Die Neubewertung von Vermögensgegenständen nach dem 2. NKF-Weiterentwicklungsgesetz sowie der KomHVO-NRW

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veröffentlicht am 1. April 2019

 

Im Zuge der Modernisierung des Kommunalhaushaltsrechts hat das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung (MHKBG) neben dem 2. NKF-Weiterentwicklungsgesetz auch die untergesetzliche Verordnung – neuerdings Kommunalhaushaltsverordnung (KomHVO) – angepasst.


Als eine der signifikantesten Neuerungen der Reform ist der Übergang des Bewertungsmaßstabes vom Vorsichtsprinzip zum sog. Wirklichkeitsprinzip nach § 91 Abs. 4 GO NRW i. V. m. § 33 Abs. 1 Nr. 3 KomHVO anzusehen. Legitimiert wird der Wechsel vom Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zum 2. NKF-WG dadurch, dass die vollumfängliche Anwendung des handelsrechtlich normierten Vorsichtsprinzips aufgrund der differierenden Rechnungslegungszwecke der öffentlichen Verwaltung und privatrechtlicher Unternehmen nicht sachgerecht ist. Denn während im Handelsrecht primär der Gläubigerschutz im Vordergrund steht, geht es bei den Kommunen – u. a. wegen der fehlenden Insolvenzfähigkeit – hauptsächlich um die Sicherung der Aufgabenerfüllung. Eine Konkretisierung des Wirklichkeitsprinzips ist u. E. bislang weder – wie ursprünglich in der Begründung zum Gesetzesentwurf zum 2. NKF-WG angekündigt – verordnungsrechtlich und in Form von Anwendungshinweisen noch durch den Erlass der kommunalen Haushaltsverordnung erfolgt.

 

In der KomHVO – der seit dem 1.1.2019 gültigen Nachfolgeverordnung der GemHVO – wird das Wirklichkeitsprinzip lediglich unter den allgemeinen Bewertungsanforderungen (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 KomHVO) explizit erwähnt und zum Teil beschrieben. Demnach sind die kommunalen Vermögens- und Schuldenwerte wirklichkeitsgetreu zu bewerten, namentlich sind dabei alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Stichtag und dem Tag der Aufstellung publik geworden sind. Ferner bleiben Risiken und Verluste, für deren Verwirklichung im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse der öffentlichen Haushaltswirtschaft nur eine geringe Wahrscheinlichkeit spricht, außer Betracht. Gewinne sind wiederum nur zu berücksichtigen, soweit sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Kurzum weicht die Vorschrift der KomHVO im Vergleich zur Vorgängerregelung der GemHVO (§ 32 Abs. 1 Nr. 3 GemHVO) nur insoweit ab, dass die Formulierung „vorsichtig zu bewerten” durch die wirklichkeitsgetreue Bewertung ausgetauscht wurde. Zudem sind zukünftig nur jene Risiken und Verluste mit einer nicht nur geringen Eintrittswahrscheinlichkeit zu berücksichtigen.

 

Wesensmerkmale, des bis zum 31.12.2018 geltenden Bewertungsgrundsatzes des Vorsichtsprinzips sind insbesondere die sich daraus ableitenden Realisations- und Imparitätsgrundsätze. Hiernach sind Gewinne erst auszuweisen, wenn sie realisiert wurden bzw. Verluste, die erst im Leistungs- oder Lieferungszeitpunkt realisiert werden, aufwandswirksam zu berücksichtigen sind, soweit sie bis zum Abschlussstichtag entstanden sind.

 

Bei genauerer Betrachtung der Neuregelungen (§ 91 Abs. 4 Nr. 3 GO) und KomHVO (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 KomHVO) wird deutlich, dass die Bewertungsgrundsätze weitestgehend übernommen wurden – abgesehen von der partiellen Abkehr beim Anschaffungskostenprinzip. Zukünftig ist es im Rahmen der wirklichkeitsgetreuen Bewertung gem. § 36 Abs. 5 KomHVO nämlich zulässig, Erhaltungs- oder Instandsetzungsaufwendungen zu aktivieren. Infolgedessen besteht der neue Wert des Vermögensgegenstandes aus den bisherigen fortgeführten Anschaffungs-/Herstellungskosten, erhöht um die Erhaltungs- bzw. Instandsetzungsaufwendungen. Als Voraussetzung für die Hinzuaktivierung von Erhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen bzw. – um dem Wortlaut des Gesetzestextes zu folgen – die Neubewertung des Vermögensgegenstandes des Anlagevermögens führt § 36 Abs. 5 KomHVO auf, dass die wirtschaftliche Nutzungsdauer durch die Erhaltung oder Instandsetzung verlängert werden muss. Demgemäß bedarf es bei der Aktivierung nachträglicher Kosten nicht mehr den strengen Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 S. 1 KomHVO (bzw. vormals § 33 Abs. 3 S. 1 GemHVO) – d. h. der Neuherstellung bzw. Erneuerung, Erweiterung oder Wertverbesserung über den ursprünglichen Zustand hinaus – sondern es genügt die Verlängerung der Nutzungsdauer aufgrund einer umfassenden Erhaltung oder Instandsetzung als Tatbestandsmerkmal für die Hinzuaktivierung.

 

Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass im Zuge der Neubewertung dem bisherigen Buchwert maximal die entstandenen Erhaltungs-/Instandsetzungsaufwendungen hinzuaktiviert werden dürfen. Eine Aufdeckung stiller Reserven – bspw. aufgrund einer Bewertung zu aktuellen Markt- oder Zeitwerten – ist ausgeschlossen, da dies gegen das Realisationsprinzip des § 33 Abs. 1 Nr. 3 S. 3 KomHVO verstößt. Dies entspricht auch der Gesetzesbegründung zum 2. NKF-WG, wonach das Wirklichkeitsprinzip nicht mit einer reinen Marktwertbetrachtung gleichzusetzen sei. Folglich kann es auch zukünftig bei einer wirklichkeitsgetreuen Bewertung kommunaler Vermögensgegenstände zur Bildung stiller Reserven kommen.

 

Insgesamt führt die Abkehr vom Vorsichtsprinzip zwar potenziell zum Ziel des MHKBG, die kommunale Investitionstätigkeit durch die partielle Aktivierungsfähigkeit von Erhaltungs- und Instandsetzungsinvestitionen wieder zu stärken, allerdings stellt sich die Frage, ob die ursprünglichen Bewertungsregeln des NKF ursächlich für den Investitionsstau sind und das Wirklichkeitsprinzip nicht zumindest teilweise gegen einzelne Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verstößt, z. B. gegen das Periodisierungsprinzip oder das Realisationsprinzip bzw. das darauf zurückzuführende Anschaffungskostenprinzip. Darüber hinaus distanziert sich die kommunale Rechnungslegung gegenwärtig weiter von den handelsrechtlichen Vorgaben und im Vorgriff auf die EPSAS auch von den europäischen Bewertungsgrundsätzen für die öffentliche Hand.

 

Infolge der haushaltsrechtlichen Reform kommt es mit dem in § 36 Abs. 2 KomHVO geregelten Komponentenansatz zu einer weiteren essenziellen Neuerung bzgl. des Ansatzes und der Bewertung von kommunalen Anlagevermögen.

 

Demnach dürfen neuerdings bei Gebäuden für das Bauwerk und für die mit ihm verbundenen Gebäudeteile (Komponenten) Dach und Fenster unterschiedliche Nutzungsdauern bestimmt werden. Darüber hinaus dürfen weitere Komponenten gebildet werden, soweit es sich um mit dem Gebäude verbundene physische Gebäudebestandteile handelt und deren Wert im Einzelnen mindestens 5 Prozent des Neuwertes beträgt. Bei Straßen dürfen für die Komponenten Deckschicht und Unterbau ebenfalls unterschiedliche Nutzungsdauern festgelegt werden. Für alle anderen Vermögensgegenstände ist die Anwendung des Komponentenansatzes ausgeschlossen.


Damit folgt der Gesetzgeber vornehmlich dem im Rahmen der zweiten Evaluation des NKF von den Kommunalaufsichten, der Gemeindeprüfanstalt und den kommunalen Spitzenverbänden genannten Vorschlag zur Einführung eines Komponentenansatzes. Fraglich ist, inwieweit der Ansatz den ursprünglichen Vorstellungen entspricht und die kommunalen Besonderheiten berücksichtigt.

 

Die allgemeine Beschränkung auf die Komponenten Dach und Fenster sowie der prozentuale Anteil anderer Komponenten als die zuvor genannten in Höhe von 5 Prozent am sog. Neubauwert erschließt sich uns nicht vollkommen. Einerseits wäre es unserer Meinung nach angemessener, die Anwendung des Komponentenansatzes u. a. auch auf die anderen Zentralgewerke eines Gebäudes (Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallation) zu erweitern. Andererseits sollte die Begrifflichkeit „Neubauwert“ – von der die Bildung weiterer Komponenten grds. abhängt – durch eine einfach zu ermittelnde, geeignete und bereits definierte Größe ersetzt werden, z. B. durch die historischen Anschaffungs-/Herstellungskosten oder den fortgeführten Buchwert. Denn nur so oder per klärender Definition durch den Gesetzgeber kann eine Diskrepanz bei der Auslegung des Begriffs vermieden und die landesweit einheitliche Bildung einzelner Komponenten gewährleistet werden.


Bzgl. der Beschränkung bei Straßen, Wegen und Plätzen stellt sich außerdem die Frage, weshalb bei der Anwendung des Komponentenansatzes auf eine bituminöse Bauweise abgestellt wird.

 

Des Weiteren steht die Formulierung der Regelung als sog. „Kann-Bestimmung” einem der eigentlichen Ziele des NKF – der Harmonisierung kommunaler Abschlüsse – gegenüber. Deshalb vertreten wir die Meinung, das Wahlrecht zur Ausübung des Komponentenansatzes in eine Pflicht umzuwandeln, sobald erstmals (neue) Komponenten ausgetauscht oder erneuert werden. Dadurch findet der Komponentenansatz für die entsprechenden Vermögensgegenstände des Anlagevermögens Anwendung, wenn es im Rahmen einer Investitions- oder Erhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahme zu einem Komponentenaustausch kommt. Im Gegenzug dazu ist der Komponentenansatz u. E. somit – aufgrund des Grundsatzes der Bewertungsstetigkeit gem. § 33 Abs. 1 Nr. 5 KomHVO – nicht auf den Altbestand anzuwenden, da es für diesen sachlich keinen Grund für eine Änderung der bisher angewandten Bewertungsmethoden gibt.

 

Zusammengefasst kommt es aufgrund der essenziellen Neuerungen beim Ansatz und insbesondere bei der Bewertung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens zu einigen Unklarheiten bzw. zu einem erhöhten Konkretisierungsbedarf des Gesetzgebers.

 

Aus diesem Grund bleibt es abzuwarten, ob der Gesetzgeber die bis dato offenen Begrifflichkeiten (z.B. „wirklichkeitsgetreu”) – wie ursprünglich einmal angekündigt – verordnungsrechtlich in Form von Anwendungshinweisen spezifiziert oder am Ende andere für Klarheit sorgen müssen.

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Patrick Preußer

Master of Science, Diplom-Betriebswirt (FH), Steuerberater, Zertifizierter Compliance Officer

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