Verwertung von Klärschlamm als Dekarbonisierungsalternative?

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veröffentlicht am 1. Juni 2021

 

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Getrockneter Klärschlamm bietet das Potenzial in Zukunft als erneuerbarer Brennstoff in der Strom- und Wärmeversorgung zum Einsatz zu kommen. In diesem Artikel blicken wir auf das thermische Potenzial des Klärschlamms in Deutschland und stellen 3 verschiedene Konzepte vor, wie Klärschlamm zur Dekarbonisierung und zur Stärkung der regionalen Wertschöpfung eingesetzt werden kann.


Was ist Klärschlamm?

Klärschlamm entsteht in ganz Deutschland durch die Behandlung des Abwassers in kommunalen Kläranlagen, in denen insbesondere Abwässer aus privaten Haushalten gereinigt werden.


Klärschlämme haben direkt nach der Abwasserbehandlung einen Wassergehalt von 90 bis 97 Prozent. Dieser muss für die weitere Verwendung reduziert werden. Zusätzlich enthalten Klärschlämme eine Mischung aus vielen organischen und anorganischen Stoffen. Hierbei sind sowohl nützliche Rohstoffe wie Phosphor als auch Schadstoffe wie Schwermetalle enthalten. Grundsätzlich ist die Zusammensetzung von Klärschlämmen stark von der jeweiligen Abwasserquelle abhängig. Dies bedeutet beispielsweise, dass kommunale Klärschlämme von den industriellen Klärschlämmen abweichen.


Nach § 2 (2) Klärschlammverordnung (AbfKlärV) gelten Klärschlämme als Abfall aus der abgeschlossenen Behandlung von Abwasserbehandlungsanlagen. Gleichzeitig ist Klärschlamm jedoch eine wichtige Quelle von nützlichen Mineralstoffen. Aus diesem Grund ist die sinnvolle  Verwertung der anfallenden Klärschlämme mit Blick auf den Klimawandel, die Rohstoffknappheit und den Gedanken der Kreislaufwirtschaft eine Herausforderung, die mit den richtigen Maßnahmen einen Beitrag zur Nachhaltigkeit der Gesellschaft leisten kann.

 

Grafik Entwicklung Klärschlammentwicklung  

 

Abbildung 1: Entwicklung der Klärschlammverwertung 2010, 2015 bis 2019 (Klärschlamm-Trockenmasse)


Aktuelle Situation der Verwertung

Bezogen auf die reine Trockenmasse fielen im Jahr 2019 rund 1,74 Millionen Tonnen Klärschlamm an. Typischerweise erfolgte bislang häufig eine stoffliche Verwertung, insbesondere durch eine landwirtschaftliche Nutzung als Düngemittel und bei landschaftsbaulichen Maßnahmen oder eine thermische Behandlung (Verbrennung). Die thermische Behandlung teilt sich dabei in Monoklärschlammverbrennung und Co-Verbrennung in Braun-/ Steinkohlekraftwerken, Müllheizkraftwerken und Zementwerken auf. Rechtlich ist die stoffliche Verwertung in Deutschland u. a. durch die Klärschlammverordnung und die Düngemittelverordnung geregelt. Der rechtliche Rahmen der Entsorgung von Klärschlamm unterlag in den letzten Jahren einem starken Wandel.

 

Im Jahr 2019 wurden in ganz Deutschland rund 290.000 Tonnen Klärschlamm (Trockenmasse) durch eine stoffliche Verwertung entsorgt. Im Jahr 2018 waren dies noch rund 440.000 Tonnen. Grund hierfür ist die Novellierung der Düngemittelverordnung aus dem Jahr 2017. Diese führte durch zahlreiche Restriktionen dazu, dass die Ausbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutzten Flächen erschwert wurde und infolgedessen stark zurückgegangen ist. Die Novellierung im Jahr 2019 verschärfte die Vorgaben zur stofflichen Verwertung noch weiter.


Die Auswirkungen der Novellierungen zeigen sich bereits bei der Betrachtung der Entsorgungsentwicklung der letzten Jahre. Die Entwicklung ist in Abbildung 1 dargestellt. Vor den Novellierungen wurde in 2016 rund 35 Prozent des gesamten Klärschlamms mittels stofflicher Verwertung entsorgt, während es in 2019 noch rund 25 Prozent waren. Folglich wurden nach der Novellierung der Düngemittelverordnung vermehrt Klärschlammmengen der thermischen Behandlung zugeführt. Dieser Verwertungsstrang wuchs infolgedessen von rund 65 Prozent in 2016 auf rund 74 Prozent in 2019 an.

 

Grafik Entwicklung thermischer Behandlung  

 

Abbildung 2: Entwicklung innerhalb thermischer Behandlung 2015 bis 2019 (Klärschlamm-Trockenmasse)


Abbildung 2 stellt die Entwicklung der thermisch behandelten Gesamtmenge sowie die Entwicklungen der Monound Co-Verbrennung dar. Hierbei fällt auf, dass der Anteil der Co-Verbrennung von Klärschlämmen stärker steigt als die Monoklärschlammverbrennung. Dies hat vor allem damit zu tun, dass ein zusätzlicher Einsatz von Klärschlamm in einer bereits bestehenden Verbrennungsanlage ohne größere Prozessanpassungen und Genehmigungsverfahren möglich ist. Allerdings ist die prozentuale Menge, die durch eine Co-Verbrennung thermisch behandelt werden kann, begrenzt. Dies liegt hauptsächlich an den Schadstoffen im Klärschlamm, die bei einer Verbrennung emittiert werden. Hierzu zählen insbesondere Schwermetalle, deren Emissionsgrenzwerte im Abgasstrom überschritten werden.


Veränderung der Klärschlammverwertug – Pflicht zur Phosphorrückgewinnung in der nahen bis mittelfristigen Zukunft

Neben der Düngemittelverordnung wurde in 2017 ebenfalls die Klärschlammverordnung novelliert, wodurch die Phosphorrückgewinnung ab 2029 verbindlich für Klärschlämme vorgeschrieben wurde. Dies gilt vorerst für Anlagen mit einer Ausbaugröße von mehr als 100.000 Einwohnerwerten (EW). Ab 2032 folgen Anlagen mit einer Ausbaugröße von 50.000 bis 100.000 EW. Zudem wird zeitgleich die bodenbezogene Verwertung von Klärschlamm für die oben genannten Ausbaustufen untersagt.

 

Anlagen mit einer Ausbaugröße von weniger als 50.000 EW sind derzeit von der Phosphorrückgewinnungspflicht ausgenommen. Durch diese Regelung wird die stoffliche Verwertung von Klärschlämmen zusätzlich erschwert. Auch wenn die Regelung erst in 2029 in Kraft tritt, müssen die Kläranlagenbetreiber bereits in 2023 der zuständigen Behörde ein Konzept zur Phosphorrückgewinnung vorlegen.


Die Phosphorrückgewinnung ist an 2 Stufen im Prozess der Abwasseraufbereitung möglich:

  1. Die Phosphatausfällung erfolgt aus der flüssigen Phase des Abwassers.
  2. Rückgewinnung aus der Asche der thermisch verwerteten Klärschlämme. Die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlammaschen aus Monoverbrennungsanlagen verspricht jedoch die höchste Rückgewinnungsrate, da hier die Phosphorkonzentration bei ca. 6 bis 8 Prozent der Trockenmasse liegt.

Für die Phosphorrückgewinnung existiert dabei eine Vielzahl von Verfahrensansätzen. Für die Rückgewinnung aus Klärschlämmen oder Klärschlammaschen kommen nasschemische, thermochemische und metallurgische Verfahren zum Einsatz. Metallurgische und thermische Verfahren sind gegenüber nasschemischen Verfahren aufwändiger und somit teurer, besitzen jedoch den Vorteil, dass sie bis zu 90 Prozent des im Kläranlagenzulauf enthaltenen Phosphors rückgewinnen können (nasschemisch 5 bis 30 Prozent).

 

Das Potenzial der Phosphorrückgewinnung ist enorm. Durch eine Umstellung der Klärschlammentsorgung auf 100 Prozent Monoklärschlammverbrennung könnte die Rückgewinnung aus der Klärschlammasche rund 40 Prozent des Phosphorbedarfs in Deutschland abdecken. Ein weiterer Vorteil von Klärschlammaschen aus Monoklärschlammverbrennungsanlagen ist, dass diese sofern Schadstoffgrenzwerte nicht überschritten werden, direkt zu Düngezwecken eingesetzt werden können, wodurch Kosten zur Phosphorextraktion aus der Asche eingespart werden könnten.

 

Die Kosten für die Entsorgung des Klärschlamms nehmen momentan lediglich einen Anteil von rund 4 Prozent an den Kosten der gesamten Abwasserbehandlung ein. Die Kosten bewegen sich bei der Klärschlammentsorgung bei einer Größenordnung von 4,23 bis 6,84 Euro proTonne Trockenmasse.1 Die Kosten sind hierbei inklusive der Aufwendungen für Entwässerung und Transport. Für die Trocknung des Klärschlamms lassen sich die Kosten durch eine günstige, lokale Wärmequelle, wie eine Biogasanlage oder die Abwärme eines Kraftwerks, und durch Skalierung der Durchsatzleistungen senken. Noch nicht inbegriffen sind die Kosten für die Phosphorrückgewinnung.


Diese können jedoch ab 2029 auf die Abwassergebühr aufgeschlagen werden. Dies bedeutet zum heutigen
Zeitpunkt vermutlich Mehrkosten für Privathaushalte von 3 – 11 Euro pro Jahr.2 Die Entwicklung der Verwertungsstränge der vergangenen Jahre und die rechtlichen Verschärfungen zur stofflichen Verwertung von Klärschlämmen legen nahe, dass zukünftig die thermische Behandlung von Klärschlämmen eine zentrale Rolle einnehmen wird. Dies ist insbesondere für Betreiber von Fernwärmenetzen und im Rahmen des Kohleausstiegs ein interessantes Thema, da Klärschlamm zur klimaneutralen Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden kann.


Langfristige Entwicklung auf dem Klärschlammmarkt und Analyse des energetischen Potenzials

Für eine Einschätzung des Potenzials der Klärschlammverwertung wird zunächst die jährlich verfügbare Klärschlammmenge und deren Energiegehalt betrachtet. Die in 2019 angefallene Klärschlammmenge belief sich auf rund 1,74 Millionen Tonnen Trockenmasse. Bei einer Bevölkerung von 83,2 Millionen Menschen ergibt sich hierdurch ein Klärschlammanfall (Trockenmasse) von ca. 21 kg pro Kopf.


Der Energiegehalt von Klärschlamm im vollgetrockneten Zustand liegt im Bereich von 9 bis 12 MJ/kg. Dieser Wert ist vergleichbar mit Braunkohle im Anlieferzustand (etwa 50 Prozent Wassergehalt).
Bei Annahme eines eher konservativen Energiegehalts des Klärschlamms von 10 MJ/kg (entspricht 2,78 kWh/kg) lag das Gesamtpotenzial im Jahr 2019 bei rund 4,8 TWh. Abbildung 3 zeigt die Verwertung der Klärschlammenergie in Mono- und Co-Verbrennung sowie das energetische Potenzial. Nach dieser Aufteilung wurden 2019 rund 3,6 TWh Wärme erzeugt. Hieraus lässt sich ableiten, dass 2019 ein zusätzliches thermisches Potenzial von rund 1,24 TWh vorhanden war.

 

Grafik thermische Verwertung  

 

Abbildung 3: Vergleich der thermischen Verwertung von Klärschlamm und dem thermischen Potenzial in 2019


In Zukunft wird sich die Aufteilung nach Abbildung 3 allerdings grundlegend ändern. Grund dafür ist zum einen die bereits beschriebene Pflicht zur Phosphorrückgewinnung. Zum anderen werden in den nächsten Jahren voraussichtlich verschiedene Kohlekraftwerke vom Netz gehen, die derzeit Klärschlamm mitverbrennen. Die folgende Betrachtung untersucht die Klärschlammmengen, die derzeit in Co-Verbrennungsanlagen in Kohlekraftwerken verwendet werden und durch deren Stilllegung zusätzlich einer alternativen Verwertung zugeführt werden müssen.

 

Grafik eingesetzte Klärschlammmengen  

 

Abbildung 4: Die im Jahr 2018 eingesetzte Klärschlammmengen in Kohlekraftwerken und sonst. Co-Verbrennungsanlagen (Zementwerke, Müllverbrennung, etc.)


Im Jahr 2018 wurden rund 762.000 Tonnen Klärschlamm (Trockenmasse) in Co-Verbrennungsanlagen eingesetzt. Abbildung 4 zeigt die Verteilung zwischen Braun- und  Steinkohlekraftwerken sowie sonstigen Co-Verbrennungsanlagen wie zum Beispiel Zementwerken oder Müllverbrennungsanlagen. Es ist zu erkennen, dass mit 446.400 Tonnen mehr als die Hälfte in Kohlekraftwerken verwertet wurde, die spätestens ab 2038 auf einem anderen Weg entsorgt werden muss.

 

Grafik jährlich eingesetzte Klärschlammmengen  

Abbildung 5: Jährlich eingesetzte Klärschlammmengen (Trockenmasse) aus Kohlekraftwerksstilllegungen


Wird der Stilllegungszeitplan aus dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) zugrunde gelegt, ergeben sich die in Abbildung 5 dargestellten Mengen, die jährlich in den Kohlekraftwerken mitverbrannt werden. Es ist zu erkennen, dass in den nächsten 5 Jahren (bis 2026) eine Menge von ca. 200.000 Tonnen (~ 0,6 TWh) durch Stilllegungen von Kohlekraftwerken auf den Markt kommen wird. In den 5 Folgejahren werden weitere Kohlekraftwerke stillgelegt, deren jährlich eingesetzte Klärschlammmenge rund 35.000 Tonnen (~ 0,1 TWh) beträgt.


Bis zum endgültigen Ausstieg aus der Kohleverstromung (spätestens 2038) kommen weitere rund 180.000 Tonnen (~ 0,5 TWh) hinzu.


Anwendungsbeispiele und Dekarbonisierungsoptionen

Die rechtlichen Entwicklungen und die Stilllegung von Kohlekraftwerken skizzieren ein interessantes neues Feld für Versorger und Kraftwerksbetreiber. Je nachdem wie der Klärschlamm (vor-)behandelt und eingesetzt wird, können verschiedene wirtschaftliche Geschäftsmodelle entwickelt werden.


Der Einsatz von Klärschlamm stellt außerdem eine Möglichkeit dar, die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung voranzutreiben. Nachfolgend möchten wir Ihnen exemplarisch 3 mögliche Anwendungsfälle vorstellen.


Kraftwerksumrüstung

Eine Möglichkeit zum Einsatz von Klärschlamm besteht darin, dass bereits bestehende Infrastrukturen weiterhin verwendet werden, wodurch Ressourcen geschont werden können. So können Kohlekraftwerke mit geeigneter Feuerungstechnik auf die thermische Behandlung von Klärschlamm umgerüstet werden. Auch mit Teilnahme an der Ausschreibung zum Kohleausstieg und Beendigung der Kohleverstromung nach Kohleverstromungsbeendigungsgesetz ist eine Umrüstung des Kraftwerksstandortes möglich. Für den Einsatz von Klärschlamm ist es sinnvoll, eine Klärschlammtrocknungsanlage zu errichten.

 

Diese erhöht den Heizwert des Klärschlamms, wodurch ein kosten- und energieeffizienter Betrieb ermöglicht wird. Bei einer ausschließlichen Nutzung von Klärschlamm ist die Phosphorrückgewinnung aus der Klärschlammasche direkt möglich. Alternativ ist ebenso ein abwechselnder Betrieb von Klärschlamm und anderen Brennstoffen (beispielsweise Holz) denkbar. Dies kann notwendig sein, wenn für eine kontinuierliche Monoklärschlammverbrennung nicht genügend Klärschlamm vorhanden ist. Bei einem solchen Szenario muss der Betreiber sicherstellen, dass die Asche aus der Klärschlammverbrennung und die Aschen der alternativen Brennstoffe getrennt werden, um eine problemlose Phosphorrückgewinnung zu ermöglichen.


Die Anlagenumrüstung ist vor allem für Kraftwerksbetreiber interessant, die auch ein Fernwärmenetz betreiben. Der Ersatz eines Kohlekraftwerkes kann mit großen Umstellungen und Investitionen zusammenhängen. Bei einer Umrüstung können Anlagenteile und auch das Gelände weiterbetrieben werden. Vor der Umstellung muss darauf geachtet werden, rechtzeitig eine neue  Emissionsschutzgenehmigung einzuholen.


Ein solches Projekt zur Umrüstung eines bestehenden Kraftwerks wird derzeit von der Städtische Werke Energie+ Wärme GmbH in Kassel umgesetzt. Hier wird bereits heute Klärschlamm im lokalen Braunkohlekraftwerk mitverbrannt.


In den nächsten Jahren wird der Standort komplett auf den Betrieb mit Klärschlamm und Altholz umgestellt.
Zur Trocknung des Klärschlamms wurde bereits eine Klärschlammtrocknungsanlage erbaut, die bis zu 80.000 Tonnen jährlich verarbeiten kann. Durch die Umrüstung des Braunkohlekraftwerks auf Klärschlamm und Altholz ist der Ausstieg aus der Kohle für Kassel bereits zum Jahr 2025 möglich.


Monoverbrennungsanlage mit Klärschlammtrocknung

Eine weitere Möglichkeit für den Einsatz von Klärschlamm ist die Errichtung einer Monoklärschlammverbrennungsanlage in Verbindung mit einer Klärschlammtrocknungsanlage. Monoverbrennungsanlagen können bereits ohne zusätzliche Wärmeauskopplung wirtschaftlich sein.


Hierbei wird die (Ab-)Wärme aus der Verbrennung zur (Vor-)Trocknung des Klärschlamms genutzt. Es entstehen somit nur Kosten für Transport und Ascheentsorgung, die den Entsorgungserlösen
gegenüberstehen. Die Amortisation einer solchen Lösung kann bei ca. 4 bis 5 Jahren liegen. Für Fernwärmeversorger ist eine solche Lösung zudem interessant, da Klärschlamm als klimaneutraler
Brennstoff eingestuft wird und sich somit die EE-Quote und der PEF (Primärenergiefaktor) der erzeugten
Fernwärme steigern lässt. In diesem Szenario muss jedoch unbedingt die Energiemenge zur Trocknung des Klärschlamms mitberücksichtigt werden. Im optimalen Fall steht bereits eine Abwärmequelle mit ausreichend hohem Temperaturniveau zur Verfügung. Alternativ kann Wärme aus dem Fernwärmenetz zur
Trocknung entnommen werden (Rücklaufabsenkung).

 

Zum Jahr 2018 wurden in Deutschland 22 Monoklärschlammverbrennungsanlagen3 und eine  Klärschlammvergasungsanlage betrieben. Diese Zahl dürfte anhand zahlreicher geplanter Projekte im Zuge der Phosphorrückgewinnung zukünftig steigen. Ein Projekt in diese Richtung wird durch eine südhessische Kooperation von Abfallbetrieben und dem Darmstädter Energieversorger Entega geplant. Hierfür wurde durch die Zweckverbände Abfallverwertung Südhessen (ZAS) bereits durch eine Machbarkeitsstudie
die Realisierung einer Monoklärschlammverbrennungsanlage geprüft. Die Kapazität der Verbrennungsanlage soll zwischen 43.000 und 78.000 Tonnen Klärschlamm jährlich betragen.


Die Investitionssumme beläuft sich je nach Größe von 22 bis 38 Millionen Euro. Durch die Zusammenarbeit der ZAS, der Kommunalwirtschaft Mittlere Bergstraße (KMB) und der Entega lässt sich der anfallende Klärschlamm lokal, wirtschaftlich und ressourcenschonend verwerten. Einige Schritte weiter befindet sich das Klärschlammprojekt in Hannover-Lahe.


Hier soll bereits im Jahr 2022 eine Klärschlammverbrennungsanlage mit einer Kapazität von ca. 130.000 Tonnen entwässertem Klärschlamm in Betrieb gehen, die sowohl mechanisch entwässerte als auch vollgetrocknete und teilgetrocknete, kommunale Klärschlämme behandelt. Die hierdurch entstehende  Wärme wird in das Fernwärmenetz der enercity AG eingespeist. Der Klärschlamm wird vor der Verbrennung durch einen Scheibentrockner vorgetrocknet. Der Bau der Anlage hat bereits im November 2020 begonnen. 


Innovative Entsorgungslösungen

Co-Verbrennungsanlage unter Auflagen

Neben den Handlungsalternativen, die sich aus den rechtlichen Vorgaben für die Klärschlammverwertung ergeben, sind bewährte Methoden der thermischen  Klärschlammverwertung mit einigen Bedingungen weiterhin ein erfolgsversprechendes Geschäftsmodell. Ein solches Geschäftsmodell stellt die Co-Verbrennung von Klärschlamm mit weiteren Brennstoffen dar.

 

Für einen erfolgreichen Betrieb über 2029 hinaus müssen jedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein, die hauptsächlich den eingesetzten Klärschlamm betreffen. Hierfür muss der Klärschlamm entweder aus Kläranlagen, die für weniger als 50.000 EW ausgelegt sind, bezogen werden oder weniger als 2 Prozent Phosphor in der Trockensubstanz beinhalten. Weiterhin sind auch neue Co-Verbrennungskonzepte denkbar, die die erforderlichen Auflagen erfüllen. Potenziell könnten Erdgas oder Wasserstoff als Brennstoff eingesetzt werden, da die Brennstoffe keinen bzw. nur sehr geringen Ascheausfall haben und so die Phosphorrückgewinnung unverändert durchgeführt werden kann.


Nutzung von Wärmepotenzialen zur Klärschlammtrocknung

Eine weitere Möglichkeit stellt die Klärschlammtrocknung zum weiteren Vertrieb dar. Besonders für Industrieunternehmen mit Abwärmepotenzialen oder Energieversorger, die die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung optimieren möchten, ergibt sich die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Wärmeauskopplung zu Klärschlammtrocknung.


Voraussetzung ist eine ausreichende Wärmequelle, z. B. aus einem Produktionsprozess sowie Speicherkapazität für nassen und getrockneten Klärschlamm. Da die thermische Verwertung von getrocknetem Klärschlamm deutlich einfacher als die Verwertung nicht getrockneter Masse ist, sind potenziell auch hier Abnehmer zu finden.


Wenn möglich, können regionale Kooperationen geschlossen werden, die Klärschlammtrocknung aus bspw. industrieller Abwärme mit der weiteren regionalen thermischen Verwertung in Kraftwerken kombinieren. Ein solches Konzept wurde bereits in Aschaffenburg umgesetzt. Hier werden die Klärschlämme aus Kläranlagen im Umkreis von Aschaffenburg durch eine Trocknungsanlage neben dem Biomasseheizkraftwerk der Stadtwerke Aschaffenburg getrocknet und anschließend an das Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt geliefert und im Steinkohlekraftwerk mitverbrannt. Durch diese Kooperation können jährlich rund 11.000 Tonnen CO2 eingespart werden.


Handlungsempfehlungen

Vor der Umsetzung eines Projektes zur thermischen Klärschlammbehandlung müssen umfangreiche Analyse- und Planungsprozesse durchgeführt werden. Dies sichert die bestmögliche Einbindung der vorhandenen Ressourcen, wodurch die Klärschlammverbrennungsanlage optimal in den bestehenden Erzeugungspark eingegliedert werden kann.


In einem ersten Schritt muss der Status quo der Energieerzeugung ermittelt werden sowie eine Potenzialanalyse für die Klärschlammverwertung auf lokaler und regionaler Ebene durchgeführt werden. In der Analyse wird untersucht, ob es im näheren Umkreis Kläranlagen gibt und welche Klärschlammmengen für eine thermische Verwertung vorhanden sind. Hierzu zählt unter anderem die Untersuchung des Phosphorgehalts der Trockensubstanz, da sich hierdurch die Auflagen für die Verwendung ändern.


Auf dieser Grundlage kann anschließend entschieden werden, ob eine geeignete Anlage umgerüstet oder eine neue Anlage errichtet wird (siehe Option 1 und 3). Neben dem Klärschlamm und der Verbrennungsanlage ist die Klärschlammtrocknung eines der wichtigsten Elemente der thermischen Klärschlammverwertung. Hierfür muss beispielsweise untersucht werden, ob bereits überschüssige Wärmequellen vorhanden sind, die für eine Klärschlammtrocknung verwendet werden können.


Einen weiteren wichtigen Punkt stellt die Auswahl des Standortes dar. Dies ist unter anderem davon abhängig, ob ein bestehender Standort umgerüstet oder ob eine neue Anlage gebaut wird. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Klärschlammtrocknungsanlage in räumlicher Nähe der Verbrennungsanlage zu errichten, da hierdurch ressourcenschonend Transportwege und -kosten gespart werden können.


Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Punkt ist die Akquirierung von Fördermitteln. Deshalb sollte bereits in der Planung darauf eingegangen werden. Die Möglichkeiten dazu sind vielfältig.


Schlussfolgerung und Ausblick

Die Analysen haben gezeigt, dass sich auf dem Klärschlammmarkt mittel- bis langfristig wesentliche Änderungen einstellen werden. Zusätzliche Anforderungen an die Phosphorrückgewinnung betreffen sowohl die Kläranlagenbetreiber als auch die Beteiligten der weiteren Verwertung. Zusätzlich entfallen mit dem Kohleausstieg große Abnehmer von Klärschlamm. Das entstehende Potenzial für den Einsatz in der Wärmewirtschaft beläuft sich dabei einerseits auf ca. 1,2 TWh aus den Klärschlammmengen, die jährlich durch die stoffliche Verwertung umgesetzt werden. Andererseits werden in den kommenden Jahren potenziell weitere rund 1,3 TWh auf den Markt kommen, die derzeit jährlich in Kohlekraftwerken in Co-Verbrennung eingesetzt werden.


Diese konservative Abschätzung ergibt ein Potenzial von rund 2,5 TWh von Klärschlämmen, die derzeit jährlich durch wenig zukunftsfähige Wege verwertet werden und in den nächsten Jahren einen (neuen) Abnehmer finden müssen. Aus dieser Tatsache ergibt sich ein weiterer Vorteil der Verwertung. Kläranlagenbetreiber müssen Abnehmer für die Klärschlämme suchen, weshalb niedrige Kosten bzw. Entsorgungserlöse zu erwarten sind.


Weiterhin sind Verwertungswege für Klärschlämme meist sehr regional geprägt, weshalb eine enge regionale Zusammenarbeit zwischen den Betreibern der Kläranlagen und den Verwertungsbetrieben einen wichtigen Bestandteil darstellt. Durch die regionale Zusammenarbeit kann zusätzlich ein Schub in den Punkten Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der näheren Umgebung der Anlagen vorangetrieben sowie die lokale Wertschöpfung gesteigert werden.


Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Klärschlamm als emissionsfreier Energieträger bei der Energieerzeugung gilt und so die Belastungen aus der CO2-Bepreisung aus dem BEHG oder dem TEHG reduziert werden können.


Insgesamt stellt die Klärschlammverwertung somit einen wichtigen Baustein zur Dekarbonisierung des Wärmemarktes dar.

 

 

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1 Studie „Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland” des Umweltbundesamts, Seite 65.

2 Studie „Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland” des Umweltbundesamts, Seite 67.

3 Studie „Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland” des Umweltbundesamts, Seite 36.

 

 

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