Die Stadt zum See und ihr Konzept für eine nachhaltigere Mobilität

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veröffentlicht am 7. Januar 2020

Autorin: Nicole Biedermann

 

Konstanz hat am 2.5.2019 als erste deutsche Stadt den Klimanotstand ausgerufen. Der Gemeinderat hat die Erklärung einstimmig beschlossen und setzt damit ein klares Zeichen, um eine nachhaltigere Entwicklung voranzutreiben. Damit soll mit jeder Entscheidung des Gemeinderats eine Einschätzung ihrer Klimarelevanz erfolgen. In den Fokus der hierfür vorgesehenen „Task Force” fallen zahlreiche Bereiche, bspw. die Energieversorgung von Gebäuden, die Entsorgung und auch die Mobilität. Doch gerade in Bezug auf die Mobilität gibt es schon länger den sog. Masterplan Mobilität 2020+ mit interessanten verkehrlichen und städtebaulichen Konzepten. Welchen konkreten Rahmen hat die Stadt vor Augen, um den Klimaschutzzielen aus verkehrlicher Sicht näherzukommen?

 

Mit ihren rund 82.000 Einwohnern liegt Konstanz direkt am Bodensee und ist „das wirtschaftliche, administrative, kulturelle und touristische Oberzentrum in der Region Hegau-Bodensee”. Der Rhein trennt die Stadt in eine rechts- und linksrheinische Seite. Linksrheinisch befinden sich die mittelalterliche Altstadt und das in der Gründerzeit entstandene Wohnviertel Paradies. An der Nordseite dieser beiden Stadtteile liegt der Rhein. Insgesamt führen 3 Brücken über den Rhein (davon eine reine Fahrrad- und Fußgängerbrücke) und verbinden die rechts- und linksrheinisch gelegenen Stadtteile. An der Südseite der linksrheinischen Kernstadt befinden sich die Schweizer Grenze und die unmittelbar anschließende Schweizer Stadt Kreuzlingen. Damit ist Konstanz (zumindest rund um die Kernstadt) räumlich begrenzt, was eine kompakte Stadtentwicklung mit der Maxime „Innenentwicklung vor einer weiteren Außenentwicklung” unabdingbar macht.

 

TOPOGRAFISCHE BESONDERHEITEN UND DEMOGRAFISCHE ENTWICKLUNG

Die erwartete Bevölkerungszunahme bringt neben einem steigenden Bedarf an Wohnraum auch höhere Anforderungen an die Effizienz des Mobilitätskonzepts mit sich. Die räumliche Entwicklung sollte daher kompakt und im Sinne einer „Stadt der kurzen Wege” erfolgen. Da die ältere Bevölkerung in Zukunft einen weitaus höheren Anteil ausmachen wird als die jüngere, gewinnt außerdem die barrierefreie Mobilitätsplanung zunehmend an Bedeutung. Die grenzübergreifende Mobilität aus der Schweizer Region Thurgau bzw. der Nachbarstadt Kreuzlingen und das touristisch bedingte hohe Verkehrsaufkommen bilden weitere wichtige Aspekte im Rahmen der Mobilitätsplanung.

 

ZUNEHMENDE BEDEUTUNG VON UMWELT UND KLIMA

Der Masterplan Mobilität 2020+ wurde bereits 2013 durch einen Grundsatzbeschluss im Gemeinderat verabschiedet und lässt die zunehmende Relevanz von Umwelt- und Klimaschutz klar erkennen. Die darin formulierten Maßnahmen basieren auf dem „Push & Pull”-Prinzip. Das bedeutet, dass attraktive Mobilitätsangebote als Alternative zur Nutzung des eigenen Autos entwickelt werden („push”), während die Umsetzung restriktiver Maßnahmen erfolgt („pull”), um den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren und im Ergebnis eine autounabhängige Mobilität und lebenswerte Stadtentwicklung zu fördern.


Insgesamt wurden 12 Handlungsfelder identifiziert, um die „Push & Pull”-Maßnahmen umzusetzen (vgl. Abb. 1). Die einzelnen Maßnahmen sind in einem integrierten Verkehrskonzept miteinander verbunden, werden darin konkretisiert und zeigen etwaige Konfliktfelder auf.

 

12 Handlungsfelder

Abbildung 1: Die 12 identifizierten Handlungsfelder werden in einem integrierten Verkehrskonzept konkretisiert und miteinander verbunden.

 

 

Bereits durch die kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen soll der Weg in die Innenstadt für alle Verkehrsteilnehmer erleichtert und die Aufenthaltsqualität gesteigert werden, auch an sog. Spitzentagen mit erfahrungsgemäß hohem Verkehrsaufkommen. Da die öffentlichen Parkplätze im Zentrum an den Spitzentagen oftmals nicht ausreichen, sollen außerhalb der Innenstadt Parkhäuser gebaut und über den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) optimal an die Innenstadt angebunden werden. In diesem Zusammenhang werden auch Wasserbusse in Erwägung gezogen. Ergänzend dazu soll die Zufahrt in das Zentrum eingeschränkt werden, bevor die dortigen öffentlichen Stellplätze belegt sind. Hierfür ist ein entsprechendes Verkehrsmanagement notwendig, bestehend aus einer Verkehrsleitzentrale, die über Schilder mit Wechselanzeige die aktuellen Parkinformationen kommuniziert. Für eine effizientere Abwicklung des grenzüberschreitenden und touristischen Verkehrsaufkommens sollen Besucher bereits vor der Anreise über eine alternative Verkehrsmittelwahl informiert werden.

 

KURZFRISTIGE MASSNAHMEN FÜR EINEN STAUFREIEN ALTSTADTRING

Darüber hinaus wird im Rahmen einer „Quelle-Ziel-Untersuchung” ermittelt, wo die Nachfrage nach Mobilität beginnt und wo sie endet. Auf dieser Basis soll das ÖPNV-Angebot bestmöglich an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Je nach Ergebnis der Untersuchung könnte dies auch die Entwicklung eines neuen Verkehrssystems erfordern. Die als kurzfristig eingestuften Maßnahmen werden als Voraussetzung für die Gestaltung eines staufreien Altstadtrings gesehen. Dieser wiederum ebnet den Weg für die weiterführenden, mittelfristigen Maßnahmen.

 

Die mittelfristigen Maßnahmen enthalten im Kern das sog. „C-Konzept”. Wird der Altstadtring als „O” bezeichnet, so soll der Abschnitt zwischen Bahnhof und Rheinsteig vom motorisierten Individualverkehr befreit werden. Der Autoverkehr soll sich somit auf die Straßen beschränken, die sich wie ein „C” um die Altstadt legen. Durch diese städtebauliche Maßnahme soll die Aufenthaltsqualität im Bereich des Bahnhofplatzes erhöht werden. Zudem rückt die Stadt durch den reduzierten Autoverkehr in diesem Abschnitt näher zum See, der sich unmittelbar hinter dem Bahnhof befindet. Durch die veränderte Aufteilung des Straßenraums können außerdem neue Flächen für Sharing-Angebote genutzt werden. Darüber hinaus verspricht die Maßnahme eine einfachere und sicherere Mobilität für Radfahrer und Fußgänger.

 

MIT DEM „C-KONZEPT” NÄHERT SICH DIE STADT ZU DEM SEE

Das höhere Verkehrsaufkommen im „C”-Bereich soll durch die Umsetzung der kurzfristigen Maßnahmen kompensiert werden, vor allem durch das Verkehrsmanagement in Verbindung mit einer Erhöhung der Parkflächen außerhalb des Zentrums.


Wie vorab bereits erwähnt, sieht sich die Stadt Konstanz in Zukunft mit steigenden Mobilitätsbedürfnissen konfrontiert. Um den Anteil des motorisierten Individualverkehrs nicht ansteigen zu lassen, werden weitere Kapazitäten im ÖPNV-System notwendig werden. Im Rahmen der langfristigen Maßnahmen wird daher untersucht, welche Mobilitätslösungen das derzeitige Stadtbussystem ergänzen und optimieren können, bspw. eine Tram oder Straßenbahn. Daneben gibt es die Idee einer S-Bahn, die im Viertelstunden-Takt zwischen Singen, Konstanz und der Schweiz verkehrt. Darüber hinaus wurde die Untersuchung einer Seilbahntrasse beauftragt, um den straßen- und schienengebundenen ÖPNV von der Luft aus zu entlasten.


Die Umsetzung der geplanten Maßnahmen soll durch Mobilitätsmanagement forciert werden. Durch Sensibilisierung und Beeinflussung des Mobilitätsverhaltens soll ein geeigneter Rahmen geschaffen werden, um die Mobilität effizienter, umwelt- und sozialverträglicher zu gestalten. Die Angebotsausweitungen im Umweltverbund und der Ausbau der Infrastruktur werden somit durch „weiche” Maßnahmen ergänzt. Diese liegen klassischerweise in den Bereichen Information, Beratung, Motivation, Koordination und Serviceangebote.

 

MOBILITÄTSMANAGEMENT UMMANTELT DIE „HARTEN” INFRASTRUKTURMASSNAHMEN

Dabei werden Einrichtungen und Institutionen einbezogen, die Mobilitätsnachfrage generieren, bspw. Betriebe, öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Wohnanlagen. Weitere Akteure sind Mobilitätsdienstleister, Interessensvertretungen und Verbände. Sie können mit ihren Maßnahmen unterschiedliche Zielgruppen adressieren, bspw. Beschäftigte, Schüler, Neubürger und Mieter.


Der Masterplan Mobilität 2020+ stellt einen Rahmenplan dar und lässt Raum für Weiterentwicklung und Anpassung. Ein konsequentes Monitoring, das die Öffentlichkeit und relevante Interessensträger einbezieht und ein regelmäßiger Evaluierungsprozess sollen zu dessen Überarbeitung zum Einsatz kommen.

 

Die Stadt Konstanz verdeutlicht mit dem Masterplan Mobilität 2020+ die Relevanz einer integrierten Betrachtung von Stadt- und Mobilitätsplanung. Eine optimale Kombination der beiden in Wechselbeziehung stehenden Dimensionen ist ein wesentlicher Treiber für die Entwicklung einer nachhaltigen Mobilität. Welche Maßnahmen im Einzelfall geeignet sind, hängt stark von den individuellen Rahmenbedingungen einer Kommune ab, wie das Beispiel der Stadt Konstanz mit ihren topografischen Besonderheiten veranschaulicht. Um die richtige Entscheidung bei den vielfältigen Möglichkeiten zur Entwicklung einer nachhaltigen Mobilität in Kommunen zu fällen, hält der „Werkzeugkasten für Kommunen” die ganze Bandbreite an Maßnahmen griffbereit. Die individuellen Rahmenbedingungen in einer Kommune sind entscheidend dafür, welche konkreten Maßnahmen ausgewählt werden sollten, um damit einen Beitrag für eine lebenswertere Kommune zu leisten.

 

 

 Werkzeugkasten für Kommunen

 

 

 

Unser Werkzeugkasten ist der Ideenspeicher für ein nachhaltiges Mobilitätskonzept in Ihrer Kommune.

 

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