Ein Geschäftsmodell für Stadtwerke und Energieversorgungsunternehmen?

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veröffentlicht am 2. September 2016

 

Die Ziele der Bundesregierung zur Elektromobilität sind ambitioniert: 1.000.000 Elektrofahrzeuge sollen bis zum Jahr 2020 auf Deutschlands Straßen rollen. Um der bislang nur schleppenden Umsetzung des Vorhabens entgegenzuwirken hat die Bundesregierung jüngst mehrere Förderprogramme für Elektrofahrzeuge, Ladesäulen und Elektromobilitätskonzepte beschlossen.

 

Durch die Verabschiedung des Digitalisierungsgesetzes und des Strommarktgesetzes vor der parlamentarischen Sommerpause sind zudem Klarstellungen zur Definition von Letztverbrauchern und den Zuständigkeiten bei der Durchleitung, Zwischenspeicherung und Weitergabe von Strom aufgenommen worden. Darüber hinaus ist beim Thema Elektromobilität auch wegen des schleppenden Ausbaus der Ladesäuleninfrastruktur noch weiter Sand im Getriebe. Dass sich Elektrofahrzeuge im Massenmarkt etablieren werden und somit eine Transformation der Mobilität stattfinden wird, ist nach Meinung von Experten unstrittig. Die Frage ist nur, wann sich dieser Wandel endgültig vollzieht. Wenn Millionen Elektrofahrzeuge auf den Straßen sind und mittels ihrer Energiespeicher sowohl Verbraucher als auch Einspeiser im Versorgungsnetz sein werden, ergeben sich für Energieversorger Herausforderungen und Chancen gleicherweise. Ob und in welcher Form das Zukunftsthema Elektromobilität auch ein Geschäftsmodell für Stadtwerke darstellen kann, sollte rechtzeitig untersucht werden.

 

​Viele Stadtwerke und kommunale Energieversorger setzen sich bereits heute intensiv mit dem Zukunftsthema Elektromobilität auseinander. In einer Vielzahl von interessanten Projekten zeigen Stadtwerke deutschlandweit, wie sie emissionsfrei, lokal und kostengünstig die Mobilität der Zukunft aufbauen und damit gleichzeitig in die intelligente Energieversorgung investieren. Dabei profitieren sie oftmals von ihrer Erfahrung als Netzbetreiber, ihrer Kundennähe, ihren technischen Kenntnissen und der engen Verbindung zu Kommunen und dem öffentlichen Nahverkehr. Dies können ideale Voraussetzungen sein, um gemeinsam mit anderen lokalen Partnern die Einführung von Elektromobilität zu forcieren und letztendlich auch selbst davon zu profitieren.
  

Die rasante Entwicklung auf dem Markt der Elektromobilität erfordert neue Geschäftsmodelle für Energieversorgungsunternehmen (EVU). Die momentan entstehende Nachfrage wird schon bald von neuen Unternehmen befriedigt werden, wenn die EVU ihr aktuelles Geschäftsmodell unverändert lassen. Je länger sie warten, desto größer werden die Lücken und desto schwieriger erscheint es, in Zukunft Fuß zu fassen. Denn Unternehmen der „New Economy” drängen schnell in sich ergebende Märkte. 
  
Mit Pilotprojekten sollten technische Herausforderungen wie z.B. die Integration der Elektromobilität in die lokale Stromversorgung ermittelt werden, aber auch die Kundenakzeptanz verschiedener Angebote muss auf den Prüfstand. Vorstellbar sind ebenso vernetzte Ansätze für neue Mobilitätskonzepte mit dem öffentlichen Nahverkehr. Die künftig neue Marktrolle des Elektromobilitätsdienstleisters kann mehr sein als lediglich der Betrieb von Ladesäulen. Grundsätzlich lassen sich die potenziellen Geschäftsfelder im Zusammenhang mit der Elektromobilität in vier Gruppen differenzieren:

 

 
Gruppen von Geschäftsfeldern
  

Betrieb von Ladesäulen

Das erste und naheliegende Geschäftsfeld, das sich intuitiv im Zusammenhang mit der Elektromobilität ergibt, ist die Bereitstellung von „Treibstoff” für Elektrofahrzeuge in Form von Strom. Als Anreiz für Elektromobilität ist als Konsequenz der heute noch limitierten Reichweite von Elektrofahrzeugen ein flächendeckendes Netz an Ladesäulen von wesentlicher Bedeutung. Dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur bisher ebenso wie der Verkauf an Elektroautos hinter den Erwartungen liegt, verdeutlicht die Tatsache, dass nach den Plänen der Nationalen Plattform Elektromobilität in 2020 ca. 70.000 öffentliche Ladesäulen installiert sein sollen. Zum Jahresende 2015 existierten gerade einmal 6.000 Ladesäulen.

 

Eine deutschlandweit flächendeckende Ladeinfrastruktur ist allerdings nur möglich, wenn die lokalen Stadtwerke Ladesäulen in ihrem eigenen Netzgebiet bereitstellen. Partnerschaften mit Parkhäusern, Einkaufszentren, anderen Stadtwerken o.ä. vereinfachen eine entsprechende Verbreitung. Bereits heute stellen viele Stadtwerke (auch in kleineren Städten) Ladesäulen zur Verfügung. Auch deutschlandweite Kooperationen sind vorhanden, die ein einheitliches Lade- und Zahlsystem ermöglichen. Erste Kalkulationen ergeben jedoch nur in den seltensten Fällen ein positives Ergebnis für den Betrieb eigener Ladesäulen. Jedoch sind durch die Errichtung und weitere Dienstleistungen durchaus interessantere Gestaltungen denkbar.
  

Um die Wirtschaftlichkeit des Ladesäulenbetriebes attraktiver zu gestalten und somit den Ausbau von Ladesäulen zu forcieren, stellt der Bund im Rahmen eines Förderprogramms, das für das kommende Jahr 2017 vorgesehen ist, insgesamt 300 Mio. Euro zur Verfügung (200 Mio. Euro für Schnellladesäulen und 100 Mio. Euro für normale Ladesäulen).

  

Stromverkauf

Neben der bloßen Bereitstellung der Ladesäulen, können die EVU den über die Ladesäulen vertriebenen Strom ebenso verkaufen. Dieses Geschäftsfeld liegt nahe am Ladesäulenbetrieb und ist für die EVU relativ einfach zu implementieren, da es sehr nah an den heutigen Kompetenzen eines Energieversorgungsunternehmens liegt. Eine Möglichkeit, von der heute schon Gebrauch gemacht wird, sind spezielle Stromtarife für Kunden mit Elektrofahrzeugen. Zukunftsmusik sind hingegen noch Tarife, die in Abhängigkeit eines Index (z.B. Börsenstrompreis) eine bidirektionale Vermarktung (Ladung/Entladung) darstellen können. Erste Überlegungen und Pilotprojekte sind jedoch bereits vorhanden.

  

Vermarktung E-Fahrzeuge

Ein weiteres, auf den ersten Blick eher fernliegendes Szenario, ist das zusätzliche Vermarkten von Elektrofahrzeugen. Da gerade mit Beginn der zunehmenden Elektromobilität allerdings nur wenige Elektrofahrzeuge auf den Straßen sind, bietet das Bereitstellen von Ladesäulen und der Verkauf von Stromtarifen oftmals nur geringe Gewinnpotenziale. Dem kann durch das zusätzliche Vermarkten von Elektrofahrzeugen (bspw. im Rahmen von Car-Sharing-Lösungen oder Mobilitätsdienstleistungen) entgegengewirkt werden. Die Stellung des jeweiligen EVU kann so durch eine Ausweitung des Produktportfolios gerade in größeren Städten gestärkt werden.

  

Full-Service Produkte

Ein noch weitergehendes Geschäftsmodell ist das Anbieten von Full-Service Produkten im Bereich der Elektromobilität. Dabei werden bspw. neben der Vermarktung von Elektrofahrzeugen auch zugehörige Service- und Wartungsarbeiten für Fahrzeug und Ladesäule durch das EVU angeboten. Full-Service-Konzepte erfordern häufig auch intelligente IT-Lösungen, die entsprechende Massendaten verarbeiten können. Wenn bereits die gesamte Bandbreite angeboten wird, kann zur verbesserten Nutzung der Kompetenzen auch über „White-Label”-Lösungen nachgedacht werden, die es anderen kleineren Stadtwerken ermöglichen ohne eigenes Engagement entsprechende Dienstleistungen anzubieten.
  

Fazit

Die Aufrechterhaltung des „Status quo” und die aktuelle Inaktivität im Bereich Elektromobilität ist keine wirkliche Alternative für Versorgungsunternehmen. Zudem befindet sich der regionale Versorger häufig in einer Art „Move-Or-Lose”-Situation, die ein baldiges Handeln erfordert, wenn das Feld nicht von vornherein anderen Anbietern überlassen werden soll. Sicherlich müssen die erforderlichen Fähigkeiten durch EVUs erst intern aufgebaut bzw. mittels Kooperationen erschlossen oder extern am Markt zugekauft werden, um entsprechende Leistungen anbieten zu können. Eine frühzeitige Analyse von Geschäftsmöglichkeiten entlang der Wertschöpfungskette der Elektromobilität kann für EVU neue Chancen ergeben, sinkende Erträge aus anderen Tätigkeitsfeldern (z.B. aus der Erzeugung) auszugleichen, auch wenn im konkreten Falle eine langfristige Betrachtung erforderlich ist. Im Rahmen der aktuellen Kernkompetenzen und individuellen Fähigkeiten von EVUs müssen die verschiedenen Wertschöpfungsstufen einzeln analysiert und die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort einbezogen werden. Dies ist auch vor dem überwiegend kommunalgeprägten Umfeld und der Klimaschutzziele vieler Kommunen geboten.

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