#Chatbot mit KI-Funktion

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veröffentlicht am 2. Januar 2024



Teil einer digitalen und damit modernen Verwaltung kann der zielgerichtete Einsatz eines Chatbots sein, um die Menge an (sich wiederholenden) Anfragen zu bewältigen und etwaige Personalengpässe abzufedern. Ein Chatbot kann die Kommunikation mit Bürgern übernehmen und somit zur Vereinfachung von Kommunikationsprozessen beitragen, wodurch Verantwortliche entlastet werden können. Er kann einen wichtigen Beitrag zur Zufriedenheit der Bürger leisten.


Der Chatbot: Was kann er leisten?

Ein Chatbot kann drei wesentliche Funktionen erfüllen: Er erschließt bestehende Informationen, eröffnet einen neuen Kommunikationskanal und ist Medium für digitale Leistungen bspw. des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (kurz: ÖGD). Dabei erkennt ein Chatbot Anfragen von Nutzern in natürlicher Sprache und beantwortet diese, sodass das Nutzererlebnis sich an eine zwischenmenschliche Kommunikation annähert. Der Grad der Annäherung hängt vom verfolgten Technologieansatz und der Leistungsstärke der dahinterliegenden künstlichen Intelligenz (kurz: KI) ab.

Bei der Beschaffung eines Chatbots stellen sich vor Beginn einer Ausschreibung einige grundlegende Fragen, auf die der Auftraggeber vor der Erstellung des Vertrags und seiner Anlagen Antworten finden sollte. Die technischen und vertraglichen Anforderungen an einen Chatbot sind anspruchsvoll.

Unter technischen Gesichtspunkten ist der Mehrwert eines Chatbots umso größer, je tiefer er in die bestehende IT-Landschaft integriert werden kann. Neben der Frage, wie viel Integration sich der öffentliche Auftraggeber leisten kann und will, spielt auch eine Rolle, wie viel Integration in der bestehenden IT-Landschaft möglich ist. Ist etwa keine Online-Terminvereinbarung vorhanden, kann ein Chatbot auch nicht in diese integriert werden. Dem öffentlichen Auftraggeber ist zu raten, sich nicht zu viel auf einmal vorzunehmen und den zweiten Schritt nicht vor dem ersten zu gehen. Wird die Maßnahme zum Beispiel im Rahmen des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst gefördert, ist das dortige Reifegradmodell dabei eine wertvolle Hilfestellung.

Auch über den Technologieansatz des Chatbots muss eine Entscheidung getroffen werden. Hinter Chatbots kann einerseits ein vom Auftraggeber selbst definierter Entscheidungsbaum stehen, anhand dessen vorgegebener Kriterien die KI vorhersehbare Entscheidungen trifft. Die Funktion des Chatbots besteht in diesem Fall also ausschließlich darin, eine Anfrage in natürlicher Sprache zu verstehen, dieser die passende „Weichenstellung” des Auftraggebers zuzuordnen und die Antwort wiederum in natürlicher Sprache auszugeben. Bei diesen automatisierten Entscheidungsprozessen handelt es sich um eine eher schwache Form von KI, da im Wesentlichen vorab definierte und vorhersehbare Entscheidungen übermittelt werden. Diese Form von Chatbots ist bereits längere Zeit bekannt und in vielen Bereichen – auch im Gesundheitsumfeld – im Einsatz.

Hiervon abzugrenzen sind andererseits Large Language Model(s) kurz: LLM. Dabei handelt es sich um KI-Sprachmodelle, die auf der Grundlage riesiger Datenmengen selbstüberwacht anhand künstlicher neuronaler Netze lernen. Bekanntestes Beispiel ist ChatGPT, der ausgehend von im Internet öffentlich zugänglichen Daten Nutzeranfragen auf Basis von Wahrscheinlichkeitsberechnungen beantwortet und dabei fortlaufend weiterlernt. Ein solches LLM ist eine sehr leistungsstarke Form von KI, die der zuvor beschriebenen einfachen Entscheidungsbaum-KI hinsichtlich Umgang mit natürlicher Sprache und Flexibilität bei Weitem überlegen ist. Allerdings sind die Ergebnisse dieser KI nicht vollständig vorhersehbar, auch falsche Antworten und Auskünfte lassen sich nicht vermeiden. Vor diesem Hintergrund ist bei der Nutzung von LLM für Chatbots vor allem im Gesundheitsumfeld besondere Umsicht geboten, wobei die zu Trainingszwecken verwendeten Daten sowie die fortlaufende Evaluation die wesentlichen Stellschrauben sind. 

Eine weitere Herausforderung ist die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften und Vorgaben. Neben den allgemeinen Anforderungen an öffentliche Stellen, die sich aus den Landesdatenschutzgesetzen ergeben, bestehen häufig besondere Anforderungen aus dem Organisationsrecht der öffentlichen Verwaltung selbst und dem einschlägigen Fachrecht. Dazu kommt noch, dass in der Verwaltung auch Träger von Berufsgeheimnissen beschäftigt sind, deren Anliegen Rechnung getragen werden muss.

Welcher Vertrag ist der Richtige? 

Zuletzt ist in vertraglicher Hinsicht von Bedeutung, ob ein Betriebsmodell vor Ort beim Auftraggeber (On-Premise-Betriebsmodell) oder als Software as a Service (Cloud-Betriebsmodell) für den Chatbot gewählt werden soll. Hiervon hängt ab, welche vertragliche Grundlage in der Systematik der EVB-IT-Vertragsbedingungen für das Projekt anzuwenden ist. Während die Hoheit über den Betrieb des Systems und die darin enthaltenen Daten im On-Premise-Betriebsmodell beim Auftraggeber selbst verbleibt, geht diese beim Cloud-Betriebsmodell auf den externen Auftragnehmer über. Die beiden Betriebsmodelle bringen in Bezug auf die Verfügbarkeit des Systems, IT-Sicherheit und Datenschutz unterschiedliche Chancen und Risiken mit sich. Diese Faktoren sind in Abhängigkeit von den konkreten Funktionen des Chatbots und den dort zu verarbeitenden Daten sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

Wie bekomme ich ihn: Vergabe 

Der Chatbot wird als Liefer- und Dienstleistung oberhalb der EU-Schwellenwerte1 nach den Vorschriften des GWB2 und der VgV3 ausgeschrieben. Denkbar erscheint auch, das Verfahren nach den Vorschriften des GWB und der SektVO4 durchzuführen, soweit der Chatbot durch einen Sektorenauftraggeber beschafft werden soll und er der Ausübung der Sektorentätigkeit dienen wird. 

Die Regelverfahren im Anwendungsbereich der VgV sind das offene und das nichtoffene Verfahren. Im Rahmen des offenen Verfahrens werden binnen einer Frist von minestens. 30 Tagen Angebote abgegeben, diese werden ausgewertet und das wirtschaftlichste Angebot gemessen an den Zuschlagskriterien wird bezuschlagt. Ähnlich gestaltet sich das nichtoffene Verfahren, wobei diesem vor Einholung der Angebote ein vorgeschalteter Teilnahmewettbewerb vorgeht. Beiden Verfahren ist immanent, dass die Angebote mit den Bietern nicht verhandelt werden. 

Da es sich bei der Beschaffung eines Chatbots mit KI-Funktion, wie bereits vorstehend aufgezeigt, um eine komplexe IT-Leistung handelt, erscheinen die vorgenannten Verfahren nur dann passend, wenn es dem Auftraggeber möglich ist, die Leistung so zu beschreiben, dass sie eindeutig und erschöpfend, mithin abschließend formuliert ist. 

Soweit dies nicht gelingen kann, erscheint ein Blick in § 14 Abs. 3 VgV naheliegend. Demnach kann der öffentliche Auftraggeber unter anderem auch das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb wählen, soweit bspw. die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden können5, der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst6 oder der Auftrag aufgrund konkreter Umstände, die mit der Art, der Komplexität oder dem rechtlichen oder finanziellen Rahmen oder den damit einhergehenden Risiken zusammenhängen, nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden kann7. Die Gründe für die Wahl des ausnahmsweise zugelassenen Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb sind im Vergabevermerk zu dokumentieren.

Nach Durchführung des Teilnahmewettbewerbs werden die Bieter zur Abgabe eines Erstangebotes aufgefordert. Die fristgerecht eingegangenen Erstangebote werden mit den Bietern verhandelt. Verhandeln bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Auftraggeber und mögliche Auftragnehmer den Inhalt der Leistungsbeschreibung – mit Ausnahme der Mindestkriterien – und die Vertragsbedingungen solange und soweit erörtern, bis klar ist, wie die Leistung konkret beschaffen sein soll und zu welchen Konditionen der Auftragnehmer diese leisten wird. Ebenfalls von der Verhandlung ausgenommen sind die Zuschlagskriterien. Soweit seine Voraussetzungen vorliegen, kann dieses Verfahren dabei unterstützen, die komplexe Leistung eines Chatbots mit KI-Funktion rechtssicher auszuschreiben.

Nach dem Zuschlag: Wie geht es weiter?

Nach Zuschlagserteilung beginnt die spannende Phase der Umsetzung des Chatbots. Hierbei stellen sich weitere rechtliche und tatsächliche Herausforderungen. Je sorgfältiger und vorausschauender die obigen Punkte in Bezug auf die Vertragsunterlagen berücksichtigt wurden, desto besser werden sich diese im Projektverlauf meistern lassen. Eine mögliche Folgeausschreibung sollte dabei im Blick behalten werden, indem Faktoren wie die Dokumentation, die Portabilität von Daten, und das Exit-Management von Anfang an umfassend berücksichtigt und im laufenden Projekt fortentwickelt werden.



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1 215.000 Euro/netto für den kommunalen Auftraggeber (Stand 1.12.2023). 
2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. 
3 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge.
4 Verordnung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung.
5 § 14 Abs. 3 Nr. 1 VgV. 
6 § 14 Abs. 3 Nr. 2 VgV. 
7 § 14 Abs. 3 Nr. 3 VgV. 



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