Bundesverfassungsgericht kippt Erbschaftsteuergesetz / Immobilienunternehmen und private Immobilieneigentümer könnten profitieren

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  • Immobilienbranche möglicher Gewinner einer Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts
  • Steuerrechtsexperte Hans Weggenmann: „Immobilienunternehmen müssen bei Reform in Verschonung einbezogen werden”

 
Karlsruhe/Nürnberg, 17.12.2014: Das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz ist verfassungswidrig. Die darin vorgesehenen Vergünstigungen für die Übertragung von Betriebsvermögen sind zum Teil mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes nicht vereinbar. Dies hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden (Az.: 1 BvL 21/12). Die Karlsruher Richter fordern eine konkrete Bedürfnisprüfung für die Verschonung großer Familienunternehmen. Bereits abgeschlossene Erbschaft- oder Schenkungsfälle sind von dem Urteil nicht berührt. Der Gesetzgeber hat eine Frist bis 30.06.2016, das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht neu zu regeln. Immobilienunternehmen könnten von einer Reform profitieren. Bis dahin gelten die verfassungswidrigen Normen zwar fort, jedoch begründet dies keinen Vertrauensschutz der Steuerpflichtigen im Falle einer bis zur Urteilsverkündung rückwirkenden Neuregelung in Bezug auf die „exzessive Ausnutzung” der vom Gericht festgestellten gleichheitswidrigen Gestaltungen.
 
„Der Gesetzgeber ist nun gezwungen, die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen zu überarbeiten. Dies birgt die Chance, die ungerechtfertigte Benachteiligung von Immobilienunternehmen durch das geltende Recht zu beseitigen”, erklärt Prof. Dr. Christian Rödl, Geschäftsführender Partner von Rödl & Partner.
 
Bislang waren die Verschonungsregeln ausschließlich für Unternehmen anwendbar, die weniger als 50 Prozent sogenanntes „Verwaltungsvermögen” aufwiesen. Insbesondere fremd vermietete Immobilien erhielten zur Vermeidung von Missbräuchen keine steuerliche Vergünstigung. Damit blieb ein Großteil der Immobilienunternehmen mit dem Kernbereich ihrer unternehmerischen Tätigkeit von der Begünstigung für Betriebsvermögen ausgenommen und musste daher im Zuge der Unternehmensnachfolge Erbschaftsteuer in voller Höhe zahlen.
 
Nur Unternehmen, die die Voraussetzungen eines sogenannten Wohnungsunternehmens erfüllten, haben bisher von der Begünstigung des Betriebsvermögens profitiert. Dies war dann der Fall, wenn Hauptzweck des Unternehmens die Vermietung von Wohnungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs war, wobei eine Mindestgröße von 300 Wohnungen angenommen wurde. Private Immobilienbesitzer und Immobilienunternehmen, die zu gewerblichen Zwecken vermieten, blieben von Gesetzes wegen von jeglicher Steuererleichterung ausgeschlossen.

„Für den überwiegenden Teil der Immobilienbranche war das vom Bundesverfassungsgericht kritisierte Ungleichgewicht bei der Besteuerung der Unternehmensnachfolge bitterer Alltag”, betont Dr. Hans Weggenmann, Leiter der Steuerrechtspraxis von Rödl & Partner. „Nach unserer Erfahrung haben viele Wohnungsunternehmen das Zeitfenster für eine steuerfreie beziehungsweise steuerlich günstige Unternehmensnachfolge nach dem bisherigen Erbschaftsteuergesetz genutzt. Alle anderen Immobilienunternehmen haben zu Recht auf das heutige Urteil gewartet. Für sie kann aber erst der Gesetzgeber durch eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Entlastung sorgen. Dies gilt auch für Immobilienunternehmen mit gewerblicher Vermietung, die bislang keinerlei Begünstigung erhalten haben.”
 
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erachtet insbesondere als gleichheitswidrig, dass bei großen Unternehmen der Bedarf einer Reduktion der Erbschaftsteuer nicht nachgewiesen werden muss, die Lohnsummenregelung erst ab einer Mitarbeiterzahl von 20 Arbeitnehmern gilt und dass die Verschonung von Verwaltungsvermögen missbrauchsanfällig ist, etwa durch Konzerngestaltungen oder sogenannte Cash-GmbHs, die allerdings Mitte 2013 bereits unterbunden wurden.

Die Verschonungsregelung soll laut Bundesverfassungsgericht vor allem Unternehmen schützen, die durch einen besonderen personalen Bezug der Inhaber zum Unternehmen geprägt sind, wie es für Familienunternehmen typisch ist. Steuerlich begünstigt werden soll ihr produktives Vermögen, um den Bestand des Unternehmen und die Arbeitsplätze zu erhalten. Das Gericht nimmt dies für kleine und mittlere Unternehmen an, fordert aber einen ausdrücklichen Nachweis für große Unternehmen. Zudem seien die Gestaltungsmöglichkeiten bei den Begünstigungsvoraussetzungen etwa in Bezug auf nicht unternehmerisch genutztes Vermögen wie Geldreserven oder Immobilien, den Erhalt der Arbeitsplätze (Lohnsumme) und die 20-Arbeitnehmer-Grenze, nach der kleine Unternehmen den Erhalt der Arbeitsplätze im Verschonungszeitraum nicht nachweisen müssen, zu groß, um eine gleichmäßige Besteuerung von Betriebs- und Privatvermögen zu gewährleisten.
 
„Dem in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck, Unternehmen würden sich nach dem geltenden Recht einer gerechtfertigten Besteuerung entziehen, muss entschieden entgegengetreten werden. Das Urteil erkennt den hohen Wert, den Unternehmen für unser Gemeinwohl haben, grundsätzlich an. Die Verschonungsregeln greifen ausschließlich dann, wenn das Unternehmen durch die Inhaber fortgeführt und die Arbeitsplätze erhalten bleiben”, betont Rödl. „Das ist eine gute Regelung, die zur Sicherung des Gemeinwohls aber massiv in die unternehmerische Freiheit eingreift. Fakt ist: Über jeder Nachfolgeregelung schwebt das Damoklesschwert einer existenzbedrohenden Besteuerung. Ohne die Verschonungsregelung hätten viele Unternehmen die Finanz- und Wirtschaftskrise nicht überstanden.”
 
Bei einer Reform der Erbschaftsteuer sollten auf jeden Fall auch Immobilienunternehmen nach denselben Kriterien wie andere Branchen in die Steuerentlastung der Unternehmensnachfolge einbezogen werden. „Auch der Immobiliensektor ist vielfach durch familiengebundene Unternehmen mit hoch engagierten Inhabern geprägt, die Arbeitsplätze für ihre Mitarbeiter sichern und in deren Zukunft investieren”, so Weggenmann. „Sie tragen durch ihre Liefer- und Leistungsbeziehungen häufig auch stark zur regionalen Wertschöpfung bei. Gerade bei diesen Immobilienunternehmen wirkt sich eine hohe Steuerbelastung auf die Substanz bei einer Unternehmensnachfolge äußerst nachteilig aus. Der derzeit geltende Ausschluss dieser Unternehmen von einer Betriebsvermögensbegünstigung ist nicht tragbar.”
 
Auch von einem sogenannten flat-tax-Modell könnten die Immobilienunternehmen gegenüber der jetzigen Vollbelastung profitieren. Denn die dann zu erwartende Absenkung des allgemeinen Steuerniveaus käme auch ihnen zugute, ebenso wie privaten Immobilienbesitzern. Dafür wäre allerdings ein grundsätzlicher Systemwechsel in der Erbschaftsteuer erforderlich, weil eine Betriebsvermögensbegünstigung nicht verfassungskonform ausgestaltet werden kann.
 
„Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, schnell ein neues Gesetz zu erarbeiten, das den hohen Anforderungen der Verfassungsrichter genügt“, mahnt Rödl. „Das Urteil darf aber nicht als Feigenblatt für eine Steuererhöhung missbraucht werden. Wer die Unternehmensnachfolge durch Steuern übermäßig belastet, bricht der deutschen Wirtschaft das Rückgrat. Angesichts des geringen Volumens und der hoch komplexen Anforderungen wäre es die beste Lösung, die Erbschaftsteuer abzuschaffen. Das würde einen Investitionsschub auslösen und die Konjunktur beflügeln. Die Gegenfinanzierung des Steuerausfalls über die Einkommensteuer wäre der richtige Weg.”

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