Betreiben Sie Windkraftprojekte? – Unterschätzen Sie Ihre Betreiberverantwortung nicht!

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veröffentlicht am 2. September 2016

 

Gerade für Stadtwerke kleiner und mittlerer Größe ist der Betrieb von Windenergieanlagen eines der neueren Betätigungsfelder. Oftmals wird die dadurch übernommene Betreiberverantwortung nur unzureichend betrachtet oder unterschätzt. Eine nicht sauber delegierte Betreiberverantwortung kann im schlimmsten Fall zu Gefängnisstrafen für die Geschäftsführer der Betreibergesellschaften führen.

 

Bereits seit Jahren investieren Stadtwerke in gut prognostizierbare und somit renditesichere Erneuerbare-Energien-Projekte. Im Fokus stehen hier momentan besonders Windkraft- und Photovoltaik-Projekte, die weltweit gehandelt und transferiert werden. Nach langen Phasen der Evaluierung, Due-Diligence-Prüfungen, Kaufpreiskalkulationen und Verhandlungen werden Parks dann endlich an die neuen Eigentümer übertragen, die sich über eine, auf die Laufzeit gesehen, stabile Rendite freuen.
 

Vielen dieser neuen Eigentümer ist jedoch nur untergeordnet bewusst, dass es sich hier nicht nur um ein Anlageobjekt, das saubere Energie erzeugt, handelt. Sondern dass es sich um richtige Kraftwerke handelt, deren Betrieb auch mit entsprechenden Pflichten und Vorgaben verbunden ist.
  

Solang die Anlagen reibungslos funktionieren, kein Klageverfahren eingereicht wird oder eine behördliche Überprüfung ansteht, ist alles in Ordnung. Was passiert jedoch, wenn einer der genannten Fälle eintrifft? Sind alle im Betrieb notwendigen Dokumente vorhanden? Ist jeder seinen Aufgaben und Pflichten nachgekommen? Wer verantwortet einen möglichen Unfall und bei wem gehen Schadensersatzforderungen ein? In der Verantwortung steht selbstverständlich zunächst der Eigentümer der Anlage bzw. dessen Geschäftsführer oder vertretungsberechtigtes Organ. Unfälle passieren mitunter auch bei Windkraftanlagen – es sind immerhin Kraftwerke, die dauerhaft in Betrieb sind. Allein in Deutschland gab es laut Berichterstattung der Medien zwischen 2008 und 2016 ca. 50 Havarien, bei denen Anlagen abgebrannt, Teile abgerissen, Befahranlagen abgestürzt oder Arbeiter tödlich verletzt wurden. Hierbei sind kleinere Unfälle nicht eingeschlossen.
  

Sollte dem Eigentümer bzw. dessen Geschäftsführer in einem solchen Schadensfall eine schuldhafte Pflichtverletzung nachgewiesen werden, also bspw. ein Organisationsverschulden wie das Versäumnis, Abläufe korrekt organisiert oder Aufgaben an empfangsberechtigte Personen weiter delegiert zu haben, so kann dies ernsthafte rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Von empfindlichen Geldstrafen oder Ertragsausfällen im fünf- bis sechsstelligen Bereich, aufgrund von Stilllegung der Anlagen bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung bei fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung ist alles möglich.
  

Die Anforderungen des Gesetzgebers, derartige Schadensfälle zu vermeiden bzw. die Anlagen in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und sicher zu betreiben, sodass die von den Anlagen ausgehenden Gefahren sich nicht in Schäden realisieren, wird als „Betreiberverantwortung” bezeichnet. Nachfolgend möchten wir das Thema „Betreiberverantwortung” gezielt beleuchten und insbesondere aufzeigen, wie sich Eigentümer gegen den Vorwurf einer Pflichtverletzung rechtlich absichern können.
  

Doch was genau wird unter Betreiberverantwortung eigentlich verstanden?

Betreiber

„Betreiber ist, wer die tatsächliche Sachherrschaft über ein Grundstück, ein Gebäude, eine Anlage oder sonstige Einrichtungen besitzt und diese im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung führt. Er hat die originäre Ausführungsverantwortung für alle ihm obliegenden Betreiberpflichten, insbesondere die Verkehrssicherungs- und Überwachungspflicht. Er besitzt sowohl die finanzielle als auch die operative Entscheidungshoheit. Das heißt, er bestimmt die Höhe der Ausgaben bzw. des Budgets und darf jederzeit auf den operativen Betrieb uneingeschränkt Einfluss ausüben (z.B. Betriebsunterbrechung).” [in Anlehnung an die BVerwG-Entscheidung (Urteil v. 22.10.1998 – 7 C 38/97) zum BImSchG]

Verantwortung

„Verpflichtung und Berechtigung, zum Zwecke der Erfüllung einer Aufgabe oder in einem eingegrenzten Funktionsbereich selbständig zu handeln. Mit der Chance zum selbständigen Handeln verknüpft sich das Einstehen- müssen für Erfolg und Misserfolg ...” [GABLER Wirtschaftslexikon 15. Auflage 09/2000]

Betreiberverantwortung ergibt sich also aus der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft und dem damit unmittelbaren Zugriff auf die Anlage, d.h. der Betreiber hat die Verantwortung für alle sich daraus entwickelnden Szenarien und eventuellen Schadensereignisse.
 

Zur Konkretisierung dieser Verantwortung adressiert der Gesetzgeber gesetzliche Pflichten. Falls diesen nicht nachgekommen wird, kann dies empfindliche Folgen für den jeweiligen Adressaten, also z.B. den Eigentümer bzw. Betreiber, haben.
  
Gesetzliche Betreiberverantwortung aus GEFMA 190

Abbildung 1: Gesetzliche Betreiberverantwortung aus GEFMA 190
  
Zu diesen Pflichten gehören unter anderem:

 

  • Instandhaltung von baulichen und technischen Anlagen (§ 3 MBO)
  • Instandhaltung von Arbeitsmitteln (§ 10 BetrSichV)
  • Verkehrssicherung, z.B. Winterdienst (§ 823 BGB)
  • Schadensersatz bei Schäden durch Bauwerke (§§ 836, 838 BGB)
  • Anlagenverantwortung nach VDE
      

Als erstes gilt es, die genauen Grundlagen zu kennen sowie die Tatsache zu wissen, wem gegenüber in welchem Fall Rechenschaft abzulegen ist. Das können alle möglichen Arten von Interessengruppen in solchen Projekten sein:
  

  • Behörden, besonders bei nach BImSchG-genehmigten Anlagen
  • Anwälte der Gegenseite im Klageverfahren
  • Gerichte
  • Banken
  • Versicherungen
  • Anteilseigner (Gesellschafter)
  • aber auch natürlich Verbände, wie Berufsgenossenschaften, sollte ein Mitarbeiter (dies betrifft auch beauftragte Dritte!) zu Schaden kommen.
      

Darüber hinaus hat der Betreiber gewisse Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten, sowohl was die Menge und Art der Dokumente, die Qualität und den Umfang als auch den Ort und die Aufbewahrungsfristen angeht. Diese gehen weit über die oftmals noch geläufigen Auflagen aus bestehenden Genehmigungen hinaus, die meist genau vorschreiben, welche Daten aus dem laufenden Anlagenbetrieb, wie z.B. Winddaten oder Abschaltzeiten für Schattenwurf- und Fledermausabschaltung, aufzubewahren sind. So sind zum Beispiel eine ganze Reihe von Dokumenten, Berechnungen und Nachweisen aufzuheben und bei Bedarf vorzulegen, die den gesamten Lebenszyklus der Anlagen betreffen. Diese beziehen sich auf so gut wie alle Phasen des Projektes, also auch auf die Vor- und Errichtungsphase, in denen Betreiber oftmals noch gar nicht am Projekt beteiligt waren und daher keinen direkten Zugriff auf eine saubere Dokumentation hatten. Als typische Beispiele sind hier die Bereiche der Grundstückssicherung, der Errichtung der diversen Gewerke und der Anlage an sich, der technischen Dokumentation der Anlagen etc. zu nennen.

  

Inwieweit ist Betreiberverantwortung übertragbar?

Natürlich können Betreiber diese Aufgaben auch an externe Dritte übertragen, die zum Beispiel mit der technischen oder kaufmännischen Betriebsführung der Anlagen betraut werden. Hier gilt es, bei der Vergabe der übertragbaren Aufgaben auf eine rechtssichere und fachlich einwandfreie Formulierung zu achten, damit nicht nur bei allen Parteien Einigkeit über die Aufgabenverteilung herrscht, sondern auch im Schadensfall keine Unwirksamkeit der Risikoabwälzung auf den beauftragten Dritten eintreten kann.
  
Allerdings kann das Betreiberrisiko nicht vollumfänglich abgewälzt werden und verbleibt somit in Teilen immer bei dem Eigentümer. Ihm verbleibt typischerweise immer die sogenannte „Überwachungspflicht”. Hinzu kommen noch andere Pflichten, wie ordnungsgemäße Ein-/Unterweisung beim Delegieren von Aufgaben, die Ausstattung des Delegationsempfängers mit den erforderlichen Mitteln und Befugnissen sowie die Pflicht zur sorgfältigen Auswahl von geeigneten Verantwortlichen und Dienstleistern. All diese Pflichten sind nicht übertragbar und gehören damit immer zum Restrisiko eines jeden Anlagenbetreibers.

  

Fazit

Beim Erwerb und Betrieb von Windparks ist es für Eigentümer (und somit Betreiber der Parks) äußerst wichtig, das Betreiberrisiko soweit als möglich zu reduzieren und eine rechtssichere Übertragung der übertragbaren Pflichten auf einen externen Dritten zu gewährleisten. Hier gilt es auf einwandfreie und rechtsgültige Formulierungen zu achten, damit diese nicht nachträglich für unwirksam erklärt werden. Dass es ein Restrisiko an nicht übertragbaren Pflichten gibt, wird oftmals vom neuen Eigentümer des Parks nicht in der Deutlichkeit wahrgenommen. Für das verbleibende Risiko der nicht übertragbaren Pflichten sollte es daher für den Betreiber von großer Bedeutung sein, eine stimmige Aufbau- und Ablauforganisation zu entwickeln, in der auch den verbleibenden Betreiberpflichten Rechnung getragen werden kann. Nicht zuletzt dafür ist eine saubere und aktuelle Dokumentation der notwendigen Unterlagen, die mit der Errichtung und dem Betrieb der Parks zu tun haben, unerlässlich. Dies beginnt jedoch mit dem Fachwissen, welche Dokumente in welcher Qualität überhaupt erforderlich sind, um diese Anlagendokumentation rechtskonform anlegen und pflegen zu können. Minimieren auch Sie als Betreiber von Windparks dieses Restrisiko, damit es am Ende kein böses Erwachen aus dem Traum der sauberen, renditesicheren Energie gibt.

  

Unser Angebot als Rödl & Partner

Unsere Experten ermitteln während eines Quick Checks den Umgang mit dem Thema Betreiberverantwortung in Ihrem Haus. Sie prüfen sowohl baulich-technische Sachverhalte als auch die relevanten Dokumentationen ihrer Aufbau- und Ablauforganisation. Hierzu zählt die Überprüfung der nachweisenden Dokumentation ebenso wie die Durchsicht der Verträge mit Dienstleistern zur Feststellung der Aufgabendelegation. Auch werden Gespräche mit verantwortlichen Mitarbeitern geführt, um die Gesamtsituation sachgerecht einschätzen zu können. Das Resultat ist ein aussagekräftiger Ergebnisbericht, aus dem Schwachstellen und Risiken sowie Handlungsempfehlungen ersichtlich sind.
  
Bei Bedarf kann Ihnen in einem nächsten Schritt die notwendige Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, um eine saubere und rechtssichere Anlagendokumentation zu gewährleisten. Dazu gehört nicht nur eine umfängliche Übersicht aller notwendigen und vorgeschriebenen Dokumente, sondern auch ein Ablaufplan über die Lebenszeit der Anlage, wann welche Dokumente mit welchem Datenumfang vorgehalten und gegebenenfalls aktualisiert werden müssen.
  
In einem dritten Schritt kann die notwendige Überarbeitung der Verträge und Ablauf- sowie Aufbauorganisationen auf Basis eines detaillierten Soll-Ist-Abgleichs erfolgen. Sollten im Quick Check wesentliche Mängel aufgezeigt werden, können diese dadurch oftmals nachträglich behoben und so das Betreiberrisiko effektiv minimiert werden.

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