Dach und Fenster als eigener Vermögensgegenstand: Die Anwendung des Komponentenansatzes in NRW

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veröffentlicht am 1. April 2019

 

Es war abends um 21:00 Uhr, als der Kämmerer Hemdsärmel dem Prüfer Genau erklärte, dass die Stadt Wünschdirwas im Jahresabschluss 2019 die Bewertungsmethode bei den Gebäuden gemäß § 36 Abs. 2 KomHVO auf den Komponentenansatz umstellen werde, und zwar auch für den Altbestand. Da die fällig werdenden Abschreibungen in der Ergebnisrechnung nur unnötig den Haushalt belasteten, werde man die ganze Veranstaltung direkt gegen die Allgemeine Rücklage buchen. „Halt, halt”, schritt der Prüfer entschieden ein, „so einfach geht das nicht, der Komponentenansatz gilt nur für neu angeschaffte/hergestellte Vermögensgegenstände; das sah der Entwurf des Gesetzes ausdrücklich vor.” Darauf entgegnete Hemdsärmel lakonisch: „Können Sie mir bitte mal erläutern, wo diese Vorschrift in der KomHVO oder in der GO zu finden ist und warum man die im Entwurf enthaltene Regelung nicht in die KomHVO übernommen hat?”

 

Nun gut, dachte Genau, das lässt sich wohl nicht widerlegen und zog den Joker der Bewertungsstetigkeit nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 KomHVO, schließlich handelte es sich um die Änderung einer Bewertungsmethode und nicht um eine Fehlerkorrektur. Hemdsärmel hatte für den Einwand seines Prüfers nur ein müdes Lächeln: „Herr Genau, Sie müssen § 33 KomHVO schon genau und zu Ende lesen; vom Stetigkeitsgrundsatz kann in Ausnahmefällen abgewichen werden. Gesetzesänderungen sind die Mutter des Ausnahmefalls.” Auch hier kam der Prüfer zu der Erkenntnis, dass dies zwar eine sehr weite Auslegung der Ausnahmeregelung war; die Argumentation des Kämmerers am Ende des Tages aber nicht als unzutreffend zu entlarven sei und ein Bestehen auf seiner Meinung nur zu endlosen Diskussionen führen würde.


Nun aber kam der Silberstreif am Horizont, der den Prüfer davor bewahrte, auf ganzer Linie zweiter Sieger zu werden. „Eine Verrechnung der fällig werdenden Abwertung mit der Allgemeinen Rücklage kommt aber nicht in die Tüte, oder können Sie mir bitte mal erläutern, wo diese Vorschrift in der KomHVO zu finden ist?” Das stimmt, dachte der Kämmerer, eine unmittelbare Verrechnung nach § 44 Abs. 3 KomHVO kommt nur bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen nach § 90 GO und bei Wertveränderungen von Finanzanlagen in Betracht. Auch die Lösung des Arbeitskreises NKF zur erfolgsneutralen Korrektur von Jahresabschlüssen wird nicht ziehen, weil eben keine Fehlerkorrektur, sondern nur die Änderung einer Bewertungsmethode vorliegt.

 

Und so einigten sich Kämmerer und Prüfer auf diese Lösung, die der Prüfer nicht schön fand, die aber letztendlich nicht zu beanstanden war. Und wenn nicht vier Jahre später der überörtliche Prüfer Gründlich gekommen wäre, hätten sie auch heute noch das beste Mandatsverhältnis. Anders als Genau musste Gründlich nicht Farbe bekennen und in einem Bestätigungsvermerk eine Aussage treffen, dass der Jahresabschluss als Ganzes richtig sei. Vielmehr bestand seine berufliche Bestimmung in Empfehlungen und Feststellungen. Die schönste dieser „War Stories” war der vermeintliche Verstoß gegen die Bewertungsstetigkeit wegen Anwendung des Komponentenansatzes auf den Altbestand.

 

In der einberufenen Sitzung stellten die Ratsmitglieder dem Kämmerer verwirrt die Frage, wie es zu dieser Situation kommen konnte. Hemdsärmel meinte, er verstehe das auch nicht, schließlich hätte er die Vorgehensweise mit Genau abgestimmt und dieser habe dem Jahresabschluss einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Nun richteten sich alle Augen auf den Abschlussprüfer: Würde Genau die Stadt Wünschdirwas vor dem drohenden Bilanzierungsungemach bewahren können …?
In diesem Moment erschien Ministerialdirigent von Ritter im Sitzungssaal und versprach, dass am Ende alles gut werden würde und sämtliche Zweifel mit einem Handstreich von 4.800 Seiten beseitigt werden würden.

 

Hier endet diese kleine Geschichte. Nach unserem Verständnis beabsichtigt das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBG), zeitnah eine Klärung von Auslegungsfragen herbeizuführen. Ohne dieser Klärung vorgreifen zu wollen, empfehlen wir, den Komponentenansatz nur auf Vermögensgegenstände anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2018 angeschafft/hergestellt bzw. erheblich erhalten/instandgesetzt wurden.


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Oliver Quost

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