Finanzierungsbedingungen für Netzbetreiber bleiben trotz angekündigter Erhöhung des kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatzes herausfordernd

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​veröffentlicht am 1. September 2023




Im Juni 2023 hat die Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur auf ihrer Internetseite ein Verfahren für eine Festlegung von Regelungen für die Bestimmung des kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatzes für Neuanlagen im Kapitalkostenaufschlag nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 a) EnWG-E i. V. m. § 29 Abs. 1 EnWG eingeleitet. 


Mit der Einleitung dieses Verfahrens beabsichtigt die Bundesnetzagentur, auf die seit Anfang des Jahres 2022 signifikanten Zins- und Preissteigerungen sowie den erhöhten Investitionsbedarf im Kontext der Energiewende zu reagieren.  

Die Eckpunkte für diese Festlegung (im Folgenden: geplante Festlegung) sehen vor, dass ab dem 1.1.2024 - befristet bis zum Ende der 4. Regulierungsperiode (Gasnetze: 31.12.2027 / Stromnetze: 31.12.2028) - im Rahmen der Bestimmung des Kapitalkostenaufschlags gem. § 10 a ARegV nicht der für die 4. Regulierungsperiode festgelegte kalkulatorische Eigenkapitalzinssatz i. H. v. 5,07 Prozent, sondern ein expliziter kalkulatorischer Eigenkapitalzinssatz Anwendung findet.  

Dieser kalkulatorische Eigenkapitalzinssatz für den Kapitalkostenaufschlag soll jährlich neu ermittelt werden, um potenzielle Zinsanpassungen der Europäischen Zentralbank zeitnah zu erfassen. Grundsätzlich setzt sich der kalkulatorische Eigenkapitalzinssatz gem. § 7 Abs. 4 Strom-/GasNEV aus einem „risikofreien” Basiszins und einem Wagniszuschlag zusammen. Maßgeblich für die beabsichtigte jährliche Anpassung ist gemäß der geplanten Festlegung jedoch ausschließlich der Basiszinssatz. Während dieser Zinsparameter im Rahmen der Festlegung der kalkulatorischen Eigenkapitalzinssätze gem. § 7 Abs. 6 Strom-/GasNEV aus dem auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten bestimmt wird, soll für den kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatz für den Kapitalkostenaufschlag ein jährlich variierender Basiszins Anwendung finden. Dieser Basiszins soll das tatsächliche Zinsniveau des jeweiligen Geschäftsjahres reflektieren und wird im Vorjahr der Anwendung zunächst als Planwert ermittelt und nach Abschluss dieses Geschäftsjahres final bestimmt. Die endgültige Höhe des jährlichen kalk. Eigenkapitalzinssatzes im Rahmen des Kapitalkostenaufschlags steht somit immer erst nach Abschluss des betreffenden Geschäftsjahres fest. Die monetären Abweichungen, die daraus zwangsläufig resultieren, werden über das Regulierungskonto ausgeglichen. 

Somit finden in der 4. Regulierungsperiode vier unterschiedliche kalk. Eigenkapitalzinssätze Anwendung:


​EK-Zins für Neu-
anlagen ab dem 1.1.2006*
EK-Zins 
für Altanlagen bis zum 31.12.2005*
​Vorläufiger EK-Zins ab 2024 für KK-Aufschlag 4. RP*​EK-Zins gem. § 7 Abs. 7 Strom-/GasNEV*
​Stromnetz
​5,07 %
​3,51 %
​7,10 %
​1,71 %
​Gasnetz
​5,07 %
​3,51 %
​7,10 % 
(erst ab 2024!)
​2,03 %
* Zinssätze vor Körperschaftsteuer
 
Auf den ersten Blick erscheint die geplante Festlegung der Bundesnetzagentur und die damit einhergehende Erhöhung des kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatzes durchaus attraktiv. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die adressierte Herleitung des kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatzes im Rahmen des Kapitalkostenaufschlags einmal mehr Schwächen beinhaltet, die das in § 21 Abs. 2 EnWG postulierte Ziel einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals verhindern. Folgende Kritikpunkte sind unseres Erachtens wesentlich:  

  1. Nicht sachgerecht ist nach wie vor insbesondere der Ansatz einer signifikant zu niedrigen Marktrisikoprämie im Rahmen der Ableitung des kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatzes. Die von der Bundesnetzagentur angesetzte Marktrisikoprämie i. H. v. 3,70 Prozent, die aus einer mehr als 100 Jahre umfassenden historischen Datenreihe abgeleitet wird, unterschätzt das aktuelle Kapitalmarktrenditenniveau signifikant. Zum Vergleich: Die vom Institut der Wirtschaftsprüfer für Unternehmensbewertungen empfohlene Bandbreite für die Marktrisikoprämie liegt zwischen 6,00 Prozent und 8,00 Prozent. 
  2. Der Ansatz einer zu niedrigen Marktrisikoprämie wird bei Betrachtung der Realverzinsung - also der erzielbaren Rendite unter Berücksichtigung der Inflationsrate – augenscheinlich. Unter Berücksichtigung einer aktuellen Inflationsrate von ca. 6 Prozent (Stand Juni 2023) sinkt die reale kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung auf ein Niveau von ca. -0,2 Prozent nach Körperschaftsteuer. Diese Rendite kann nicht im Sinne der für Neuanlagen geltenden Konzeption der Realkapitalerhaltung sein. Bei der Realkapitalerhaltung wird die Inflation über die Verzinsung vergütet, um die Investitions- und Finanzierungsfähigkeit der Netzbetreiber zu sichern. Eine negative Realrendite führt jedoch zu einer sukzessiven Entwertung des eingesetzten Eigenkapitals und einer kontinuierlichen Schwächung der Innenfinanzierungskraft der Netzbetreiber. 
  3. Der kalkulatorische Eigenkapitalzinssatz und das Fremdkapitalzinsniveau nähern sich immer stärker an. Während der Abstand zwischen dem kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen (nach Körperschaftsteuer) und dem Fremdkapitalzinssatz in den ersten drei Regulierungsperioden im Mittel ca. 4,4 Prozentpunkte betrug, liegt dieser Abstand unter Berücksichtigung eines vorläufigen kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatzes von 5,80 Prozent nach Körperschaftsteuer (7,10 Prozent vor Körperschaftsteuer) und einem durchschnittlichen Fremdkapitalzins von ca. 4,20 Prozent (gem. Bundesbankstatistik für das erste Halbjahr 2023) nur noch bei ca. 1,60 Prozentpunkten (Hinweis: Bei Vergleich des kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatzes für Neuanlagen für die 4. Regulierungsperiode i.H.v. 5,07 Prozent vor Körperschaftsteuer bzw. 4,13 Prozent nach Körperschaftsteuer ist der Zinsabstand aktuell sogar negativ). Vor dem Hintergrund, dass die Eigenkapitalgeber das Kapital unbegrenzt zur Verfügung stellen und im Wesentlichen die leistungswirtschaftlichen Risiken des Netzbetriebs tragen, ist dies ein eindeutiger Indikator für eine nicht angemessene, risikoangepasste Eigenkapitalverzinsung.
  4. Das bis zum 31.12.2023 für die bestehende Netzinfrastruktur investierte Eigenkapital wird mit dem für die 4. Regulierungsperiode festgelegten kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatz i. H. v. 5,07 Prozent (vor Körperschaftsteuer für Neuanlagen, Eigenkapitalquote bis maximal 40 Prozent) verzinst. Diese Differenzierung der Eigenkapitalverzinsung in eine Phase vor 2024 und ab 2024 ist aus ökonomischer Perspektive nicht nachvollziehbar und sachgerecht. 

Die nicht angemessene Eigenkapitalverzinsung ist im Kontext der energiewendeinduzierten, kontinuierlich steigenden Investitionen äußerst problembehaftet. Die sinkenden kalkulatorischen Eigenkapitalzinssätze engen die Innenfinanzierungskraft deutlich ein und gestalten die Investitionsfinanzierung zunehmend schwieriger. Daher ist  im Hinblick auf die künftigen Finanzierungsherausforderungen und die damit einhergehenden Gespräche mit Banken und Gesellschaftern eine intensive Auseinandersetzung mit der Zukunft erfolgsentscheidend. 

Hierfür sollte eine mehrjährige (empfehlenswert ist ein Planungszeitraum von mindestens fünf Jahren, aufgrund der langen Investitionszyklen eher länger) nach Geschäftsbereichen differenzierte Unternehmensplanung stehen. Eine aussagekräftige Planung berücksichtigt hierbei immer die künftige Entwicklung der Ertrags- (Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen), Vermögens- (Plan-Bilanzen) und Finanzlage (Plan-Cashflow-Rechnungen) und ist das Ergebnis einer strukturierten Analyse des Unternehmens der Unternehmensumwelt und der Märkte. 

Wir stehen Ihnen jederzeit für einen fachlichen Austausch zur Verfügung. Die Bandbreite unserer Leistungen reicht dabei von der Weiterentwicklung Ihrer bestehenden Unternehmensplanung über die Simulation von Investitionsszenarien und die Entwicklung von korrespondierenden Finanzierungskonzepten bis zur Begleitung der Finanzmittelakquise.





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