Abgrenzung von Investitionen und Erhaltung bei der Erneuerung von Wasser- und Kanalnetzen

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​veröffentlicht am 1. April 2022

 

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Vielerorts in Deutschland sind Leitungen und Kanäle der öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgung am Ende der Nutzungsdauer angekommen und müssen saniert oder erneuert werden. Bei der sogenannten Rehabilitation stehen den Kommunen und kommunalen Unternehmen je nach Zustand, Material, Alter und weiteren Randbedingungen dazu unterschiedliche technische Verfahren zur Verfügung.

 

Für die Wasserversorgung werden im technischen Regelwerk (DVGW W 400-3) unter Rehabilitation Verfahren der planbaren Reparatur, der Sanierung und der Erneuerung abgegrenzt. Buchhalterisch sind insbesondere die Sanierung und Erneuerung zu unterscheiden, denn die Abgrenzung hat sowohl für die Mittelverwendung als auch für die Mittelherkunft Folgen und wirkt somit auch auf die Höhe der Wasser- bzw. Abwasserentgelte.

 

Mittelverwendung als Investition oder Aufwand

Investitionen sind sowohl in der Kameralistik als auch in der Doppik begrifflich definiert als Ausgaben für die Veränderung des Anlagevermögens.1 Sie werden demnach über den Vermögenshaushalt abgewickelt (Kameralistik) bzw. schlagen sich in der Bilanz nieder (Doppik). Sie lassen sich somit vom Aufwand abgrenzen, der über den Verwaltungshaushalt (Kameralistik) bzw. die Gewinn- und Verlustrechnung (Doppik) abgewickelt wird.

 

In der Vergangenheit wurde die Unterscheidung zwischen Investitionsausgaben im Vermögenshaushalt und Ausgaben für die laufende Unterhaltung im Verwaltungshaushalt allerdings oftmals missachtet.2 Wenngleich durch die fortschreitende Umstellungsfrist in Bundesländern mit Doppik-Pflicht das kommunale Rechnungswesen nun überwiegend nach doppischen Grundsätzen geführt wird, bleibt die Abgrenzungsfrage von Investitionen und Aufwand auch dabei bestehen. Wann genau Ausgaben für die Veränderungen des Anlagevermögens vorliegen, ist allerdings gerade im Leitungsnetz bzw. Kanal schwierig zu bestimmen.

Als „klassische” Anschaffungs- und Herstellungskosten beinhalten Investitionen die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes entstehen. Aber auch Aufwendungen für die Erweiterung eines Vermögensgegenstandes [u. a. bei einer Vergrößerung des Leitungsquerschnitts] oder Aufwendungen für eine über den ursprünglichen Zustand eines Vermögensgegenstandes hinausgehende wesentliche Verbesserung stellen Investitionen dar.

 

Hingegen dienen Sanierungsmaßnahmen oder planbare Reparaturen in der Regel der Erhöhung der Betriebssicherheit und der Erreichung der geplanten Restnutzungsdauer eines bestehenden Vermögensgegenstandes. Sie sind daher grundsätzlich (Sanierungs-)Aufwand.

Erneuerungsmaßnahmen dienen dazu, nicht mehr funktionstüchtige Leitungen zu ersetzen oder über den ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich zu verbessern. Sie sind daher in der Regel Herstellungskosten.

Am deutlichsten ist die Abgrenzung technischer Verfahren der Erneuerung zwischen Investition und Aufwand beim „Ersatz” einer Leitung in einer neuen Trasse. Hier wird ein neuer Vermögensgegenstand geschaffen. Demnach liegt eine Investition vor.

 

Einfach ist die Abgrenzung auch bei einer Teil- oder Komplettauswechslung bestehender Leitungen durch neue Leitungen (in der bestehenden Trasse), die zu einer höheren Leitungsdimension führen oder bei Leitungsumlegungen, die durch aktivierungspflichtige Maßnahmen entstehen (u. a. Herstellung von Druckänderungsanlagen oder Stauraum-Bauwerken). Hier liegt eine (Erweiterungs-)Investition vor.
 
Schwierig ist hingegen die Einordnung von Erneuerungen einer bestehenden Leitung in einer bestehenden Trasse. Hier kommen sogenannte Inliner-Verfahren zum Einsatz, bei denen zwar der vorhandene Kanal oder die Leitung nicht gewechselt wird, allerdings durch den darin eingezogenen Schlauch bzw. die eingezogene Innenwand (Inliner) de facto eine neue Leitung geschaffen wird.

 

Die Aufwendungen bei dieser Erneuerungsmethode sind in der Regel dann Herstellungskosten, wenn durch den Inliner die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des verschlissenen Kanal- oder Leitungsabschnitts wesentlich verlängert wird und der Inliner selbst tragfähig ist. Wird hingegen nur ein Teilstück eines Leitungs- oder Kanalhaltungsabschnitts „ausgebessert”, handelt es sich um eine Reparatur und demnach um Aufwand. Bei nicht selbsttragenden Inlinern könnte es sich auch nur um eine Wiederherstellung der bestehenden Funktion handeln. In diesem Fall läge keine Herstellung vor.

 

Mittelherkunft bzw. Refinanzierung

Die Mittelverwendung als Investition oder Aufwand korrespondiert mit der jeweils entsprechenden Mittelherkunft. Der (Sanierungs-)Aufwand wirkt unmittelbar und einmalig im Geschäftsjahr. Er ist somit in voller Höhe ergebniswirksam und ist über Erträge abzudecken. Der Aufwand ist daher in die laufenden Entgelte (Benutzungsgebühren bzw. Preise) einzukalkulieren, um ihn zu refinanzieren bzw. zu erwirtschaften.

Die Investition wirkt über die Abschreibung ratierlich über die Nutzungsdauer des Vermögensgegenstandes. Sie ist damit im Geschäftsjahr nur anteilig ergebniswirksam, wirkt allerdings langfristig. Daher ist auch die Mittelherkunft von langfristiger Bedeutung. Sofern nicht durch die Abschreibungen oder Gewinnthesaurierung finanziert, ist eine Außenfinanzierung notwendig. Als Instrumente der Außenfinanzierung kommen neben der Darlehensaufnahme auch Beiträge und Zuwendungen in Betracht.

 

Beitragsfähigkeit der Maßnahmen

Beiträge dienen der Beteiligung der Grundstückseigentümer an der Finanzierung der Investitionen in die Einrichtung. Sie dürfen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung (exemplarisch für Bayern Art. 5 Abs. 1 KAG) erhoben werden.
 
Beitragsfähiger Verbesserungs- oder Erneuerungsaufwand liegt nur vor, wenn es sich um Investitionsaufwand handelt. Die Ausgaben für die laufende Unterhaltung, Reparaturen und Sanierung gehören nicht zum beitragsfähigen Aufwand, sondern sind in der Regel als Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinn (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG) über Benutzungsgebühren zu finanzieren. Insoweit kommt der Abgrenzung von Investitionen und Aufwand auch für die Mittelherkunft (hier: Vermögenshaushalt bzw. Bilanz) eine besondere Bedeutung zu.

Die Beitragsfinanzierung als Kann-Regelung ersetzt Fremdkapital. Der Aufwand wird somit einmalig von den Nutzungsberechtigten gezahlt – alternativ würde er ratierlich über Entgelte gezahlt.

 

Zuwendungen und Förderfähigkeit

Die Mittelherkunft über Zuschüsse bzw. Zuwendungen in Form von öffentlicher Förderung stellt ein weiteres Außenfinanzierungsinstrument dar. In Bayern kommt der sogenannten RZWas-Förderung aktuell hohe Bedeutung zu. Der Zuschuss deckt die sogenannten zuwendungsfähigen Ausgaben teilweise ab, wobei die Höhe der Fördersätze abhängig von Härtefallschwellen ist.

 

Zuwendungsfähig sind dabei Ausgaben für Investitionen. Nicht zuwendungsfähig sind Ausgaben für die Unterhaltung sowie für die Instandsetzung bestehender Anlagen infolge ungenügender Unterhaltung.3 Der Abgrenzung von Investitionen und Aufwand kommt daher auch bei der Zuwendungsfinanzierung eine besondere Bedeutung zu.

 

Der Fördersatz ist von verschiedenen Kriterien abhängig. Er wird beim Überschreiten einer Härtefallschwelle erhöht. Als Härtefallschwelle bei RZWas-Vorhaben wird die sogenannte Pro-Kopf-Belastung herangezogen. Die Pro-Kopf-Belastung betrachtet Investitionen der Vergangenheit. Die Besonderheit hierbei ist, dass der Investitionsbegriff vom haushaltsrechtlichen Investitionsbegriff abweicht, denn „neben den baulichen Investitionen des Vermögens- bzw. Finanzhaushalts gehen auch Ausgaben bzw. Auszahlungen für die bauliche Unterhaltung (Verwaltungs- bzw. Ergebnishaushalt) in die Investitionen ein.”4  Abhängig vom jeweiligen Stichtag reicht der zu ermittelnde vergangene Investitionszeitraum bis in die 1990er-Jahre hinein.

Die abweichende Begrifflichkeit bedeutet, dass Kommunen die Pro-Kopf-Belastung nicht nur anhand der Werte aus dem Anlageverzeichnis nach Zugangsjahr ermitteln können, sondern mitunter die Archive bemühen müssen, um aus den Jahresrechnungen der Verwaltungshaushalte bis in die 1990er-Jahre die entsprechenden Auszahlungen für die bauliche Unterhaltung zu ermitteln. Gerade diese Summe ist allerdings oftmals das Zünglein an der Waage, das zu einem Überschreiten der Härtefallschwelle und somit zu höheren Fördersätzen führt.

 

Zusammenfassung

Mit fortschreitendem Lebenszyklus kommt der Sanierung und Erneuerung von leitungsgebundenen Einrichtungen eine stetig wachsende Bedeutung zu. Neben der Wahl des technisch vorteilhaften Rehabilitationsverfahrens kommt auch der korrekten buchhalterischen Abbildung der Rehabilitationsmaßnahmen eine hohe Bedeutung zu. Die Tabelle stellt die betrachteten Abgrenzungsmerkmale zwischen Investitionen und Aufwand gegenüber.

 

 Tabelle Abgrenzungsmerkmale

 


Kommunen sollten daher für die jeweiligen Einrichtungen die langfristigen Folgen für die Finanzierung und die Höhe der Wasser- bzw. Abwasserentgelte im Blick haben, bevor Investitionsentscheidungen getroffen werden. Letztendlich ist die Gesamtwirtschaftlichkeit der technischen Verfahren eben nicht abhängig von der aktuellen Haushaltslage, sondern langfristig zu beurteilen.

 

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1 Vgl. exemplarisch für Bayern § 98 KommHV-Doppik bzw. § 87 KommHV-Kameralistik.
2 Vgl. Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz (2017): Arbeitshilfe zur Abgrenzung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu Instandhaltungsaufwendungen im Zusammenhang mit der Instandsetzung und Modernisierung von Gebäuden und von Straßenausbaumaßnahmen, S. 2.
3 Vgl. Änderung der Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas 2021); Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 13.12.2021, Az. 58g-U4450-2020/1-129.
4 Vgl. Anlage 2 zur RZWAS 2021.

 

 

 

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