Ein Tax Compliance Management-System ist mehr als ein paar Checklisten – Teil 2 – oder: Praxisprobleme bei der Festlegung des Tax Compliance-Ziels

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​veröffentlicht am 18. Oktober 2021

 

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In unserem ersten Artikel „Teil 1” dieser Reihe haben wir einige allgemeine Erläuterungen zum Tax CMS gegeben die aus der Beratungspraxis stammen und den theoretischen Hintergrund beleuchteten. Daher soll ab diesem zweiten Teil die konkrete Umsetzung in der Praxis eine größere Rolle spielen.
 
Anhand von Beispielen soll gezeigt werden, wo bei der Ausgestaltung eines Tax CMS praktische Probleme liegen können, die insbesondere bei gemeinnützigen Unternehmen oder auch bei juristischen Personen öffentlichen Rechts zum Tragen kommen.
 
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Schwierigkeit, das korrekte Tax Compliance-Ziel zu definieren. Weitere Teile, die Schwierigkeiten bei den übrigen Grundelementen eines TCMS beleuchten, folgen.

Grafik Tax CMS 

 

Tax Compliance-Ziele, Regeln und Regelverstösse

Vermeintlich ist die Festlegung der Tax Compliance-Ziele reine Formsache. Beim genaueren Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, wie das Tax Compliance-Ziel genau definiert ist und vor allem auch, welche Schwierigkeit es in der Praxis bereitet, ein wirklich sinnvolles Tax Compliance-Ziel zu definieren.
 
Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen:
 

Variante 1:

„Ziel unseres TCMS ist die Erfüllung sämtlicher steuerlicher Pflichten und die Einhaltung der Steuergesetze. Steuerliche Regelverstöße sollen in jedem Fall vermieden werden.”

Problem bei einer derartigen Formulierung ist, dass erst erläutert werden müsste, was im Unternehmen als steuerlicher Regelverstoß angesehen wird. Zum einen können damit – in umfassendem Sinne - alle Regeln gemeint sein, die negative Folgen mit Bezug zum Bereich „Tax” vermeiden sollen. Zum anderen könnten aber auch nur solche Verstöße gemeint sein, die strafrechtliche Konsequenzen oder Reputationsschäden zur Folge hätten:
 
Hierdurch wird deutlich, dass auch für den steuerlichen Bereich Regeln aufgestellt werden müssen, die jeder Mitarbeiter versteht und befolgen kann. Formulierungen wie „Während der Arbeitszeit darf kein Alkohol konsumiert werden”, die ebenfalls eine – zwar nicht steuerliche – Regel für das gesamte Unternehmen darstellen, sind einfach und verständlich und können daher ohne Weiteres von jedem Mitarbeiter befolgt werden.
Grafik Tax Compliance-Risiken
Es ist jedoch deutlich schwieriger, auch für den steuerlichen Bereich allgemeine Regeln zu definieren, die jeder Mitarbeiter befolgen kann. Stellt man beispielsweise die Regel „Steuergesetze sind zu befolgen”, auf, führt dies dazu, dass trotz oder vielleicht sogar wegen steuerlichem Sachverstand im Unternehmen eine praktische
Umsetzung schwierig sein kann.
  
Gerade im Bereich der Gemeinnützigkeit sind die Gesetzesformulierungen teilweise so unscharf, dass eine Umsetzung in der Praxis aus dem reinen Gesetzeswortlaut zum Teil nicht möglich ist.
  
Beispielsweise ist der Begriff „wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb”, der zur Steuerpflicht im Bereich der Körperschaftsteuer und Gewerbsteuer auch bei gemeinnützigen Einrichtungen führt, zunächst nur eine sehr abstrakte gesetzliche Regelung:
  

Gesetz:

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbstständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. (§ 14 AO) 

Zur praktischen Umsetzung ist daher zwingend eine Entscheidung in Bezug auf die Interpretation nötig, wobei diese Unterstützung in der Regel – gewissermaßen indirekt - durch die Finanzverwaltung erfolgt. Die von der Finanzverwaltung verfassten Steuerrichtlinien sind eigentlich zunächst nur bindend für die Finanzverwaltung
selbst, werden häufig aber gleichlautend auch von den Steuerpflichtigen angewendet. Neben den Richtlinien erlässt die Finanzverwaltung (Bundesfinanzministerium oder auch die Finanzverwaltungen der einzelnen Bundesländer) auch regelmäßig einzelne Schreiben zu bestimmten steuerlichen Sachverhalten. So wird z. B. in einem solchen Schreiben genauer erläutert, wann wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bei Krankenhäusern vorliegen:
 

Finanzverwaltung:

Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bei Krankenhäusern, Verfügung der ODF Frankfurt am Main vom 20.6.2016, Auszug:
2. Personal- und Sachmittelgestellung an eine private Klinik bzw. an eine ärztliche Gemeinschaftspraxis 
Auch hinsichtlich der Personal- und Sachmittelgestellung an Dritte ist ein steuerpflichtiger wiG anzunehmen.
   
Von daher könnte es sich anbieten, das Tax Compliance-Ziel wie folgt zu konkretisieren:
 

Variante 2:

„Ziel unseres TCMS ist die Erfüllung sämtlicher steuerlicher Pflichten und die Einhaltung der Steuergesetze. 
Steuerliche Regelverstöße sollen in jedem Fall vermieden werden. Hierzu sind Anweisungen der Finanzverwaltung (Steuererlasse, Steuerrichtlinien, sonstige BMF-Schreiben) zwingend zu befolgen.”

Auch eine derartige Konkretisierung des Zieles führt jedoch in der Praxis zu 2 Problemkreisen:
  1. Die Steuergesetzgebung wird immer umfassender und komplexer, auch die Verlautbarungen der Finanzverwaltung zu den einzelnen Paragraphen werden umfangreicher und auch komplizierter. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass einzelnen Mitarbeitern, die mit steuerlichen Aufgaben betraut sind, hier unbeabsichtigte Fehler in der Anwendung der Vorgaben der Finanzverwaltung unterlaufen und daher häufig Compliance-Verstöße auftreten, die auch entsprechend als Compliance-Verstöße mit allen festgelegten Folgen (i. d. R. Meldewege zur Geschäftsführung) zu ahnden wären. Ob dies gewollt und in der Praxis umsetzbar ist, muss bei Festlegung des Ziels bedacht werden.
  2. Durch die Vorgabe, sämtliche Anweisungen der Finanzverwaltung auf allen Ebenen im Unternehmen zwingend befolgen zu müssen, würde sich das Unternehmen auch gewisser steuerlicher Chancen berauben. Zumindest für die obere Leitungsebene muss daher die Möglichkeit gegeben sein, Entscheidungen zu treffen, die sich nicht an der momentanen Meinung der Finanzverwaltung orientieren. Denn die Einhaltung der Steuergesetze – die durch ein intaktes Tax CMS gewährleistet werden soll – beinhaltet nicht automatisch die Übernahme der Meinung der Finanzverwaltung in allen Fällen.

 

Folgende Fälle sind unter anderem denkbar, in denen Steuerpflichtige berechtigterweise abweichende bzw.eigene Auffassungen vertreten könnten:
 

Ein Gericht (Finanzgericht, Bundesfinanzhof) entscheidet abweichend von der derzeitigen Auffassung der Finanzverwaltung, ggf. veröffentlicht die Finanzverwaltung sogar einen sog. „Nichtanwendungserlass”, dass sie die Rechtsprechung nicht anwendet.

→ Es kann der Rechtsprechung gefolgt werden.

Weder Finanzverwaltung noch die sog. „herrschende Meinung” haben einen klaren Rechtsstandpunkt.
Es kann der eigenen Rechtsauffassung gefolgt werden.

Ein klarer Rechtsstandpunkt der Finanzverwaltung oder eine herrschende Meinung in der Literatur sind vorhanden:
Es kann der eigenen Rechtsauffassung gefolgt werden. Die Abweichung muss aber gegenüber dem Finanzamt offengelegt werden.


Gerade im Bereich der gemeinnützigen Einrichtungen oder der juristischen Personen öffentlichen Rechts (Universitäten, Kirchen) gibt der reine Gesetzeswortlaut häufig keinen Aufschluss darüber, wie die praktische Umsetzung erfolgen kann (siehe obiges einfaches Beispiel vom „wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb”). Hinweise
der Finanzverwaltung sind daher die Regel.
 
Ob diese aber auf einen konkreten Sachverhalt anzuwenden sind, sollte zumindest kritisch geprüft werden. Für das oben dargestellte Beispiel eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes bei Krankenhäusern bedeutet dies Folgendes:
  
Zum einen ist bereits der Wortlaut der Verfügung der Finanzverwaltung nicht ganz eindeutig. Es ist nicht eindeutig erkennbar, ob mit „Personal- und Sachmittelgestellung an eine private Klinik” sämtliche fremde Kliniken und Krankenhäuser gemeint sind oder nur tatsächlich „private” Kliniken im umgangssprachlichen
Sinn, also solche, die nicht gemeinnützig sind. Von daher ist nicht klar, ob die Personal- und Sachmittelgestellung an andere gemeinnützige Krankenhäuser nach Auffassung der Finanzverwaltung wirklich einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt.
 
Zudem kann man bei konsequenter Auslegung der Gesetze im Bereich der Gemeinnützigkeit zu dem Ergebnis kommen, dass eine Personal- und Sachmittelgestellung an andere gemeinnützige Einrichtungen nicht als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzusehen ist. Hierzu gibt es auch Gerichtsentscheidungen,
die dies unterstützen:

Gerichtsentscheidungen:

BFH im Jahr 2010: Personalgestellung kein wiGB, wenn gemeinnützige Einrichtung durch die Überlassung unmittelbar ihre satzungsmäßigen Zwecke verwirklicht

 

FG Münster im Jahr 2021 (Entscheidung des BFH steht noch aus): Personalgestellung an private ermächtigte Ärzte kein wiGB

  
Vielleicht wäre daher die Formulierung eines Tax Compliance-Ziels wie folgt denkbar:
 

Variante 3:

„Ziel unseres TCMS ist die Erfüllung sämtlicher steuerlicher Pflichten und die Einhaltung der Steuergesetze. Soweit aufgrund der Gemeinnützigkeit oder der Rechtsform Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen eingeräumt werden, sollen diese möglichst umfassend genutzt werden.”

Das dargestellte Beispiel soll Folgendes verdeutlichen: Bereits bei der Festlegung des Tax Compliance-Ziels, spätestens aber bei Einrichtung der Tax Compliance-Organisation muss berücksichtigt werden, dass sich die Erfüllung der steuerlichen Pflichten immer auf verschiedenen Ebenen abspielt. Auf der einen Seite gibt es steuerliche „formale Regeln”, deren Einhaltung organisatorisch zu regeln ist (z. B. die rechtzeitige Abgabe von Steuererklärungen in allen Bereichen, die rechtzeitige Zahlung der Steuer, usw.). Auf der anderen Seite ist in einigen Bereichen eine unternehmensseitige Steuer-Policy zu bestimmen. Diese kann nicht oder zumindest nur bedingt von jenen Mitarbeitern getroffen werden, die sich um das steuerliche Tagesgeschäft kümmern und daher im Unternehmen als „die Steuerfachleute” wahrgenommen werden. Denn in diesen Fällen ist mit der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Vorgehensweise bisweilen das Risiko eines Konflikts mit der
Finanzverwaltung enthalten, dessen sich die gesetzlichen Vertreter bewusst sein sollten.

Der folgende Fokus-Beitrag in dieser Reihe wird sich daher mit Praxisproblemen der Tax Compliance-Organisation befassen.

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Autoren: Anka Neudert und Christoph Naucke​​​

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Betriebswirt (Berufsakademie), Zertifizierter Compliance Officer, Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV, Prüfer für Interne Revisionssysteme (DIIR), Datenschutzauditor (TÜV), IT-Auditor IDW

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