Jahressteuergesetz 2024 – Ein Entwurf mit weitreichenden Folgen für juristische Personen des öffentlichen Rechts

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veröffentlicht am 1. Juli 2024


Der Entwurf des Jahressteuergesetzes (JStG) 2024 impliziert weitreichende Auswirkungen auf die steuerliche Landschaft in Deutschland. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) sorgt neben der Anpassung von Umsatzsteuerbefreiungen - insbesondere im Bereich der Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG-E) und zum Sport (§ 4 Nr. 22 UStG-E) – vor allem die erneute Verschiebung der verpflichteten Anwendung des § 2b UStG für Diskussion. 

Zwar markiert der zunächst veröffentlichte Referentenentwurf des JStG 2024 lediglich den Beginn des Gesetzgebungsprozesses und wird noch von verschiedenen Fachleuten, Verbänden, kommunalen Spitzenverbänden und Interessengruppen kommentiert, ehe ein Gesetzesentwurf steht - allerdings ist aufgrund der Historie zur mehrmaligen Verschiebung nur bedingt vorstellbar, dass die Verlängerung der § 2b UStG-Übergangsfrist wieder aus dem JStG gestrichen wird.

Am 5.6.2024 hat das Bundeskabinett den Entwurf beschlossen und die nächste Stufe des Gesetzgebungsverfahrens eingeläutet. 


Verlängerung der Übergangsfrist von § 2b UStG

Historie der § 2b UStG-Übergangsfrist​

Die Neufassung des umsatzsteuerlichen Unternehmerbegriffs für jPdöR trat zum 1.1.2016 in Kraft. Ursprünglich war eine Übergangsfrist bis zum 1.1.2021 vorgesehen. Primär begründet durch außergewöhnliche Ereignisse wie die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg wurde diese Frist um vier Jahre verlängert, bis zum 1.1.2025. Mit dem aktuellen Entwurf des JStG 2024 soll diese Übergangsfrist erneut verlängert werden, dieses Mal bis zum 1.1.2027.

Nach der Begründung im Entwurf sehen sich die jPdöR im Zusammenhang mit der Umstellung auf die neuen umsatzsteuerlichen Regelungen - nach wie vor - mit erheblichen administrativen und finanziellen Herausforderungen konfrontiert. Weiterhin bestünden grundlegende Rechtsanwendungsfragen, die zu großer Verunsicherung bei den Verantwortlichen führen. Die erneute Verlängerung der Übergangsregelung führe darüber hinaus nicht dazu, dass sie den Wettbewerb wesentlich beeinträchtigen wird. 

Insbesondere Letzteres erscheint jedoch fragwürdig, da die Einführung des § 2b UStG ursprünglich darauf abzielte, die Privatwirtschaft vor Wettbewerbsverzerrungen durch wirtschaftliche Aktivitäten des öffentlichen Sektors zu schützen. Infrage kann daher gestellt werden, ob die erneute Verlängerung der Übergangsregelung noch im Einklang mit dem ursprünglichen Ziel steht.

Nicht angehoben werden soll hingegen die Wettbewerbsverzerrungsgrenze gem. § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die Umsatzgrenze ist bisher mit 17.500 Euro in dem Umsatzsteuergesetz verankert. Ursprünglich angelehnt an die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG vor dem 1.1.2020) soll im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 die Grenze für Kleinunternehmer für Umsätze im vorangegangenen Kalenderjahr auf mittlerweile 25.000 Euro angehoben werden. Die Umsatzgrenze zur Wettbewerbsverzerrung gem. § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG wurde jedoch nicht in den Entwurf mit aufgenommen. 

Praktische Auswirkungen und Umsetzungshinweise


Die geplante Verlängerung der Übergangsfrist würde den betroffenen jPdöR nochmals mehr Zeit bieten, um steuerrechtliche Leistungsbeziehungen gemäß der neuen Rechtslage zu bewerten. 

Für Sachverhalte, die steuerrechtliche Fragestellungen für die Vergangenheit aufwerfen, die durch die Einnahmenanalyse bekannt wurden, würde ebenfalls mehr Zeit bestehen, um die korrekte Abwicklung gegenüber der Finanzverwaltung vorzunehmen und die Klärung mit der Finanzverwaltung herbeizuführen.

Weiterhin sind technische Prozesse entsprechend der neuen Rechtslage anzupassen, beispielsweise durch die Einstellung von Steuerkennzeichen in ERP-Systemen. So ist davon auszugehen, dass insbesondere die jPdöR von dem erneuten Zeitaufschub profitieren, die bisher wenig Ressourcen in den Umstellungsprozess investiert haben. Hingegen dürfte die erneute Verlängerungsmöglichkeit bei den Projektverantwortlichen von jPdöR, die schon weit fortgeschritten im Umstellungsprozess sind, oftmals für Misslaune sorgen. Neben zeit- und kostenintensiven Rückabwicklungstätigkeiten sind endgültige Zurückweisungen in der Belegschaft gegen das sich „ständig aufschiebende“ steuerliche Großprojekt zu erwarten.

Mögliche Vorteile der Verlängerung
  • Zeitgewinn: Die Institutionen haben mehr Zeit, um steuerrechtliche Aspekte zu bewerten und technische Prozesse anzupassen.
  • Wirtschaftliche Vorteile: Unter der alten Rechtslage können bestimmte ertragssteuerliche begünstigende Regelungen weiterhin auch für die Umsatzsteuer genutzt werden (zum Beispiel im Rahmen von Beistandsleistungen oder in Personalgestellungen in Umstrukturierungsfällen). Weiterhin bleiben Tätigkeiten von geringem Wert steuerrechtlich (und damit administrativ) begünstigt.
  • Preisstabilität in Gemeindeleistungen: Durch Verbleib in der alten Rechtslage können Gemeindeleistungen gegenüber den Bürgern im umsatzsteuerrechtlichen Kontext preislich konstant gehalten werden.

Mögliche Nachteile der Verlängerung
  • Sinkende Glaubwürdigkeit: Die Glaubwürdigkeit des Umstellungsprozesses auf § 2b UStG leidet. Die Motivation der Mitarbeiter – sowohl in der Steuerabteilung als auch in den Fachbereichen – zur gesetzeskonformen Umstellung wird negativ beeinflusst
  • Rückabwicklung von Umstellungen: Bereits durchgeführte technische Umstellungen oder Vertragsgestaltungen könnten zeitaufwendig und kostspielig rückgängig gemacht werden müssen.
  • Wirtschaftliche Aspekte: Der Verlust von Vorsteuerpotential und mögliche Rückabwicklungen könnten wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Die Entscheidung, das Wahlrecht bezüglich der Umsatzsteuerrechtslage auszuüben, erfordert eine gründliche Analyse sowohl der wirtschaftlichen als auch der organisatorischen Aspekte. Sofern die jPdöR weiterhin die alte Rechtslage gem. § 2 Abs. 3 UStG a. F. anwenden möchte, besteht kein aktiver Handlungsbedarf - die ursprünglich erklärte Option zur Übergangsfrist wirkt fort. Sofern die jPdöR das Wahlrecht zugunsten der neuen Rechtslage gem. § 2b UStG ausüben möchte, ist ein aktives Zutun im Sinne des Widerrufs der Option erforderlich. Sofern das Wahlrecht einmal zugunsten des § 2b UStG ausgeübt wird, kann die jPdöR nicht mehr in das alte Umsatzsteuerrecht zurückwechseln.

§ 4 Nr. 21 UStG: Neue Fassung im Kontext der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 

Die Überarbeitung des § 4 Nr. 21 UStG im Rahmen des Entwurfs bringt wesentliche Veränderungen für die Besteuerung von Bildungsleistungen mit sich. Die alte Fassung befreite bestimmte Schul- und Bildungseinrichtungen sowie selbstständige Lehrer, die unmittelbar dem Schul- und Bildungszwecke dienende Leistungen erbringen. Im Zuge der Anpassungen an die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) wurden diese Regelungen nun überarbeitet, um sie an europäische Vorgaben anzupassen und, so heißt es in der Begründung, den bürokratischen Aufwand zu verringern.

Die Neue Fassung


Die Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG ist an den Vorgaben der MwStSystRL zu Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i und j ausgerichtet. Ein erfreulicher Schritt ist die geplante Abschaffung des Bescheinigungsverfahrens durch die Landesbehörden. Dies würde den bürokratischen Aufwand erheblich reduzieren, die Kosten für betroffene Einrichtungen, Behörden und Gerichte senken sowie die Rechtssicherheit erhöhen, da der geteilte Rechtsweg zwischen Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit entfallen würde. Insgesamt zielt die Neufassung darauf ab, Bildungsleistungen unabhängig von der Trägerschaft der Einrichtungen steuerlich zu begünstigen. 

So werden unter § 4 Nr. 21 UStG-E von der Umsatzsteuer befreit:

  • a) Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder durch andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen erbracht werden. 
  • b) Schul- und Hochschulunterricht, der von Privatlehrern erbracht wird. 

Begünstigte Einrichtungen und Leistungen


Begünstigt sind öffentliche Einrichtungen wie staatliche Schulen und Hochschulen, die ihre Bildungsaufgaben wahrnehmen. Neben den öffentlichen Einrichtungen profitieren auch nicht-öffentliche Einrichtungen von dieser Begünstigung, sofern sie von den Mitgliedstaaten anerkannt sind und vergleichbare Bildungsziele verfolgen. Hierzu zählen anerkannte Ersatzschulen, Ergänzungsschulen, Hochschulen nach Landesrecht sowie Fernlehrinstitute und andere Bildungseinrichtungen im Bereich der Aus- und Fortbildung.

Zusätzlich fallen selbstständige Lehrer, die als freie Mitarbeiter Unterricht an Schulen, Hochschulen oder anderen Bildungseinrichtungen geben, unter den Begriff der begünstigten Einrichtung für steuerliche Befreiungszwecke. Die Kategorie „selbstständiger Lehrer“ wird unter § 4 Nr. 21 a) UStG subsumiert und wird bewusst abgegrenzt von Privatlehrern, die gemäß lit. b) befreit werden. Diese Abgrenzung ist wesentlich, da die Steuerbefreiung für Privatlehrer lediglich die Erteilung von Schul- und Hochschulunterricht erfasst, während die Steuerbefreiung für selbstständige Lehrer auch Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung umfasst. Ein Privatlehrer im Sinne der MwStSystRL und des nationalen Gesetzes 
(§ 4 Nummer 21 Satz 1 Buchstabe b UStG-E) ist eine natürliche Person, die Unterricht in eigener Person, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung anbietet.

Begünstigte Bildungsleistungen


Neben dem Schul- und Hochschulunterricht sind auch Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung von der Steuerbefreiung umfasst.

Der Schul- und Hochschulunterricht umfasst die systematische Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten über ein breites Themenspektrum. Dieser Unterricht beinhaltet sowohl praktische als auch theoretische Inhalte. Es werden auch Nachhilfeleistungen begünstigt, die darauf abzielen, bereits erlernte Kenntnisse zu vertiefen und zu festigen.

Bei Ausbildungsleistungen handelt es sich um Schulungsmaßnahmen, die den Erwerb neuer beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten ermöglichen. Sie können öffentlich-rechtlich geregelt sein und auf die Vorbereitung für einen bestimmten Beruf abzielen.

Fortbildungsleistungen zielen darauf ab, die Handlungsfähigkeit in einem Beruf zu erhalten, anzupassen, zu erweitern oder aufzusteigen. Bei Fortbildungen gilt, dass diese nur steuerbefreit sind, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben.

Das Weiteren sollen eng mit der Bildung verbundene Leistungen von der Steuerbefreiung umfasst sein. Eng verbundene (steuerbefreite) Bildungsleistungen beziehen sich auf Dienstleistungen und Lieferungen, die als eigenständige Leistungen ergänzend zur eigentlichen Bildungsleistung erbracht werden. Diese Leistungen unterstützen den Bildungsprozess und sind von der Steuerbefreiung umfasst. Ein Beispiel für eine eng verbundene Leistung nach der Gesetzesbegründung ist die Gestellung von Lehrpersonal durch eine Lehreinrichtung zur vorübergehenden Unterrichtserteilung an eine andere Lehreinrichtung. Dies ermöglicht den Austausch von Lehrressourcen zwischen Bildungseinrichtungen und trägt zur Vielfalt des Bildungsangebots bei.

Die Begünstigung von Bildungsleistungen gemäß § 4 Nummer 21 UStG-E bezieht sich insgesamt auf einen breiten Bereich von Schulungsmaßnahmen, die auf die Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten abzielen, sei es im schulischen oder beruflichen Kontext. 

Nicht begünstigte Leistungen


Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gelten Leistungen, die ausschließlich der Freizeitgestaltung dienen, nicht als Bildungsleistungen im Sinne von Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i und j der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Daher sind solche reinen Freizeitleistungen nicht von der steuerlichen Begünstigung für Bildungsleistungen umfasst. In der Gesetzesbegründung des Entwurfs des JStG 2024 sind Leistungen, die ausschließlich der Freizeitgestaltung dienen, ausdrücklich von der Steuerbegünstigung ausgenommen. Die Unterscheidung zwischen Freizeitgestaltung und Bildungsleistungen muss im Einzelfall getroffen werden und hängt von verschiedenen Faktoren ab.

§ 4 Nr. 22 c) UStG-E: Umsatzsteuerbefreiung für den Sport

Der Entwurf des JStG 2024 bringt weiterhin eine wesentliche Änderung im Bereich der Umsatzsteuerbefreiung für sportliche Veranstaltungen gemäß § 4 Nr. 22 UStG mit sich. Bisher waren nur solche sportlichen Veranstaltungen von der Umsatzsteuer befreit, deren Einnahmen ausschließlich aus Teilnahmegebühren bestanden (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG). Diese spezifische Umsatzsteuerbefreiung wird durch das Jahressteuergesetz 2024 gestrichen. Künftig sollen gemäß dem neuen § 4 Nr. 22 Buchst. c UStG "alle in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehenden sonstigen Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben" steuerfrei sein. Dies würde den Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) Artikel 132 Abs. 1 Buchst. m entsprechen.

Praktische Auswirkungen für die Überlassung von Sportanlagen:


Die Neuregelung lässt weitreichende praktische Konsequenzen für die Überlassung von Sportanlagen durch öffentlich-rechtliche Einrichtungen an Sporttreibende bzw. an Vereine erwarten.

Aufgrund der neuen Umsatzsteuerbefreiung für sportbezogene Ausgangsleistungen (die ab dem 1.1.2025 gelten soll), wie etwa die Überlassung von Turnhallen an Sportvereine, haben jPdöR korrespondierend künftig keinen Anspruch mehr auf Vorsteuerabzug für wesentliche Sportstätten-Bauvorhaben. Im Kontext sind darüber hinaus - bei gesetzeskonformer Anwendung – auch Vorsteuerberichtigungen gem. der Regelungen des § 15a UStG für bestehende Sportanlagen vorzunehmen. Negativ einhergehend wäre dabei, dass bereits zugesagte oder ausgezahlte Zuschüsse bzw. Förderungen für Sportanlagen regelmäßig nicht mehr nachträglich erhöht werden (denn gefördert werden in der Regel nur die Nettokosten). Diese Einschränkungen können bestehende Finanzierungsmodelle beeinflussen und erfordern möglicherweise eine Überprüfung und Anpassung der Finanzierungsstruktur für Sportanlagen.

Offene Rechtsfragen und Anwendungsprobleme:


Die im Entwurf enthaltene Neuregelung wirft eine Reihe von Fragen und Unsicherheiten bei betroffenen jPdöR auf. Insgesamt erfordert die neue Regelung des § 4 Nr. 22c UStG eine präzisere Gesetzesformulierung und umfassende Klarstellungen im Rahmen der Gesetzesbegründung, um rechtliche Unsicherheiten zu beseitigen und die wirtschaftlichen Folgen für öffentlich-rechtliche Einrichtungen und Sportbetriebe kalkulieren zu können.​​


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