Neuer „Beipackzettel” bescheinigt Publikumsfonds einen vermeintlich geringeren Risikoindikator

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​veröffentlicht am 3. April 2023




Zum Jahreswechsel wurden die bisherigen Wesentlichen Anlegerinformationen für Fonds durch das Basisinformationsblatt ersetzt. Im Wesentlichen wird das bisherige Risiko-/Ertragsprofil durch den Gesamt-Risikoindikator ausgetauscht. Der neue Gesamt-Risikoindikator besteht ebenfalls aus sieben Risikoklassen, weist jedoch deutliche Unterschiede in deren Bandbreiten auf. Die Folge: Trotz unverändertem Risiko-/Ertragsprofil wird ein Großteil aller in Deutschland zugelassenen Publikumsfonds jetzt einer geringeren Risikoklasse zugeordnet. Dies ruft den Publikumsfonds-Anleger auf den Plan, bestehende Vorgaben zur Risikoneigung zu überprüfen und gegebenenfalls den neuen Risikoindikatoren anzupassen. 


Diese Basisinformationsblätter (BIBs)1 dienen im Zuge der europäischen PRIIPs-Verordnung2 sowie der europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFiD II3) der weiteren Standardisierung und Vereinheitlichung von Informationen über Finanzanlageprodukte und sind ab dem 1.1.2023 für offene Investmentfonds verpflichtend. Die größten inhaltlichen Unterschiede betreffen die veränderte Risiko- und Renditedarstellung. Die Wesentlichen Anlegerinformationen verwendeten in den Abschnitten „Risiko-/Ertragsprofil” und „Frühere Wertentwicklung” eine vergangenheitsbezogene Logik. Das Basisinformationsblatt hingegen bedient sich zukunftsgerichteten Risiko-Prognosen und Performance-Szenarien.

Außerdem berücksichtigt der „neue” Gesamt-Risikoindikator (SRI4) neben dem Marktrisiko eines Produkts zusätzlich das Kredit-/Bonitätsrisiko eines Produktgebers. Dies dient ebenso der Vergleichbarkeit von verschiedenen Finanzanlagen, da nun alle Anlagen anhand derselben Systematik einer Risikoklasse zugewiesen werden. Für Publikums- und Spezialfonds ergibt sich allerdings die Besonderheit, dass der Kreditrisiko-Wert stets die niedrigste Stufe 1 aufweist, da diese als Sondervermögen losgelöst vom Vermögen der Fondsgesellschaft sind. Ausgenommen sind Garantiefonds, hier findet die Bonität des Garantiegebers Berücksichtigung. 

Bei der Bestimmung des Marktrisikos ergeben sich allerdings erhebliche Unterschiede im Vergleich zur alten Logik. Zunächst, wie bereits erläutert, in der Berechnungs-Methodik. Während mittels „alter” Berechnung (SRRI5) die vergangenheitsbezogene Schwankungsbreite der Fonds-Preisentwicklung (Volatilität) ausgewiesen wurde, berechnet die neue Methodik (SRI) eine prognostizierte Volatilität unter Einbezug der empfohlenen Haltedauer und auf Basis der tatsächlich investierten Anlageklassen (Value-at-Risk-Equivalent der Volatilität, kurz „VEV”). Es zählt also nicht mehr nur die Schwankungsbreite des Fonds, sondern ebenfalls die seiner Basisinvestments. Weitaus gravierender sind die Anpassungen in den Bandbreiten der einzelnen Risikoklassen, wie die folgende Tabelle zeigt: 




Aufgrund dieser breiter gefassten Bandbreiten werden Publikumsfonds folglich in den meisten Fällen einer geringeren Risikoklasse zugeordnet. Eine geringere Risikoklasse spiegelt jedoch kein tatsächlich geringeres Risiko wider, da die Volatilität nach SRRI in der Regel einen vergleichbaren Wert, wie die VEV nach SRI liefert. So kann beispielsweise ein reiner Aktienfonds der Risikoklasse 3 zugeordnet werden, statt bisher der Risikoklasse 5 bzw. ein ausgewogener Mischfonds der Risikoklasse 2, statt bisher der Risikoklasse 3.

Fazit

Die neuen Risikoklassen im Basisinformationsblatt repräsentieren folglich nicht länger die bisherigen Angaben zur Risikoneigung eines Fondsanlegers. Unmittelbarer Handlungsbedarf ergibt sich, wenn semi-institutionelle Anleger das zulässige Anlageuniversum für Publikumsfonds auf deren Schwankungsbreite bzw. die Risikoklassen abgestellt haben. Denn dieses Anlageuniversum wird durch geänderte Bandbreiten, trotz unveränderter Risikoneigung, deutlich erweitert.

Dem übergeordneten Ziel der besseren Vergleichbarkeit von Finanzprodukten steht somit eine neue Risiko-Einstufungslogik gegenüber, die das seit Jahren am Markt etablierte Risiko-Verständnis für Publikumsfonds neu ordnen lässt. 

Insbesondere für semi-institutionelle Anleger, wie Stiftungen, Kommunen, Verbände, öffentlich-rechtliche Einrichtungen, Universitäten etc. empfiehlt es sich, die aktuellen Investments im Hinblick auf die neue Risikoeinstufung zu überprüfen und bei Bedarf die Regelungen der zugrunde gelegten Anlagerichtlinie entsprechend anzupassen. 

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1 Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (englisch: Key Information Document for Packaged Retail and Insurance-based Investment Products).
2 PRIIPs-Verordnung (EU) Nr. 1286/2014.
3 Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II;  Markets in Financial Instruments Directive).
4 Gesamt-Risikoindikator (englisch: Summary Risk Indikator).
5 Synthetischer Risiko Rendite Indikator (englisch: Synthetic Risk and Reward Indicator).



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