Beschlusskompetenz von Gesamt- und Untergemeinschaften

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veröffentlicht am 18.6.2024 | Lesedauer ca. 2 Minuten

BGH, Urteil vom 23. Februar 2024, Az.: V ZR 132/23

Nur die Gesamtgemeinschaft kann die Rechte der einzelnen Erwerber wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums durch Beschluss an sich ziehen und durchsetzen.

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (​GdWE oder auch Gesamtgemeinschaft genannt). In ihrer Eigenschaft als Bauträgerin teilte sie das Grundstück nach der Sanierung der aufstehenden Häuser der Anlage in Wohnungs- und Teileigentum auf und bildete Untergemeinschaften (Untergemeinschaft G. straße 54 sowie Untergemeinschaft G. straße 56). Im Februar 2020 fand eine außerordentliche Eigentümerversammlung der Gesamtgemeinschaft statt, bei der beschlossen wurde, dass die GdWE die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche sowie die sonstigen primären Mängelrechte, die den Erwerbern gegen die Klägerin als Bauträgerin zustehen, an sich zieht. Aufgrund dieses Beschlusses nahm die GdWE die Klägerin auf Zahlung eines Vorschusses für die Beseitigung angeblicher Mängel am Gemeinschaftseigentum in Anspruch. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Mängel betrafen ausschließlich das Objekt der Untergemeinschaft G Straße 54. Im Oktober 2021 beschloss die Gesamtgemeinschaft zum einen, den Prozess fortzuführen und zum anderen eine einmalige Sonderumlage zur Finanzierung der Prozesskosten anteilig entsprechend den Miteigentumsanteilen zu erheben. Daraufhin erhob die Klägerin Beschlussanfechtungsklage mit dem Argument, der Gesamtgemeinschaft fehle die Beschlusskompetenz, da der Rechtsstreit vor dem Landgericht allein die Untergemeinschaft G. straße 54 betreffe.

Der Bundesgerichtshof hat die Beschlussanfechtungsklage in letzter Instanz jedoch für unbegründet gehalten und seine Entscheidung wie folgt begründet: Eine Nichtigkeit des Beschlusses wegen mangelnder Beschlusskompetenz der Gesamtgemeinschaft liegt nicht vor. Die Gesamtgemeinschaft hat die auf Beseitigung von Baumängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte, wie auf der Eigentümerversammlung im Februar 2020 beschlossen, an sich gezogen. Die Gesamtgemeinschaft war daher befugt, in der Eigentümerversammlung im Oktober 2021 über die mit der Prozessführung im Zusammenhang stehenden Folgeangelegenheiten zu entscheiden. In Mehrhausanlagen ist es zwar möglich, durch Vereinbarung verselbständigte Untergemeinschaften zu bilden. Das bedeutet aber nicht, dass ausschließlich die Untergemeinschaften über sämtliche ihrer Angelegenheiten entscheiden dürfen. Nur die Gesamtgemeinschaft kann die den einzelnen Erwerbern aus den jeweiligen Verträgen mit dem Veräußerer wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums zustehenden Rechte auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen und im Außenverhältnis geltend machen. Zumal nur die Gesamtgemeinschaft – anders als die rechtlich unselbständige Untergemeinschaft – partei- und rechtsfähig ist.

Selbst, wenn die Mängel nur den einer Untergemeinschaft zugeordneten Teil der Anlage betreffen, hat die Gesamtgemeinschaft die alleinige Beschlusskompetenz. Andernfalls wäre die gebotene effektive Rechtsverfolgung beeinträchtigt. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung steht oftmals nicht fest, ob sich ein Mangel nur auf das eine Gebäude beschränkt oder ob andere Häuser der Mehrhausanlage Sachmängel gleicher Art aufweisen. Auch aus diesem Grund steht nur der Gesamtgemeinschaft die Kompetenz zu, durch Beschluss über die gerichtliche Geltendmachung der vergemeinschafteten Ansprüche und die mit der Prozessführung im Zusammenhang stehenden Fragen zu entscheiden.

Fazit:

Bildet der Bauträger in einer Mehrhausanlage verselbständigte Untergemeinschaften, hat dennoch nur die Gesamtgemeinschaft die erforderliche Beschlusskompetenz über Mängel am Gemeinschaftseigentum. Sollte ein Eigentümer einen solchen Beschluss der Gesamtgemeinschaft mit dem Argument, dass die Beschlusskompetenz fehlt, anfechten, wäre die Klage als unbegründet abzuweisen. Der klagende Eigentümer müsste die Kosten des Verfahrens tragen. Vor der Erhebung einer Anfechtungsklage sollten die Erfolgsaussichten daher zwingend rechtlich geprüft werden.


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