in Kenntnis zu setzen, hat im Gesetz keine weitere Berücksichtigung gefunden.

 

PRIVATWIRTSCHAFT DARF NICHT BENACHTEILIGT WERDEN

Die IKZ darf nicht den Wettbewerb zulasten privater Unternehmen verzerren. Deshalb dürfen die IKZ-Partner maximal 20 Prozent an IKZ-gleichen Leistungen für fremde Dritte auf dem offenen Markt anbieten. Für die Berechnung des Prozentwerts sind der durchschnittliche Gesamtumsatz der letzten 3 Jahre oder andere tätigkeitsgestützte Werte zugrunde zu legen, wie z. B. die entstandenen Kosten der vergangenen 3 Jahre. Falls keine solchen Informationen vorliegen, sind die erforderlichen Werte bspw. durch Prognosen über die Geschäftsentwicklung glaubhaft zu machen.

 

KOOPERATIVES KONZEPT NÖTIG

Ferner muss ein IKZ-Kooperationsvertrag sicherstellen, dass die von den öffentlichen Auftraggebern zu erbringenden Dienstleistungen zwecks eines gemeinsamen Ziels ausgeführt werden. Einer bestimmten Rechtsform bedarf es hierzu nicht. Die öffentlichen Auftraggeber sind insoweit grundsätzlich frei. Die IKZ ist auch nicht auf bestimmte Dienstleistungen beschränkt, sondern kann alle Arten von Tätigkeiten umfassen. Die Dienstleistungen müssen zudem nicht identisch sein, sondern können sich ergänzen. Dabei dürfte es nicht erforderlich sein, dass alle kooperierenden öffentlichen Auftraggeber auch die Ausführung wesentlicher Vertragspflichten übernehmen. Wichtig dürfte insoweit nur sein, dass sie sich zu einem Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betreffenden Dienstleistungen verpflichtet haben.

 

Weiter darf die IKZ einzig und allein durch Überlegungen im öffentlichen Interesse bestimmt sein. Dies gilt vor allem für etwaige Finanztransfers zwischen den teilnehmenden öffentlichen Auftraggebern. Für eine vergaberechtsfreie Kooperation dürfte es aber nicht ausreichen, wenn sich der Beitrag eines IKZ-Partners auf die bloße Bezahlung beschränkt. Zusammenarbeit dürfte schon begrifflich mehr als die bloße Leistung gegen Zahlung sein. Dies hatte das Oberlandesgericht Koblenz schon Ende 2014 so entschieden.

 

EU-RICHTER MÜSSEN ENTSCHEIDEN

Mit seinem Vorlagebeschluss vom 14.5.2019 ersucht der rheinland-pfälzische Vergabesenat den Europäischen Gerichtshof nun doch um Klärung. Dort wird darüber zu entscheiden sein, ob eine IKZ auch dann vorliegt, wenn ein öffentlicher Entsorgungsträger, der seine Entsorgungsaufgabe in mehreren Arbeitsgängen erfüllen muss, diese nicht vollständig selbst erledigt, sondern einen anderen öffentlichen Entsorgungsträger damit beauftragt, einen der erforderlichen Arbeitsgänge gegen Entgelt auszuführen. Die Koblenzer Richter meinen hierzu jedenfalls, dass das entgeltliche Outsourcing nur eines Teils einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe keine vergaberechtsfreie IKZ darstellen könne. Letztlich wird es vor dem Europäischen Gerichtshof entscheidend darauf ankommen, welche konkreten Anforderungen an eine „Zusammenarbeit” bzw. an ein „kooperatives Konzept” gestellt werden, um eine vergaberechtsfreie IKZ bejahen zu können. Das zu erwartende Urteil der Luxemburger Richter kann daher weitreichende Folgen für die IKZ zeitigen.

 

 

 

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Holger Schröder

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