Rechtsprechung konkretisiert den Zerlegungsmaßstab im Gewerbesteuerrecht bei mehrgemeindlicher Betriebstätte

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veröffentlicht am 1. April 2025


Kurz gelesen: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 14.12.2023 die Behandlung der Gewerbesteuermessbetragszerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten konkretisiert und somit seither eine gewisse Rechtssicherheit für die Praxis geschaffen.

Liegen Betriebsstätten i. S. d. § 12 AO eines Unternehmen in mehreren Gemeinden, muss der Gewerbesteuermessbetrag grundsätzlich zerlegt und der jeweilige Anteil den einzelnen Gemeinden zugewiesen werden. Der gleiche Grundsatz gilt bei einer unterjährigen Verlegung des Gewerbebetriebs von einer Gemeinde in eine andere (vgl. § 28 Abs. 1 S. 1, 2 GewStG). Außerdem ist die Frage der Aufteilung in Organschaftsfälle aufgrund der Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 GewStG zu klären. Insgesamt ist der festzusetzende Gewerbesteuermessbetrag gem. § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GewStG auf die einzelnen Kommunen aufzuteilen. Zuständig ist hierfür das Betriebsstätten- oder Wohnsitzfinanzamt (vgl. §§ 19 bis 21 AO).

Bei der Zerlegung der Gewerbesteuer gelten entsprechend der §§ 29 bis 31 GewStG folgende Grundsätze. In der Regel kommt als Aufteilungsmaßstab der Arbeitslohn gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG infrage. Abweichend kann jedoch bei Anlagen zur Erzeugung von Energieträgern aus Wind- und Solarenergie gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG ein besonderer Maßstab angewendet werden, der sich überwiegend durch das Sachanlagevermögen bestimmt. Ebenfalls kommt bei einer mehrgemeindlichen Aufteilung des Gewerbesteuermessbetrags ein abweichender Maßstab gem. § 30 GewStG zum Tragen. Danach ist der Steuermessbetrag oder Zerlegungsanteil auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte erstreckt, und zwar nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten. Bei einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte soll die Zerlegung für die jeweilige Gemeinde einen Ausgleich für die Belastungen darstellen, die der betreffenden Gemeinde durch das Vorhandensein der Betriebsstätte entstehen. Dieser Sinn und Zweck der Zerlegung folgt aus der Heranziehung der Arbeitslöhne als dem zugrunde zu legenden Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 GewStG, da nach Auffassung des Gesetzgebers vor allem die Angestellten und Arbeitnehmer der Betriebsstätte sowie deren Angehörige die Gemeindelasten entstehen lassen. Ein wesentlicher Teil dieser durch die Arbeitnehmer und Angestellten der Betriebsstätte sowie deren Angehörigen entstandenen Gemeindelasten bezieht sich auf Fürsorgeleistungen im weitesten Sinne (sogenannte Arbeitnehmerfolgekosten).

Im Entscheidungsfall speiste ein Gasversorgungsunternehmen Erdgas ins deutsche Ferngasnetz im Stadtgebiet der klagenden Gemeinde ein. Das Unternehmen betrieb ein Erdgasleitungsnetz, das mehrere Gemeinden umfasste. Der Gewerbesteuermessbetrag wurde zunächst anhand der gezahlten Arbeitslöhne auf die Gemeinden verteilt (Hauptzerlegung). Anschließend wurde der Anteil der mehrgemeindlichen Betriebsstätte in einem zweiten Schritt (Unterzerlegung) zu je 50 Prozent basierend auf den Arbeitslöhnen und der Gasabgabemenge auf die beteiligten Gemeinden verteilt. Die klagende Gemeinde forderte, dass neben den dort wohnenden Arbeitnehmern auch die Betriebsanlagen als Zerlegungsmaßstab berücksichtigt werden, da sie die finanziellen Lasten der Anlagen trage. Die Menge des abgegebenen Erdgases sollte dabei nicht berücksichtigt werden.

Im Urteil vom 14.12.2023 (IV R 2/21) entschied der BFH, dass die Menge des in den Gemeinden abgegebenen Erdgases ein geeignetes Zerlegungskriterium für eine mehrgemeindliche Betriebsstätte nach §§ 29, 30 GewStG darstellt. Die Zerlegung soll gemäß § 30 GewStG unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und Gemeindelasten erfolgen, wobei diese nur typisiert bestimmt werden müssen. Eine individuelle Gewichtung der Beeinträchtigungen in den Gemeinden ist nicht erforderlich. In der Unterzerlegung sind sowohl persönliche als auch sachliche Lasten zu berücksichtigen, wobei die Abgabemenge als typisiertes Kriterium dient. Der Faktor Betriebsanlage ist hingegen unpraktikabel, da dessen Wert schwer zuzuordnen ist und die erforderlichen Daten erst ermittelt werden müssten.

Der BFH bestätigte somit die Verwendung der Gasabgabemenge als Zerlegungsmaßstab und die hälftige Gewichtung der Zerlegungsmaßstäbe Arbeitslöhne und Gasabgabemenge. In zwei weiteren anhängigen Verfahren entschied der BFH am selben Tag weitestgehend inhaltsgleich.

Die Entscheidung beleuchtet die Herausforderungen bei gemeinschaftlichen mehrgemeindlichen Betriebsstätten, da § 30 GewStG nur vage Vorgaben für die Zerlegung macht. Die Gewichtung muss individuell 
unter Berücksichtigung der jeweiligen Gemeindelasten erfolgen. Der BFH hält eine Zerlegung basierend auf den Abgabemengen des Erdgases für zulässig. Obwohl es sich um einen Einzelfall handelt, der nicht von globaler Bedeutung ist, verdeutlicht die Entscheidung die grundlegenden Prinzipien der Zerlegung und die damit verbundenen Diskussionen im Einzelfall.

Gerade im Hinblick auf die Zerlegung der Gewerbesteuer bei sog. mehrgemeindlichen Betriebsstätten kommt dem Einzelfall eine große Bedeutung zu, da hier die verschiedenen Faktoren bei der Zerlegung eine Rolle spielen können. Auch der Umstand, dass eine der beteiligten Gemeinden die größeren Arbeitnehmerfolgekosten zu tragen hat, kann einen Anlass geben, die bestehende Zerlegung zu ändern. Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn sich zwar der Großteil der Fläche des Steuerpflichtigen auf dem Gebiet der einen Gemeinde befindet, aber die Mehrzahl der Arbeitnehmer in der anderen Gemeinde wohnhaft ist und dadurch dort zu einem „Mehr” an Arbeitnehmerfolgekosten führt.

Gern helfen wir Ihnen bei der Prüfung einer ggf. erforderlichen Anpassung des Zerlegungsmaßstabs.

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