„Shares for rights” – Verlieren britische Arbeitnehmer ihre Rechte?

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von Beatrix Tröger, Rödl & Partner Birmingham
 
Im Oktober 2012 brachte der Kanzler George Osborne einen so in dieser Art und Weise noch nicht vorgekommenen Gesetzesentwurf vor, der die Rechte der Arbeitnehmer beschneiden, ihnen aber im Gegenzug Anteile an der Gesellschaft des Arbeitgebers verschaffen sollte. Am 30. März wurde dazu nun im House of Lords abgestimmt. Die Abstimmung endete mit einer schweren Niederlage gegen den Gesetzesentwurf. 
 
Mit einer Mehrheit von 54 Stimmen, die sich gegen den Entwurf gewandt hat, wird deutlich, wie viel man doch von dem Gesetzesentwurf hält. Abgeordnete kritisieren diese Neuerung unter allen Gesichtspunkten. Jedoch ist die Regierung noch immer davon überzeugt, diesen Gesetzesentwurf mit Wirkung zum 1. September 2013 durchsetzen zu können. Man sieht darin eine einmalige Chance, die Wirtschaft anzukurbeln und neue Anreize für Arbeitnehmer zu setzen, sich im Unternehmen mehr zu integrieren und für dieses einzutreten. Es besteht noch immer die Möglichkeit, die Ablehnung des Entwurfs im House of Lords umzustoßen und diesen, von manchen für gar irrsinnig und lächerlich gehaltenen Entwurf, Gesetz werden zu lassen.
 

Was genau enthält dieser Gesetzesentwurf?

Die Grundaussage ist, dass Arbeitnehmer in der Lage sein werden, ihre Rechte als Arbeitnehmer für Anteile an dem Unternehmen, in dem sie arbeiten, einzutauschen. Diese Anteile sollen dann im Verlauf nicht der Vermögenszuwachssteuer (Capital Gains Tax CGT) unterliegen. Diese Steuer wird normalerweise fällig, wenn ein Vermögenswert verkauft wird und der Verkaufspreis über dem Anschaffungskosten liegt. Man nehme an, man erhält von seinem Arbeitgeber Anteile in Höhe von 3.500 britischen Pfund und verkauft sie später für 5.000 britische Pfund. Die Differenz von 1.500 britischen Pfund unterfällt dann der Besteuerung. Jedoch muss man auch hier hinzufügen, dass die CGT erst greift, wenn der Gewinn den Freibetrag von jährlich 10.600 britischen Pfund übersteigt. Hier stellt sich nun also schon die erste Frage, ob dem Arbeitnehmer dadurch steuerlich tatsächlich ein Vorteil geboten wird. Details, wie der Entwurf letztendlich genau aussehen soll, sind noch rar. Bekannt ist, dass Arbeitnehmern Anteile im Wert von 2.000 bis 50.000 britischen Pfund gegeben werden können. Im Gegenzug geben die Arbeitnehmer dafür Ihre Rechte bei einer rechtwidrigen und betriebsbedingten Kündigung auf, verzichten auf eine Abfindung im Falle betriebsbedingter Kündigungen, verlieren das Recht auf flexible Arbeitszeiten und freie Tage für Fortbildungen. Ferner verlängert sich die Mitteilungsfrist, wann eine Frau nach dem Mutterschutzurlaub wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren möchte, von acht auf sechzehn Wochen. Gesellschaften sollen zukünftig frei darüber entscheiden können, ob sie dieses Schema anwenden oder nicht. Ihnen wird weiterhin die Option gegeben, dieses Schema in Form von neuen Verträgen den bereits angestellten Mitarbeitern anzubieten. Diesen obliegt keine Verpflichtung, die neuen Verträge anzunehmen. Der neue Gesetzesentwurf soll zudem Regelungen enthalten, die diese Arbeitnehmer dann vor Kündigungen und Nachteilen schützen. Neue Mitarbeiter können hingegen gezwungen werden, das neue Schema zu akzeptieren und damit auf Ihre gesetzlich fixierten Rechte zu verzichten. Weiterhin ist es möglich, den verzichtenden Arbeitnehmern bessere Bedingungen zu geben und dadurch dem Unmut im Unternehmen zwischen den Arbeitnehmern Tür und Tor zu öffnen.
 

Rechtspolitische Entwicklung abzuwarten

Bislang sind Arbeitnehmer berechtigt, innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage wegen rechtwidriger Kündigung zu erheben, wenn sie mindestens zwei Jahre im Unternehmen oder, bei Anstellungen nach dem 6. April 2012, ein Jahr beschäftigt waren. Eine Entschädigung für eine „unfair dismissal” setzt sich dabei aus dem Basic Award und einer zusätzlichen Entschädigung zusammen. Der Basic Award errechnet sich aus dem wöchentlichen Einkommen und den Jahren der Betriebszugehörigkeit und kann momentan maximal 12.900 britische Pfund betragen. Die bereits genannte zusätzliche Entschädigung kann sich auf bis zu 72.300 britische Pfund belaufen. Sollte es sich um einen Fall der „automatically unfair dismissal” handeln, wie dies in Diskriminierungsfällen der Fall sein kann, besteht bei der zusätzlichen Entschädigung theoretisch keine Kappungsgrenze mehr. Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung ist der Arbeitnehmer nach dem Employment Rights Act 2006 berechtigt, eine Abfindung zu erhalten, die sich ebenfalls nach Betriebszugehörigkeit, Einkommen und zudem Alter richtet. Diese kann aktuell bis zu 12.900 britischen Pfund betragen. Ein Recht auf flexible Arbeitszeiten hat der Arbeitnehmer, wenn er ein Kind unter 17 oder einen anderen pflegebedürftigen nahen Angehörigen hat und bereits länger als 26 Wochen im Unternehmen beschäftigt ist. Ein Antrag kann vom Arbeitgeber nur dann abgelehnt werden, wenn dafür betriebsbedingte Gründe vorliegen. Auf all diese Rechte würde ein Arbeitnehmer verzichten, wenn er das Schema annimmt, das George Osborne in seinem Entwurf vorschlägt. Dieses Schema kann laut Entwurf von allen Gesellschaften angewendet werden. Jedoch zielt der Entwurf eher auf kleine und mittelständige Unternehmen ab, die sich im Wachstum befinden und deren Wert und somit auch der Wert der Anteile, schnell steigt. Theoretisch könnte dies aber bedeuten, dass in ganz Großbritannien zahlreiche Arbeitnehmer ihre Rechte verlieren und dafür Anteile erhalten, die im Wert niemals steigen werden oder sogar noch fallen können. Wer kann schon die dauerhafte Wertsteigerung eines Unternehmens garantieren und das gerade in einem von den starken Nachwehen der Rezession geplagten Land? Deshalb ist geplant, dass der Gesetzesentwurf auch Regelungen enthält, dass die Gesellschaft die Anteile zu einem angemessenen Preis zurückkaufen muss. Wie genau diese Regelungen aussehen, wann ein Rückkauf erfolgen kann oder muss, ist weiterhin unklar. Sollten Arbeitgeber tatsächlich auf die weiter oben genannten potentiellen Entschädigungen verzichten und dafür Anteile akzeptieren, für deren Wert niemand garantieren kann? Soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, den Mitarbeitern jederzeit ohne Grund kündigen zu können und damit mit den Arbeitnehmern umzuspringen, wie immer es ihnen beliebt?
 
Wird hier das Sparprogramm der Regierung nicht auf dem Rücken gerader derer ausgetragen, die dem Land die Wirtschaftskraft geben und deren Rechte hart erkämpft sind? Es bleibt weiterhin spannend, ob es nach der vernichtenden Abstimmung im House of Lords dennoch zu einem solchen Gesetz kommt. Wir halten Sie hier auf dem Laufenden.

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Jan Eberhardt

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